Foto: _fabrizio_
Eigentlich versuche ich es zu vermeiden, dass mein gerade mal 19 Monate alter Sohn fernsieht oder mir beim Videospielen zuguckt. Schließlich haben laut einschlägig bekannter Studien die meisten Kinder unter 14 bereits rund 38 Mrd. Morde gesehen, und photosensitive Anfälle muss man auch nicht unbedingt provozieren.
Manchmal lässt es sich aber nicht vermeiden, und so weiß er mittlerweile nicht nur, wie der Fernseher angeht, sondern auch, wo die Controller liegen und wie man sie bedienen muss.
Er weiß sogar, dass der Wavebird, den ich ihm manchmal zum Ablenken geben will, nicht mit der 360 funktioniert — sein beledigter Blick lässt mich heute bereits spüren, wie das später mal werden wird, so von wegen »Papa hat wohl überhaupt keine Ahnung«.
Nun dreht sich zur Zeit jedoch alles um die Fußball Europameisterschaft, und weil die Spiele bereits um 18.00 Uhr beginnen und ich meinen Sohn kaum für 105 Minuten wegschließen kann, gibt’s eine vierwöchige Ausnahme von der »kein Fernsehen«-Regel.
Bislang klappt das auch ganz gut; er interessiert sich recht wenig für das Gekicke auf dem Rasen, sondern rennt nur von Zeit zu Zeit ins Bild und reißt breit lachend die Arme in die Luft. Da wir meist mit einigen Freunden gucken, lachen alle Anwesenden verzückt mit, und dann machen wir so »oooooh-heyyy«, die Welle, und dann freut er sich und holt einen Ball aus seinem Zimmer oder schaltet das Radio ein und will tanzen.
So weit, so gut.
Gestern überraschte er mich jedoch mit einer geradezu genialen Assoziationskette. Es war kurz nach sieben, wir waren noch nicht lange zu Hause, und auf dem Fernseher mühte sich ein müdes Frankreich nicht wirklich gegen lahm mauernde Rümanen.
Es war absolut zum Gähnen, und wäre mein Sohn nicht gewesen, hätte ich wohl direkt abgeschaltet.
Aber so kam er plötzlich angerannt, aus der Küche, stellte sich vor den Bildschirm, schaute sich das Gegurke knapp 20 Sekunden lang an, und noch bevor ich etwas sagen konnte, lief er freudestrahlend zum Regal, zeigte nach oben und verlangte mit seinem wahnsinnig bestimmten »DA! DA!« nach einem Gamepad.
Ich zögerte kurz, stand dann aber auf und reichte ihm den Controller.
Er strahlte groß und breit, platzierte seine Daumen gekonnt auf den Analogsticks und rannte schnurstracks zurück vor den Fernseher. Dort stand der dann, lachend, und — spielte Fußball.
Nun hat man ja ausgerechnet in solchen Augenblicken niemals eine Kamera zur Hand, und ich hätte das Schauspiel auch nicht durch hektisches Festhalten-für-die-Nachwelt stören wollen. Aber es lässt sich leider nur schwer beschreiben, wie perfekt die ungelenken Steuerungsversuche meines Sohnes zum Spielgeschehen auf dem Bildschirm passten.
So schwenkte er das Pad hin und her und drückte wuchtig ein paar Knöpfe, während ein entnervter Franck Ribéry tollpatschig über die eigenen Füße oder die seiner Mannschaftskollegen stolperte.
Er lies die Sticks im und gegen den Uhrzeigersinn kreisen, stieß sie hoch und runter, nach rechts und links, getrennt und gleichzeitig, hielt das Pad die meiste Zeit verkehrt herum, und lies es schließlich mit einem lauten PLUMPS auf den Boden fallen.
Zwischendurch schaute er mich immer wieder stolz an, rief begeistert »DA!«, und ich nickte lachend zurück.
Ja, dachte ich, genau so spielen die gerade, und eigentlich müsste jemand eingreifen, mit Y den tödlichen Pass spielen und zur Abwechslung mal nicht ganz so lang auf B drücken.
Dann gab’s Abendbrot.