Eher zufällig fiel uns im „Wir müssen reden“-Podcast ja auf, dass Spreeblick am 6. April 2012, also vor wenigen Tagen, zehn Jahre alt geworden ist. Irgendwie schade, dass wir das nicht gefeiert haben mit einer kleinen Party, aber so ist das ja oft: Man feiert zu wenig. Ich habe zwar immer mal wieder den Eindruck, dass andere Leute zu viel feiern („Anke und Georg sind jetzt seit fast dreieinhalb Wochen zusammen, kommt alle!“) und finde das dann doof, aber zu wenig feiern ist auch nicht gut.
Nun ja. Wer Lust hat, stößt einfach während der re:publica mit uns an. Ich stehe der Nutzung von Alkohol, ganz besonders gegen Ende der Veranstaltung, grundsätzlich offen gegenüber und sage bei verstärkter solcher auch manchmal seltsame Dinge, es kann also lustig werden oder zu Schlägereien kommen, je nachdem.
Nee, keine Schlägereien, ich bin ein friedliebender Mensch. Und außerdem untrainiert.
Ich mache stattdessen mal ein bisschen auf Post-Privacy, okay?
Die im Vorverkauf ausverkaufte re:publica 2012 ist der reine Wahnsinn. Die Hallen sind unfassbar groß und vor allen in ihrer Grundausstattung: leer. Bei den bisherigen Ausgaben der Veranstaltung, in der Kalkscheune und auch im Friedrichstadtpalast also, hatten wir Räume gemietet, die grundsätzlich in der Basis ausgestattet waren. Steckdosen waren vorhanden, im Friedrichstadtpalast gab es eine große Bühne mit Bestuhlung und einer Licht- und Tonanlage, in der Kalkscheune mussten Podeste aufgebaut, ein paar hundert Stühle und eine Tonanlage gemietet werden. Dazu Projektoren usw. … das war auch ’ne Menge Arbeit, aber im Vergleich eine überschaubare.
Die Station jedoch ist erstmal leer. Riesige, tolle Hallen: leer. Irgendwo steht ein Stromverteiler, aber die Steckdosen müssen gelegt werden. Bühnen, Stände, Licht, Ton, Verpflegung für – ich weiß nicht, ob diese Zahl bereits irgendwo kommuniziert wurde – über 4.000 Menschen mussten geplant, organisiert, kalkuliert, umgeplant, umorganisiert, umkalkuliert, bestellt, vorfinanziert und nun installiert werden. Seit dem Wochenende vor der eigentlichen Veranstaltung sind Dutzende von Menschen damit beschäftigt, genau dies zu tun.
Und seit Monaten, genauer gesagt seit dem Spätsommer 2011, sitzt ein Kern-Team von rund 30 Leuten plus verschiedener Dienstleister (Gestalter, Architekten, Designer, Techniker) daran, den ganzen Irrsinn zu planen, zu organisieren, zu kommunizieren und auch mit Hilfe von Ticketverkäufen, Förderern und Sponsoren zu finanzieren. Dabei wurde endlos diskutiert, nachgedacht, geplant, verworfen, gestritten, geschrien, umarmt, neu nachgedacht, neu geplant, kalkuliert, gezittert, neu kalkuliert, weiter gezittert, weiter gearbeitet. Einige Leute in diesem Kernteam sind schon länger dabei, einige kannte ich bisher nicht. Doch ich schätze sie alle, weil ich weiß, was sie auf die Beine gestellt haben.
Ich musste lernen, Bereiche abzugeben, um die ich mich vorher mehr selbst gekümmert hatte, musste lernen, dass das bei der Größe, welche die re:publica erreicht hat, nötig und vor allem unumgänglich ist, und auch, dass es manchmal besser so ist und manchmal auch nicht.
Ich finde das alles großartig und bin stolz darauf. Die Kombination der re:publica-Gründerin und -Gründer (Markus Beckedahl und Andreas Gebhard für netzpolitik.org respektive newthinking, Tanja und ich für Spreeblick) ist so kompliziert wie richtig, glaube ich. Denn wir vier sind keineswegs dauernd einer Meinung und bekommen uns oft genug in die Haare, aber uns eint der gegenseitige Respekt vor den anderen und die bisherigen Erfahrungen mit den vorangegangenen Ausgaben der re:publica. Zumal wir alle ganz unterschiedliche Kompetenzen haben, die sich ergänzen. Ohne das Team von newthinking, ohne Andreas wäre das Ding ganz definitiv nicht zu stemmen, ohne Markus auch nicht, und ich denke, dass Tanja und ich ebenfalls unseren Input haben und die re:publica ohne uns nicht die wäre, die sie ist.
Und ganz ehrlich: ich mag die Gigantomanie. Auch wenn mir klar ist, dass Größe kein Qualitätsmerkmal ist, mussten wir irgendwann entscheiden, ob wir die re:publica bewusst „klein“ halten (eine durchaus machbare, wenn auch nicht unproblematische Option, Stichwort: „elitär“), oder ob wir sie so wachsen lassen, wie es die Nachfrage zulässt. Wir haben uns im vollen Bewusstsein der Risiken bewusst für letzteres entschieden. Und jetzt haben wir den Salat, selber schuld.
Es wird vielleicht noch nicht alles völlig rund laufen bei der diesjährigen, sechsten re:publica, und sie wird in gewisser Hinsicht eine andere werden, als sie es bisher war. Aber ihr könnt ruhigen Gewissens davon ausgehen, dass sich mehrere Dutzend Leute den Arsch abgearbeitet haben, um die #rp12 auf die Beine zu stellen, dass jede und jeder Einzelne davon nichts anderes als eine großartige Konferenz im Sinn hatte und dass alle dieser Menschen seit vielen Monaten darauf hin arbeiten, dass es drei tolle Tage für alle Beteiligten werden (und, das soll nicht unerwähnt bleiben, wir nicht daran pleite gehen).
Wir haben großartige Rednerinnen und Redner, Themen und Ideen durch den Call For Papers, wir haben internationale Gäste, die uns den Blick über den Tellerrand servieren, wir haben rund 150 freiwillige Helferinnen und Helfer, ohne die das Ganze auch nicht zu machen wäre, wir haben eines der, wie ich finde, besten Konferenz-Designs, und wir haben ganz sicher mit euch neugierige, nette und spannende Gäste, auf die wir uns sehr freuen, denn es geht nun endlich los!
Aber die re:publica ist ja nicht das Einzige, was hier gerade passiert. Tanja und ich schreiben ja auch noch ein Buch. Und verdammte Scheiße, ich wusste nicht, wie schwer das ist. Unsere Lektorin ist noch verreist, wir sind also unter uns: Es ist immer noch nicht fertig.
Das liegt nicht daran, dass wir nicht schreiben würden, natürlich nicht, wir tippen uns im Gegenteil seit Monaten die Finger wund. Und dabei kommt auch viel Gutes heraus. Aber die grundsätzlichen Fragen stellen wir uns immer wieder, nämlich die nach dem, was das Buch leisten kann und will. Es wird ein Buch für Eltern, es soll Internet-ferneren Eltern die Kultur (im Gegensatz zur Technik) des Netzes nahe bringen, soll Sorgen in Relation setzen, soll tatsächliche Probleme aber auch nicht verschweigen. Es ist außerdem ein Manifest für Kinder und Jugendliche, die sich unserer Meinung nach zu oft für ihre digitale Kultur diffamieren lassen müssen. Aber in der Praxis schreibt man sich dann schnell mal in eine Sackgasse – ich habe in den letzten Tagen zum Beispiel knapp 30 Seiten zum Thema Internet und Jugendschutz getippt, und dann dachte ich: Alles Bullshit. Ich schreibe keinen Ratgeber, ich mache keine Internet-Anleitung. Wenn Menschen nicht einmal den Hilfebereich von Facebook lesen und selbst herausfinden können, wie sie ein Foto löschen können, dann werden sie das auch in unserem Buch nicht lesen und ich kann und will den Leserinnen und Lesern auch nicht vorschreiben, wie sie ihre Kinder erziehen sollen.
Gleichzeitig wurde mir aber auch bewusst, wie scheiße das Internet in vielen Bereichen ist und wie scheinheilig an viel zu vielen Stellen die Diskussion geführt wird, ich habe Studien gelesen und Statistiken analysiert und ich habe ihre verschiedenen Interpretationen verglichen und dabei festgestellt, dass so gut wie jeder die Zahlen nur so wiedergibt, wie sie seiner Sache, seinen Zielen, seinem Anliegen am meisten nützen. Und das nervt enorm, denn es führt in Sackgassen und ist am Ende immer wieder nur: Politik und Strategie. Und das soll nicht das Ziel unseres Buches sein.
Naja. Wird schon werden, wir bekommen das fertig, na klar. Und es wird toll werden und hoffentlich niemanden nach dem Maul reden. Aber es ist verdammt schwierig.
Und sonst?
Die Band klingt grandios. Wir proben uns den Arsch ab, wir werden die Bläser-Sektion für ein paar tolle Songs dabei haben, wir freuen uns wie blöde darauf, endlich wieder Krach vor Publikum machen zu können und wir sind auf dem besten Weg, sowohl das Molotow in Hamburg als auch das Lido in Berlin auszuverkaufen. Parallel dazu sind wir dabei, die Rechte an unseren alten Aufnahmen zurück zu bekommen, um sie endlich auf iTunes und Spotify etc. packen zu können, erhalten Anfragen für weitere Gigs, entwerfen die Shirts, sind vertraglich so frei wie nie, bauen unseren eigenen Übungsraum aus und sind nervös und freudig aufgeregt wie kleine Jungs.
Diese Woche wird ganz im Zeichen der re:publica 2012 stehen, danach geht es weiter mit dem Buch und der Band.
Life’s a beat. Indeed.
Ich bin diesmal leider nicht dabei, bei der #rp12 (und halte Bücherschreiben für etwas, um das sich die Menschenrechtskommission der UNO mal kümmern müsste – also: weil ne Qual für die Schreiber_innen ist).
Aber wenn du mir gestattest (du weißt, wie es gemeint ist ;) ):
Am liebsten würd ich aus der Ferne (ich bin ’nur‘ in HH, also fast ums eck) 4000 mal den Tweet lesen:
„Boah, ist das ein geiles WLAN!!eins11elf!! #rp12“
Ich freue mich so sehr für Euch!
Zur re:publica kann ich nicht kommen, leider. Aber umso mehr fiebere ich mit (und lese zwischen den Zeilen) zum Buch und „Buch schreiben“ und mach dir bloß keine Gedanken: das Internet/Eltern/Kind/Thema ist nach allem was ich die letzten Jahre hier lese in genau den richtigen Händen. (Meine Lektorin war in der Endphase ungefähr in Feuerland, und ich glaube ich schrieb damals ins Netz „meine Zuversicht auch“, ich fühle also mit).
@#803262: Das mit dem WLAN müsste dann etwa 8000mal kommen, denn jeder Besucher hat im Schnitt zwei Geräte dabei …
@#803263: Sich für andere freuen zu können, ist eine hohe Kunst und ein extrem feiner Zug, danke dafür! Und auch für deine anderen Worte. Sagt uns ja auch jeder andere Autor, dass das halt so ist … aber … na, du weißt schon. :)
@03:
Gut, dass ihr schon mal mitgerechnet habt ;) 8Wobei ja nicht immer ALLE Laptops zusätzlich mit online sind, also, ehm, 6000.
Hallo Johnny, habe heute eine weitergeleitete (dringende!) Dolmetschanfrage für Veranstaltungen zum Thema Barrierefreiheit \o/ am Mittwoch bekommen. Da hatten wir doch vor Ewigkeiten drüber getwittert oder gemailt oder so. Verrückt! Würde mich jetzt schon interessieren, ob ihr so kurzfristig noch jemanden bekommt. Hätte ja gerne etc. etc. :-) Wünsche auf jeden Fall gutes Gelingen und viel Kraft für den Orga-Endspurt!
Ich freu’ mich wie blöde auf die #rp12 und ich weiß, es wird perfekt sein, weil es nicht perfekt sein wird. Danke!
Die Vorfreude ist gewaltig.
Kann ich jetzt das 2011er rp: Armbändchen abnehmen?
Pass aber auf, dass alles am Ende nicht zu viel wird. Ist ja auch nicht gut.
Apropos ‚feiern‘: Ich erinnere mich gerne daran, dass Du, Johnny, neulich hier vor Zeugen eine Prince-Motto-Party angekündigt hast … is‘ doch gerade etwas Luft … ;-)
@#803270:
Nicht gänzlich durchgestylte und über alles erhabene Veranstaltungen sind annehmbar.
Bei sich selbst ist die Konsequenz im Impressum zu (be-) finden.
„Falls Sie möchten, daß ich Ihr Produkt online aktiv unterstütze und bewerbe, dann können Sie meine Dienste gerne buchen. Ich berate hauptberuflich Kunden (gern auch Start-Ups), Agenturen und Marken zum Thema Digital Marketing und Design. Mehr Informationen darüber finden Sie
Macht doch was ihr wollt.
@PiPi
@#803279: Nich‘ stänkern! :)
@#803274: Stimmt. Und ja, mach‘ ich. :)
Huhu Johnny. Hat der Titel was mit dem 11. Jahr Spreeblick zu tun (11. Jahr, dritter Beitrag?)
Danke im Voraus.
Auf Niederländisch sagt man „Sterkte!“ – das wünsch ich dir und euch von Herzen.
@#803283: Könnte hinkommen, ja. Wobei E03 einfach so vermutet ist …
@#803285: Dank u! :)
Alles Gute euch beiden Haeuslers und allen anderen, die für den Spreeblick je geschrieben haben oder noch schreiben!
10 Jahre sind in der digitalen Welt eine lange Zeit – umso besser, wenn auch die Qualität stimmt – ich wünsche weitere 10 Jahre (1 Monat ist ja schon wieder um) und freue mich auf die nächsten Beiträge …
5.5.
Zur Entspannung leg ich mir immer sowas auf:
http://www.youtube.com/watch?v=uQtUgwGF6qo
UND
http://www.youtube.com/watch?v=PYqgsx5Wsas
Ich gratuliere auch zum 10jährigen.
Das ist eine sehr beeindruckende Zahl.
Ich schaue immer wieder gerne vorbei und findeauch immer interessante Beiträge.
@#803280:
Nachfrage
Da die re:publica – wie man den vielen Presseberichten entnehmen kann -soweit erfolgreich verlaufen ist, interessiert es mich durchaus ob der eine oder die andere dadurch neue Geschäftskontakte knüpfen konnte. Internas sind selbstverständlich tabu.
Stelle die Frage deshalb, weil neben ‚Jugend forscht ‚ nur Firmen oder eben Stiftungen das Engagement inspirierter Lötkolbenbediener u./o. Denker un-
terstützt.
Freiligrath, Ferdinand
@#803291:
@19:
„Internas“ sind immer Tabu., weil „Interna“ schon ein Plural ist. ;)
Na dann: Auf die nächsten 10 Jahre – toll!
Die sollen lieber mal diejenigen bekämpfen, die den Rechtsstat dadurch abschaffen, daß sie das Recht beugen (es also absichtlich missbräuchlich anwenden).
http://meuterei.urlto.name
#21
http://www.duden.de/rechtschreibpruefung-online
Wichtig ist die Sinnhaftigkeit (Unwort).
Merci :)
Salesorger!