Vor über zwei Jahren habe ich ein eBook voller Kurzgeschichten im Eigenverlag veröffentlicht (die Hintergrundgeschichte dazu findet man hier), und vor einem guten Jahr veröffentlichte der Goldmann-Verlag ein von Tanja und mir verfasstes Sach- und Taschenbuch für Eltern. Es folgen daher ein paar Zahlen und Gedanken zum Thema „Selbstverlag vs. Classic“.
I live by the river!
Über zwei Jahre nach dem Verkaufsstart meines eBooks habe ich knapp 10.000 Exemplare von „I live by the river“ an die Frau und an den Mann gebracht, was ich als massiven Erfolg werte, beachtet man die Rahmenbedingungen: Das Buch besteht aus Kurzgeschichten, die bereits auf diesem Blog veröffentlicht waren und hier immer noch kostenlos lesbar sind. Neben der Werbung über die eigenen Kanäle und einigen Blog-Rezensionen sowie Amazon- und iTunes-Bewertungen gab es keinerlei Marketing. Und nach den ersten Monaten habe ich selbst auch nichts Bemerkenswertes getan, um den Verkauf anzukurbeln.
Die meisten eBooks wurden über Amazon verkauft (rund 60%), ein weiterer Teil über iTunes/iBooks (etwa 30%). Alle anderen Formate bzw. Plattformen haben kaum beachtenswerte Umsätze gemacht. Zudem rechnen sie quartalsweise ab, während ich die Verkäufe bei Amazon täglich überprüfen kann.
10.000 verkaufte eBooks zum Preis von 0,99 EUR bedeuten einen Gewinn von rund 5.000 EUR – innerhalb von zwei Jahren, wohlgemerkt. Leben kann man davon natürlich nicht, doch das war ja auch nicht Ziel der Aktion. 5.000 EUR als zusätzliches Taschengeld für bereits geschriebene Texte und ein paar Tage zusätzlicher Arbeit – da kann man nicht meckern, finde ich. Und tue das auch nicht. Zumal mich die positiven Rezensionen der Geschichten bis heute enorm freuen.
Bewertungen „I live by the river!“ bei iTunes
Bewertungen „I live by the river!“ bei Amazon
Ein Verlag hätte die Summe von 5.000 EUR wohl kaum als Vorschuss für das Projekt gezahlt, und mein Gewinn wäre mit weiteren Mittelsmännern und -frauen auch wesentlich geringer ausgefallen, die Entscheidung, alles selbst zu machen, war also in diesem Fall die richtige.
Die ganze Sache war und ist trotzdem ein Einzelfall, der kaum allgemeine Einschätzungen des Marktes zulässt. Hätte ich 10.000 Exemplare verkauft, wenn das Buch EUR 2,99 gekostet hätte? Wahrscheinlich nicht. Allerdings hätten dann auch 2.500 Exemplare genügt, um auf den gleichen Gewinn zu kommen. Hätte ich 2.500 Exemplare verkauft, ohne die Reichweite der Spreeblick-Kanäle (Blog, Twitter, Facebook) nutzen zu können? Eher nicht.
Dennoch bin ich sicher, dass sich der Selbstverlag und die Veröffentlichung eigener Texte als eBook auch für andere Autorinnen und Autoren unter bestimmten Voraussetzungen lohnt und rechnet. Wenn man alles selbst machen kann (Formatierung, eBook-Erstellung etc.); wenn man keinen Vorschuss braucht, um die Zeit des Schreibens zu finanzieren; wenn sich das Werk in erster Linie an regelmäßige Nutzerinnen und Nutzer digitaler Geräte richtet; wenn man selbst genügend Kanäle zur Verbreitung der frohen Botschaft hat – dann kann die Sache funktionieren. In allen anderen Fällen kann ein Verlag (noch) sehr hilfreich sein, doch auch dabei darf man sich keinen falschen Vorstellungen hingeben. Dazu möchte ich zusätzlich noch aus dem Nähkästchen von Tanjas und meinem Buch „Netzgemüse“ plaudern, das bei Goldmann erschienen ist.
Netzgemüse
Goldmann hat uns durch einen guten Vorschuss die Arbeit an dem Buch ermöglicht, die viel länger dauerte, als wir geplant hatten. Aus den vorgesehenen drei bis vier Monaten wurden mindestens sechs, wofür der Verlag natürlich nichts konnte. Unseren durchschnittlichen Verdienst für ein halbes Jahr konnte der Vorschuss zwar nicht ersetzen, doch ohne ihn hätten wir Netzgemüse definitiv nicht schreiben können. Finanziell war Goldmann also sehr wichtig für uns.
Zudem hatte der Verlag zum Erscheinen des Buches eine PR-Agentur engagiert, die sich um Aufmerksamkeit bei der Presse bemühte, Rezensionsexemplare verschickte und Reviews sammelte und kommunizierte. Das war ebenfalls sehr hilfreich und die Zusammenarbeit mit der Agentur lief prima. Um die Kommunikation bei den Händlern kümmerte sich Goldmann selbst – wie erfolgreich das war, kann ich kaum bewerten, mit der Präsenz des Buches im Handel waren wir jedoch nie zufrieden, denn wirklich sichtbar war Netzgemüse in keiner Buchhandlung, in der wir vorstellig wurden. Ich schätze, jede Autorin und jeder Autor bemängelt das und ich weiß nicht, wie viel Einfluss der Verlag darauf wirklich nehmen kann, es kommen einfach zu viele Bücher auf den Markt. Spezielle Aufsteller oder Werbemaßnahmen im Handel gab es für Netzgemüse jedoch nicht, und die Online-Aktionen wurden von uns selbst erstellt, finanziert und betreut: Die Facebook-Page, die eigene Microsite, den Video-Trailer und den Podcast zum Buch: Das haben Tanja und ich selbst gemacht und finanziert. Immerhin stellte sich Goldmann aber auch nicht quer und ließ uns freie Hand, das ist bemerkenswert.
Ebenfalls selbst organisiert haben wir übrigens einige Lesungen und Vorträge, zu denen man an dieser Stelle etwas einschieben kann: Viele Verlage (bei Goldmann und uns war das nicht der Fall) sagen den Autoren, dass sie das meiste Geld später mit Lesungen verdienen werden. Veranstalter von Lesungen hingegen zahlen kaum nennenswerte Honorare, da man ja schließlich und angeblich mithilfe der Lesungen so viele Bücher verkauft. Ein finanzieller Teufelskreis für Autorinnen und Autoren. Sicher ist nur, dass unser Buch etwas Besonderes ist, da wir keine „echten“ Lesungen machen können, sondern eher Vorträge und Diskussionsabende, und dass diese oft bei Veranstaltern und Organisationen stattfinden, die eben auch keine endlosen Etats haben. Büchereien, pädagogische und soziale Einrichtungen, Schulen. Für erfolgreiche Romanautorinnen lohnen sich Lesungen garantiert, aber nun ja: Die sind ja bereits erfolgreich …
Zusammengefasst stellen wir aber fest: Wer Netzgemüse haben will, hat es innerhalb von einem Tag auf dem Tisch, selbst, wenn es im Handel nicht vorrätig sein sollte. Auch das ist ein Vorteil eines großen Verlags, der die Auflage im Auge behält, rechtzeitig nachdruckt und schnell liefert. Denn Netzgemüse verkauft sich in erster Linie und mit großem Abstand als Papierbuch, die eBook-Anteile an der Gesamtauflage machen derzeit kaum 4% aus, was zwar sicher auch dem Thema des Buches bzw. der Zielgruppe geschuldet ist, aber dennoch ernüchternd ist, was den Hype um das elektronische Buch angeht. Zumindest in diesem Fall. Diese Tatsache, die den Verlag nicht überraschte, erklärt sicher auch das eher karge Engagement von Goldmann hinsichtlich der Online-Werbemaßnahmen, die sie einfach nicht für wichtig hielten, und leider geben ihnen unsere Zahlen recht: Das Video hat 7.000 Aufrufe, der Podcast 1.000, die Facebook-Page gerade mal 183 Fans. Klar, wir haben da auch nicht endlos Promo reingesteckt, aber man muss einfach feststellen: Netzgemüse ist ein Buch für Leute, die eben eher offline unterwegs sind. Für anfängliche Aufmerksamkeit und Verbreitung im Netz haben unsere Ideen ganz bestimmt geholfen, am Ende haben sie aber nicht das Buch verkauft. Was man nicht nur anhand der Zahlen sehen kann, sondern auch daran, dass es nur auf Amazon Kundenrezensionen gibt, wo man das Buch eben auch als Taschenbuch erhält. Bei iTunes, wo es nur das eBook gibt, stehen noch immer eine einzige Rezension und nicht genügend Bewertungen für eine Sternchenanzeige.
Bewertungen „Netzgemüse“ bei Amazon
Dabei verkauft sich Netzgemüse immer noch sehr stetig, wir steuern nach letzten Informationen auf 20.000 verkaufte Exemplare zu, was für ein Sachbuch eine gute Zahl sein soll. Der Verlag ist zufrieden, wir sind es auch, alles ist prima.
Spannend wird es jetzt wiederum, wenn man berechnet, dass wir beide als Autoren zusammen pro Netzgemüse-Exemplar etwa EUR 0,50 verdienen (das Taschenbuch hat einen Verkaufspreis von EUR 9,99). Gehen wir mal großzügig und der einfachen Rechenbarkeit halber von 20.000 verkauften Einheiten aus, haben wir bisher also rund EUR 10.000 mit Netzgemüse verdient und damit unseren Vorschuss noch nicht wieder eingespielt (alle Gewinn-Angaben verstehen sich sowohl bei „Netzgemüse“ als auch bei „I live by the river“ vor der abzuführenden Steuer). Denn, falls das jemand nicht weiß: Natürlich werden Verlagsvorschüsse mit den tatsächlichen Einnahmen verrechnet. Bevor also ein Vorschuss nicht mit den Gewinnanteilen der Autoren eingespielt wurde, fließt auch kein weiteres Geld. Ich nehme an, dass das bei Haruki Murakami etwas anders läuft, aber bei dem kommen sowohl Verlag als auch Autor aus dem Lachen ja sowieso nicht mehr raus.
Vergleichsversuche
Anders gerechnet – und um den Bogen zum Experiment mit „I live by the river“ zu schlagen: Hätten wir Netzgemüse selbst verlegt und als eBook veröffentlicht, hätten wir für die gleiche Einnahme nur 5.000 eBooks für einen Stückpreis von EUR 2,99 verkaufen müssen.
Aber hätten wir? Ich glaube nicht. Wir hätten weniger Rezensionen und Aufmerksamkeit in der „Mainstream-Presse“ bekommen, und Netzgemüse eignet sich einfach weniger zur eBook-only-Ausgabe als dies bei meinen Kurzgeschichten der Fall war.
Man erkennt an diesen Erfahrungen: Wenig. Und vieles, was man sich auch vorher hätte denken können. Die Frage, ob Autoren den Weg des Eigenvertriebs und eBook-only gehen oder einen „echten“ Verlag suchen sollten, stellt sich mit jedem Projekt neu. Neben dem Buch selbst und dessen Zielgruppe spielt die Kraft und die finanzielle Situation der Autoren eine wichtige Rolle, und wie bei allen künstlerischen und kreativen Tätigkeiten sind Zufall und Glück oder Pech Faktoren, die niemand einschätzen kann. Den Erfolgsgeschichten von über Nacht zum Millionär gewordenen eBook-Autoren stehen zehntausende eBooks mit einstelligen Verkaufszahlen gegenüber, und auch ein klassischer Verlag kann bei Erfolgsversuchen von noch weitgehend unbekannten Autoren nur helfen, unterstützen und nichts garantieren. Engagierte Eigeninitiative der Autoren ist in jedem Fall hilfreich, und je besser man sich selbst am Markt auskennt, desto mehr kann man selbst tun. Was wiederum ohne ein gutes (oder irgendwie spektakuläres) Produkt auch nichts bringen wird.
Fazit
Ob man als Autorin oder Autor von seiner Passion leben kann, entscheidet nicht das Buch-Format oder der Vertriebsweg, sondern weiterhin die schwer planbare und immer wieder anders gelagerte Mischung aus Talent, Arbeitseinsatz, Glück, Marketing, Produktqualität, Zufall, Professionalität und Timing. eBooks erweitern die Möglichkeiten für Autorinnen und Autoren und lassen mehr Experimente zu, ein Erfolgsgarant oder Allheilmittel für die Herausforderungen des Marktes sind sie – natürlich – nicht.
Und noch ein Fun-Fact: Wer Netzgemüse über unseren eigenen Amazon-Parnerlink kauft, verdoppelt damit unseren Verdienst am Buch. Denn Amazon zahlt uns durchschnittlich 0,47 EUR für jedes über den Link verkaufte Buch, also etwa genauso viel, wie wir als Autoren vom Verlag erhalten …
Partnerlinks:
Netzgemüse bei Amazon
Netzgemüse bei iTunes
I live by the river! bei Amazon
I live by the river! bei iTunes
UPDATE Da mich gerade jemand eher im Spaß fragte, ob Goldmann mit 20.000 für EUR 9,99 verkauften Taschenbüchern nun runde EUR 200.000 umgesetzt hätte: Natürlich nicht. Zunächst sind die EUR 9,99 ein Bruttopreis, nach Abzug der 7% Umsatzsteuer bleiben dem Händler also EUR 9,34. Dieser kauft die Bücher mit einem sogenannten Rabatt ein, der dann sein Gewinn ist, die Höhe dieses Rabatts richtet sich meines Wissens nach den Deals, die der Händler bekommen kann, also auch nach seiner „Marktmacht“, der Abnahmemenge, seiner Größe usw. – die Rabatte bewegen sich wohl zwischen 30% und 50%. (Sind Buchhändlerinnen oder -händler im Haus? Korrigiert mich bitte.)
UPDATE zum UPDATE: Natürlich muss der Buchhandel von diesen Gewinnen noch seine eigenen Kosten tragen – Logistik, Löhne, Mieten … sein Gewinn am Buch ist also der Rohgewinn vor Abzug seiner Kosten.
Vom restlichen Geld müssen nun noch Großhändler, Vertriebsmenschen, Herstellungskosten, anteilige Produktionskosten für Händlerkataloge u.ä., die für die Autoren zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Verlag und das Lektorat bezahlt werden. Viele dieser Kosten sind einmalige Ausgaben, amortisieren sich also umso besser, je mehr Bücher verkauft werden. Ich vermute in unserem Beispiel, dass als Gewinn bei Goldmann nicht mehr als zwei bis drei Euro bleiben – was dann immer noch bedeutet, dass ich mir als Autor eine wesentlich höhere Beteiligung wünsche, diese kann man aber erst verlangen, wenn man gewisse Erfolge nachweisen kann, für Erstautoren ist das schwer.
Im Ganzen ist Netzgemüse bisher also wahrscheinlich kein Verlustgeschäft, aber auch kein Mega-Geschäft. Beachtet man außerdem die Frage der Liquidität (schließlich geht der Verlag in Vorleistungen, noch bevor die ersten Kapitel fertiggestellt sind) und des Risikos, stellt man fest: Ein Verlag funktioniert betriebswirtschaftlich ähnlich wie ein Musiklabel. Auf Dutzende Misserfolge oder Projekte mit einer roten Null kommt mit Glück ein Bestseller, der in Teilen die weniger gut laufenden Projekte mitfinanziert. Natürlich hoffen Verlage auf die eigene Erfahrung, vielleicht können sie extreme Verluste vermeiden, am Ende ist und bleibt der Handel mit durch Kreativität entstandene Produkte aber risikobehaftet. Das ist zwar jeder Handel, die Buch-, Film- oder Musikbranche haben aber durchaus noch ganz eigene Regeln.
Der Fun-Fact ist sehr skurril.
Und eins ist klar, warum sollte ich eine eBook kaufen, wenn ich für den gleichen Preis ein gedrucktes Buch bekomme, was ich weiterverkaufen oder verleihen kann. Ich kann ein gedrucktes Buch auch als Untersetzer oder Türstopper verwenden.
Aber was ich eigentlich damit sagen will, solange die eBooks nicht billiger sind als ein gedrucktes Buch (die Kosten für den Verleger sind ja deutlich geringer), steigt der Anteil auch nicht.
@#819768: So sehe ich das auch.
Vielen Dank für diese umfangreiche und transparente Darstellung! Sehr informativ.
Vielen Dank für den abermals aufschlussreichen Einblick!
Bzgl. eBooks vs. physisches Buch. Nenn mich Snob, aber ich würde bei gleichem Preis trotz aller Einschränkungen wahrscheinlich zum eBook greifen, weil ich es sofort nach Kauf bekomme. Und zwar da wo ich gerade bin. Ich muss nicht erst in einen Laden laufen oder ein, zwei Tage auf die Lieferung warten. Ausserdem kann ich es virtuell immer dabei haben, auf fast allen meiner elektronischen Geräte. Wenn mir in einem Jahr einfällt, das ich mal schnell eine Stelle nachschlagen will, zücke ich einfach mein Mobiltelefon und kann darauf zugreifen da es i.d.R. in der Cloud gespeichert ist.
Von innen sieht der goldene Käfig halt ganz hübsch aus ;)
Interessant finde ich auch den Gedanken, dass ein Text deutlich kürzer sein kann als ein ganzes Buch und dennoch viele Menschen bereit sind, dafür 1 Euro zu zahlen. Vielleicht sind Fortsetzungsgeschichten, -roman, -sachbücher der Weg, den ebooks einschlagen könnten?
Das ist ein sehr informativer und wunderbar offen-ehrlicher Artikel!
@#819773: Ja, das glaube ich auch. Ich könnte mir auch journalistische Formate vorstellen, im Grunde könnte ein Journalist oder wenige Journalisten als Gruppe eine Art eBook-Magazin machen, das z.B. monatlich erscheint. Ebenso wären eBook-Abos denkbar, denn das Format kann ja mit Updates versehen werden. Man kauft ein eBook im Abo und das wird regelmäßig mit neuen oder zusätzlichen Inhalten gefüttert.
Romane in mehreren Häppchen gibt es ja bereits. Und am Ende kosten alle Teile zusammen das gleiche wie das „ganze“ Buch.
Hinweis: Ich habe noch ein Update zum Artikel hinzugefügt.
@Jan der Kostenanteil fürs Drucken ist ein Faktor in der Kalkulation eines Printbuches, der nicht sehr hoch ist. Die anderen Kostenpunkte wie Lektorat, Herstellung, Vertrieb, Handelsrabatt, Marketing etc. bleiben. Deswegen können E-Books preislich nicht sehr günstiger als ein Printbuch sein.
20.000 ist sehr gut!
Tom und ich haben mit FfE in den ersten 9 Monaten 5.000 verkauft, seitdem kaum noch etwas.
Eins hast Du in Deinem Artikel vergessen, was Du selbstredend so aber auch nicht schreiben darfst: Dass Netzgemüse ein wirklich wirklich gutes Buch ist, lesenswert für alle Eltern, die sich auch nur eine Spur mit ihren Kids im Internet auseinandersetzen wollen.
Das mit der Vermarktung durch den Verlag habe ich leider auch so erfahren müssen. Ich hatte mir doch mehr Präsenz nach außen gewünscht – aber Sachbücher (meins wurde auch so eingeordnet) sind nun einmal nicht Hauptwerbeziel in der Buchbranche.
Bei mir war es auch noch anonym, was die Vermarktung wohl lt. Verlag praktisch uuunmöglich machte…
Viel Text, Johnny und transparente Infos. Ich denke es liegt auch an deiner Reputation, welche du im Rahmen deiner vielseitigen Aktivitäten erlangt hast. Beide Veröffentlichungen dürften dieses Fundament langfristig festigen. Bleibt dir zu wünschen, dass in sich weiteren 2 Jahren der Trend bestätigt.
Dass vom Netzgemüse so wenig als eBook verkauft wurde, liegt natürlich auch daran, dass das eBook nur 1 Euro unter dem Taschenbuch liegt, aber eben die Nachteile des eBooks (kein Wiederverkaufswert, nicht verschenkbar etc. hat – dein eBook hat sogar ein DRM drauf). Hättest du das selbst gemacht, hättest du es für dasselbe Honorar (ich gehe mal von 20% beim Verlags-eBook aus) für 2,99 statt 8,99 Euro anbieten können (dabei wäre sogar etwas mehr bei dir hängen geblieben). Dann hätten die Verhältnisse eBook/Print garantiert anders ausgesehen…
Danke für diesen spannenden Einblick. Was mich noch interessieren würde, wäre der Vergleich zu Print-on-Demand-Verlagen, also quasi das „pBook“, bei dem man alles selber macht als Autor. (Da gibt es auch so windige Details wie: Die machen die Werbung für dein Buch, aber nur, wenn du dafür Kohle abdrückst.)
Der Knackpunkt ist eben immer, genug Kunden zu finden. Das ist ja in der Musik nicht anders. Die Internet-Utopie ist: Online stellen und dann flutscht alles. Die Internet-Wahrheit ist: Online stellen und es passiert einfach nichts.
Mit der Qualität des Inhalts hat das alles überhaupt nichts zu tun. Solange das eigene Werk nicht komplett grottig ist, gibt es auch eine passende Zielgruppe.
Leider muss ich feststellen, dass bei einigen neueren Büchern von Verlagen das Lektorat nicht soo gut gearbeitet hat. Außerdem scheinen sich Satzfehler zu häufen. Insgesamt bleibt mir zu vermuten, dass da eben Kosten gespart werden. Die Wissenschaftsverlage haben sich ja schon fast überflüssig gemacht, da müssen die normalen Buchverlage aufpassen, nicht zu sehr in diese Richtung zu gehen.
@TocTocToc: Bei einem 300-Seiten-Taschenbuch bleiben bei Print on Demand via CreateSpace bei einem Bruttopreis von 9,99 € für den Autor etwa 1,70 € übrig – das sind 18 Prozent. Nachteil: keine Präsenz im lokalen Buchhandel. Anbieter, die auch den deutschen physischen Buchhandel beliefern (BoD, ePubli, Tredition…), sind teurer, da ist dann wieder der Verlag vorteilhafter. Das mit den windigen Details ist bei den normalen PoD-Anbietern nicht so, die sind seriös – sollte man nicht mit den unseligen Druckkostenzuschuss-Verlagen (DKZV) verwechseln, die es auch noch gibt und einem alles mögliche versprechen, gegen Geld.
„Die ganze Sache war und ist trotzdem ein Einzelfall, der kaum allgemeine Einschätzungen des Marktes zulässt.“ – schade. Ich trauere ja immer noch „mindestens haltbar“ hinterher. Hast Du Dir mal überlegt, die Kurzgeschichten als regelmäßiges Journal herauszubringen? Ich würde ein Abo bestellen … ;)
… oder meintest Du „Einzelfall“ gar nicht im Sinne von Einmaligkeit?
Ich kaufe eigentlich seit einigen Jahren nur noch eBooks. Netzgemüse habe ich aber als gedrucktes Buch gekauft. Zum einen wegen dem nicht ausreichend hohen Preisunterschied (dieser hätte aber normalerweise eher dazu geführt, es überhaupt nicht zu kaufen), vor allem aber weil ich es hauptsächlich gekauft habe um es meiner Schwester zu leihen, da deren Kinder schon älter sind und Dank der Internetskepsis meiner Schwester dort ständig Konfliktpotential herrscht.
Mit eBooks geht das Verleihen ja leider immer noch nicht praktikabel, obwohl das eine schöne Rechtfertigung wäre die Preisdifferenz klein zu halten.
Vielen Dank für diese Einsichten. Sie decken sich mit meinen Beobachtungen und sind wunderbar zusammengefasst.
Schöner Erfahrungsbericht!
Es gäbe auch noch eine Alternativform, die beide Varianten vermischt.
Buch & Netz vereint einige Möglichkeiten von klassischen Verlagen und eBook-Selbstvermarktung. Sicherlich auch eine Option, die man sich im Bedarfsfall anschauen könnte
Ich stehe übrigens nicht in den Diensten von Buch & Netz ;-) Ich kenne Andreas von Gunten nur aus den sozialen Medien und einem Vortrag. Aber seine Idee ist durchaus spannend.
Danke für diese interessante Gegenüberstellung. Nur bei dem (ich weiß, marginalen) Verweis auf Murakami hätte ich eine Ergänzung: Man hört läuten, dass dessen Vorschuss so hoch war, dass DuMont (ein eher kleiner Verlag) eine riesige Werbekampagne fahren musste, um in die schwarzen Zahlen zu kommen. Ich vermute, das ist inzwischen gelungen – aber die werden viele schlaflose Nächte verbracht haben, bevor sie dann (erschöpft) lachen konnten. So was kann auch schiefgehen, wie viele andere Beispiele zeigen.
Ich glaube, im eBook-Bereich (Self-Publishing) stellt sich der Erfolg am ehesten dann ein, wenn man kontinuierlich Neues nachschiebt, sodass immer neue Leser in das Universum eintauchen können. „I live by the river“ 2 und 3 hätten also das Potenzial, auch die Verkaufszahlen für Teil 1 neu anzuschieben und dann folgt ein (digitaler) Sammelband …
Johnny, was spräche dagegen, „I live by the river“ über CreateSpace und so zumindest bei Amazon als gedrucktes Buch herauszugeben? Ja, das wäre nochmal ein wenig Arbeit und vielleicht kaufen es nicht mehr viele, aber es gibt bestimmt einige, die auch diese Geschichten gerne gedruckt lesen würden.
Sehr interessanter Erfahrungsbericht, gute Zusammenfassung, die sich bestimmt auf viele Projekte übertragen lässt. Ich wünsche trotzdem allen Autoren viel Glück – der Buchmarkt ist schließlich auch voller Erfolgsgeschichten.
@#819808: Ich würde gerne einen zweiten Teil machen … dafür muss ich aber erst einmal 15 neue Geschichten aufschreiben und MAN KOMMT JA ZU NIX! :)
@#819815: Ich schaue mir das mal an, ich fänd’s ja auch nett, das Buch noch einmal gedruckt zu haben.
Zum Update zum Update: „Bruttogewinn vor Abzug seiner Kosten“
Das bezeichnet man üblicherweise als Rohgewinn.
Beim Verlag bleiben sicherlich nicht zwei bis drei Euro Gewinn hängen. Das ist auch hier allenfalls der Rohgewinn.
Das ist doch auch mal ne kluge Strategie, seine Sachen im Netz zu verkaufen: „Die amerikanische Band Vulfpeck hatte eine schlichte aber brillante Idee um ihre Tour zu finanzieren: Sie platzierten ein Album mit 10 Tracks auf Spotify, das keine Musik enthält, sondern nur Stille. Sie nannten das Album Sleepify und baten ihre Fans darum, dieses Album in der Nacht beim Schlafen zu streamen.
Bandmitglied Jack Stratton hat nachgerechnet:
Spotify zahlt Künstler pro Play für einen Song, der mindestens 30 Sekunden lang ist, rund einen halben (US) Cent. Läuft das Album die ganze Nacht (8 Stunden lang) im Loop, bekommt die Band dafür rund 4 Dollar.
Hören nun mehrere Fans dieses Album eine ganze Woche lang, könnte soviel Geld zusammen kommen, dass es der Band möglich ist ein kostenloses Konzert auf ihrer Tour anzubieten. Zudem plant die Band in den Gegenden zu spielen, wo Sleepify am meisten gehört wurde.“
Quelle: http://blog.rebellen.info/2014/03/21/streamfounding-geld-im-schlaf-verdienen/
@#819829: „Rohgewinn“ habe ich geändert, danke!
Und die Frage nach dem Gewinn beim Verlag bleibt schwierig, denn ja, der Verlag hat natürlich auch noch Mieten und Versicherungen usw. zu zahlen, aber irgendwann wird es albern. Denn wenn ich z.B. einen Angestellten nach seinem Netto-Gehalt frage, dann zählt dort sein Lohn nach Steuer. Da er auch noch Miete, Lebensmittel, Versicherungen etc. zu zahlen hat, ist dann dennoch klar, dass sein Gehalt nicht sein reiner Gewinn ist.
Ähnlich sehe ich das in diesen Rechenbeispielen.
Vielen Dank für den Erfahrungsbericht. Leider wird der so allerdings für die wenigsten übertragbar sein. Nach meiner Erfahrung ist bei gedruckten Büchern der Weg zum (Publikums-)Verlag auf direktem Wege so gut wie unmöglich, wenn man nicht einen gewissen Bekanntheitsgrad mitbringt. Ein Selbstverlag und/oder Ebook dagegen ist zwar für jedermann möglich, doch selbst mit einer guten eigenen Infrastruktur hat man eine Reichweite, die sich bestenfalls im dreistelligen Bereich bewegt. Denn leider läuft die Aufmerksamkeitsschwelle nicht linear und ein „halb so bekannter“ Autor verkauft nicht etwa halb so viele Exemplare, sondern nur einen Bruchteil.
Insofern ist es bei Euch ein extremer Sonderfall, dass es so gut funktioniert. Dass es dann inhaltlich gute Arbeit ist, kommt dann im Nachhinein sicher noch dazu. Gemessen an Euren Erfahrungen wird eine Publikation für andere Autoren wahrscheinlich eher eine Enttäuschung werden. Solange man das Schreiben als Hobby begreift, ist das natürlich kein Problem und ist dann trotzdem eine schöne Sache.
Spanend finde ich ja hybride Varianaten, der Verlag „Buch und Netz“ (Andreas von Gunten in der Schweiz) stellt Bücher kostenlos als Blog online, generiert aus WordPress heraus da eBook UND ein POD-Format als Papierbuch.
er macht allerdings Marketing auch nur online und hat keine Buchhandelsvertreter.
@#819925: er geht noch einen Schritt weiter. Das eBook kommt als Blog in Etappen zur Veröffentlichung. Wer das Buch gleich durchlesen will und keine Lust hat auf die Fortsetzungsvariante, kann gleich die gesamte Ausgabe erwerben.
@#819772: Witzig. Erst als ich deinen Kommentar las, wurde mir klar, dass meine Meinung irgendwo dazwischen liegt.
Tatsächlich kaufe ich immer öfter Ebooks nur deshalb, weil ich ungeduldig bin, auch in den Fällen wo ich viel lieber eine gedruckte Variante eines Buch hätte. Ich schätze gedruckte Bücher nämlich immer noch sehr, obwohl ich mich an den Komfort eines Ebook-Readers gewöhnt habe.
Übrigens – und das ist der Punkt wo die Sicht eines Lesers vielleicht für Johnny interessant ist – sind es gerade Sachbücher, wo ich lieber gedruckte Exemplare kaufe. Noch besser fände ich es aber, könnte ich Print- und Ebook-Variante im Doppelpack als Vorteilspaket kaufen, so wie es bei Amazon z.B. mit Musik teilweise möglich ist. Ich würde das nicht mal kostenlos erwarten, aber einen gewissen Preisvorteil, gegenüber beides einzeln kaufen, halte ich schon für angebracht.
@#819927:
es gibt inzwischen einige Bücher, bei denen die ebooklinzenz sozusagen kostenlos enthalten ist. ich halte das auch für die Zukunft, sogar inkl. Audioversion. Ggf., gegen minimalen Aufpreis, aber eher minimalen.
@#819929: Ist mir leider noch nicht über den Weg gelaufen. Aber ich teile deine Meinung, dass das die Zukunft ist. Naja, zumindest ein fester Bestandteil in der Zukunft.
Hi Johnny,
ich hab aus Zeitmangel die anderen Kommentare nicht gelesen, möchte aber doch gerne auf einen Punkt in deinem Update eingehen und zwar diesen Satz:
»Ich vermute in unserem Beispiel, dass als Gewinn bei Goldmann nicht mehr als zwei bis drei Euro bleiben – was dann immer noch bedeutet, dass ich mir als Autor eine wesentlich höhere Beteiligung wünsche, diese kann man aber erst verlangen, wenn man gewisse Erfolge nachweisen kann, für Erstautoren ist das schwer.«
Ich habe selbst einen Verlag (siehe Web-Site) und möchte die Gelegenheit gerne wahrnehmen, ein weit verbreitetes, aber nichtsdestotrotz großes Vorurteil zu korrigieren. Natürlich haben Verlage Druckkosten, Lektorat usw. Aber das ist nur die halbe Information. Tatsächlich erhält der Buch-Großhandel (Barsortimenter) zwischen 50 und 55%. Da bleiben bei 9,34 nur noch 4,20. Allein der Druck macht vielleicht 3,00 Euro aus. Übliche 8 Autoren-%: -0,75. Da bleiben dann mal 0,45 pro Buch übrig. Sicher hat Goldmann beim Barsortimenter nur 50% und vielleicht kostet der Druck einen Hauch weniger. Trotzdem wird kaum mehr als 1 Euro herauskommen. Und DAVON dann bitte sind alle Kosten wie Lektorat, Korrektorat, Marketing und Infrastruktor des Verlags zu bezahlen.
Nur mal so zur Info, auch wenn Goldmann für einen Kleinverlag nicht unbedingt der große Freund ist.
Herzliche Grüße
Martin
@#820965: Danke dir für die Ergänzungen!
Michael Meisheit hat auch ein eBook veröffentlicht und veröffentlicht dazu jeden Tag die aktuellen Verkaufszahlen. Bin mal gespannt wie es sich bei ihm entwickelt.
http://michaelmeisheit.de/2014/05/15/2000/
PS: Ich kenne das Buch nicht.
Das ist ein sehr interessanter Ansatz, dass man alles selbst in die Hand nimmt und eben nicht den „gewöhnlichen“ Weg läuft. Allerdings muss man sich das ganze Wissen erstmal ranschaffen und auch zusätzlich mehr verwalten. Ob sich das dann am Ende durch den Verkauf auszahlt…
Und wieso kein Marketing? Damit wären die Verkaufszahlen für dein E-Book doch sicherlich noch ein wenig optimierbarer ;)?