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Lähmung

Die Ereignisse der letzten Tage und Wochen lähmen mich. Mein Katastrophenaufnahmevolumen ist ebenso überschritten wie meine Verständniskapazität für aktuelle politische Handlungen. Ich kapituliere vor den Tatsachen, dass unbeeinflussbare Ereignisse dramatischer Teil unseres Daseins sind und außerdem mein politisches Wissen ganz offensichtlich nicht ausreicht, um bestimmte Ereignisse noch halbwegs sachlich einschätzen oder gar bewerten zu können.

Eine Naturkatastrophe plus grausamer Folgen legt ein ganzes Land lahm und bringt Tausende in Not. Unsere Hilflosigkeit treibt uns hierzulande an die Liveticker, die sich dem technischen Teil der Katastrophe zuwenden, denn hier können wir mitreden, hier kann das Wettentrüsten seinen Lauf nehmen und als Nebeneffekt können wir uns wieder auf uns selbst konzentrieren.

Für den Moment ist mir in Wahrheit aber ziemlich egal, ob die AKW in Deutschland gegen die dümmsten anzunehmenden Betreiber gerüstet sind oder ob es in Berlin-Wannsee einen Tsunami geben könnte. Ego can wait. Denn es geht nicht uns schlecht, sondern Anderen, weshalb ich mich nicht über die gerade stattfindende Anti-AK-WM freuen kann. Stolz ist die „Atomkraft, nein danke!“-Fahne am taz-Gebäude gehisst, die Schaufenster-Auslagen des zur Zeitung gehörenden Cafés sind randvoll mit gelb-roten Aufklebern und Buttons, die es vermutlich zum Selbstkostenpreis inklusive Soli-Beitrag gibt. Kreuzberger Stromkästen sind beklebt mit Mahnplakaten und schick gestalteten Demo-Aufrufen, die Kernkraftgegner machen bunten Druck, fast spürt man Volksfeststimmung.

„Fukushima ist überall“ steht an einer Mauer und ich denke: Bullshit, Fukushima ist in Japan.

Die gefühlte Jubelstimmung im Lager der Kernkraftgegner, dem ich angehöre, ich kann sie noch nicht teilen. Dabei fühlt es sich schlecht an, so zu empfinden, denn natürlich verstehe ich die Motivation der Anti-AKW-Bewegung: Jetzt ist es Zeit, erneut Farbe zu bekennen, denn diese Tage, in denen selbst hartgesottenen AKW-Befürwortern keine PR-Strategie mehr einfällt und das jämmerliche Gestammel der Bundesregierung jedem klar macht, wie dreist Wählerinnen und Wähler betrogen werden, könnten das endgültige Aus für die Kernenergie bedeuten, hoffentlich nicht nur in Deutschland. Ich sollte mich darüber freuen und ebenfalls ein Fähnchen aus dem Fenster hängen, aber ich kann nicht. Obwohl ich andererseits auch nichts Sinnvolles dazu beitragen kann, um den Menschen in Japan zu helfen, fühlt sich alles andere merkwürdig opportunistisch an und so bleibt mir vorerst nur die Hoffnung darauf, dass noch schlimmere Katastrophen in Japan verhindert werden können.

Leider ist Hoffen eine so verdammt unsichtbare Beschäftigung, was natürlich auch der Grund ist, warum so viele Menschen gerade auf die Straße gehen. Ausgleich zur Hilflosigkeit und Passivität ist nötig, ich weiß, aber mich lähmen die Ereignisse der letzten Tage und Wochen eher.

Erst recht, wenn ich meinen Blick in Richtung Mittelmeer lenke.

Jahrelang wird ein offensichtlich komplett Durchgeknallter, ein Mann, der nicht erst seit letzter Woche kriegerisch handelt und Zivilisten angreift, mit deutschen Waffen und Munition beliefert, was allein schon so skandalös ist, dass jeder, der damit auch nur ansatzweise zu tun hat, seinen sofortigen Rücktritt anzeigen und sich freiwillig für Libyen-Hilfseinsätze melden müsste. Anstatt aber nun, wo das Fehlen des Vertragspunktes „Hiermit versichere ich, die deutschen Waffen immer nur so einzusetzen, dass es keiner mitbekommt“ festgestellt wird, wenigstens tiefste Reue zu zeigen, wundert man sich anscheinend darüber, dass man vor einem weiteren Krieg steht. Ich weiß wirklich nicht, welcher Lösungsansatz in solchen Fällen der richtige ist, ich habe aber weder den Eindruck, dass den aktuellen Handlungen irgendein weitsichtiger Plan zugrunde liegt, noch dass sie in wenigen Tagen erledigt sein werden.

Ich weiß nicht, wer in Libyen von wem unterstützt wird, wer dort gegen wen und wofür kämpft, welche Ziele die einzelnen Parteien verfolgen. Ich kann ebenso wenig einschätzen, was nach der Durchsetzung der Flugverbotszone passiert, wenn Gadaffis Gegner im Land weiter voran kommen und von Bodentruppen attackiert werden oder selbige angreifen. Andere können offenbar besser vorausschauen als ich, schließlich äußern sich viele Menschen für militärische Einsätze in Libyen, die selbige im Irak oder in Afghanistan seit langer Zeit vehement kritisieren. Wie schon gesagt: Mein politisches Verständnis reicht nicht mehr aus. Ich verstehe nicht, warum dieser Krieg moralisch korrekter sein soll als andere. Die Argumentation war und ist in Irak und Afghanistan schließlich die gleiche: Es gehe darum, die Zivilbevölkerung zu schützen.

Ziemliches Befindlichkeitsbloggen, lautes Denken, ich weiß. Auch sehr ego-zentriert. Wer mich ein bisschen kennt, weiß, dass ich solche Lähmungszustände hasse und dass sie nie lange anhalten, aber im Moment geht es mir, wie beschrieben.

Trotz dieser Lähmung bleiben jedoch viele Hoffnungen. Darauf, dass es der japanischen Bevölkerung so gut wie möglich ergehen wird. Darauf, dass die Unruhen im afrikanischen Raum, die sich sicher noch auf andere Staaten ausweiten werden, tatsächliche und möglichst unblutige Demokratisierungsprozesse in Gang setzen werden. Darauf, dass endlich ein neues Zeitalter der Energiegewinnung beginnen kann. Und darauf, dass wir nicht so schnell vergessen, wer uns immer wieder anlügt.

Nicht zuletzt bleibt der Wille, auf keinen Fall dem Zynismus zu verfallen. Denn der wäre schlimmer als eine vorübergehende Lähmung.

68 Kommentare

  1. 01
    Ruzzl

    Es wäre schön, wenn HIER ein deutsch sprechender Lybier die Situation jetzt und insbesondere vor den Ereignissen in Lybien aus seiner Sicht schildern könnte. Ich habe im sog. RU-Net (internet portale & foren für russisch sprechende) viel gelesen, dass Lybiens Politik bis heute eine sehr bewundernswerte war und Gaddaffi tatsächlich sich sehr gut um sein volk gekümmert hat. Ob das stimmt oder nicht muss uns ein oder andere Insider mal verklickern.
    Wer der russischen Sprache mächtig ist, kann die o.g. Infos hier nachlesen:
    http://9e-maya.ru/forum/index.php?topic=165.75
    http://m-kalashnikov.livejournal.com/798177.html
    http://badnews.org.ru/news/pro_vojnu_v_livii/2011-03-25-7361

  2. 02
    Jan(TM)

    Bei Libyen geht es mir auch so. Anti-AKW seh ich anders, man muss gerade jetzt handeln, nicht warten bis Pro Atom wieder stark ist und Argumente wie „Dann wird der Strom aber 1 Cent teurer“ wieder ziehen.

  3. 03

    Wie soll man auch auf so viele Katastrophen, so viel Leid und so viel Elend noch reagieren? Der eine flüchtet sich in Aktivismus, der andere resigniert weil er das Gefühl hat es bestehe keine Hoffnung mehr…
    Du sprichst hier vielen aus den Herzen! Mir auch!
    Ich kann einfach vor lauter Chaos nicht mehr richtig klar denken oder mich auf irgendetwas konzentrieren.
    Ab und an versuche ich mich an ein wenig Aktivismus, aber der hilft irgendwie auch nicht so richtig…
    Ich hoffe es gibt bald mal wieder irgendwo auf der Welt ein paar gute Nachrichten.

  4. 04

    Hmm, das deckt sich ziemlich genau mit meinem Gefühl. Ich find’s einfach nur zu krass und komme eigentlich gar nicht drauf klar. Vor allem nicht auf den drohenden Super-GAU. So etwas darf einfach nicht passieren. Und wenn ich Merkel heißen würde und Physikerin wäre, dann wüsste ich doch wirklich genauestens (NEIN, noch viel genauer) über derartige Folgeerscheinungen von AKWs bescheid und müsste (rein aus Menschlichkeit und Nicht-Lobbyisten-Denken heraus, mit klugen Menschenverstand beurteilt) auf den Schluss kommen, das AKWs einfach mal gar nicht gehen. Unfassbar – wie sehr kann man eigentlich an sich selbst denken.

    Auch wenn du hier in diesem Artikel ego-zentriert rüber kommen magst – viele andere scheinen noch VIEL VIEL ego-zentrierter zu sein (mein Eindruck).

  5. 05

    Gerade der letzte Teil ist super. Du meinst bestimmt den arabischen Raum, nicht den Afrikanischen.

  6. 06

    These: Je unvermeidlicher sich die Katastrophe über den Köpfen der Menschen abzeichnet, desto größer wird ihr Verlangen nach Shopping, Fifa und Musikantenstadl. Das sind typische Symptome der Lähmung und Ohnmacht, die die Menschen angesichts solcher Ereignisse befällt. Die „Volksfeststimmung“ schlägt für mich in die gleiche Kerbe. Sie ist eine typische Abwehrreaktion, die bösen Geister mit Trillerpfeifen und grellen Kostümen zu vertreiben. Dass die Menschen „nicht vergessen“ ist zweifelhaft, da der gesamte Volksfestcharakter auf das „Sich-Vergessen“ ausgerichtet ist. Fragt man, welche Lösung es sonst noch gibt, so schließe ich mich an: denn ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass es so, wie es jetzt läuft, nicht richtig ist.

  7. 07
    klartext

    du pussy!

  8. 08

    Danke! Irgendwie war das Ganze für mich nicht greifbar und ich hätte die mannigfaltigen Paradoxien nicht auf den Punkt bringen können, aber Du hast das Dilemma wirklich treffend beschrieben.
    Aber ich muss zugeben, dass ich – trotz widersprüchlicher Gefühlslage – die derzeitige Diskussion um Atomkraft gut finde. Aber das Desaster, die Katastrophe haben nicht wir, sondern die japanische Bevölkerung, und das geht für mein Empfinden in den letzten Tagen vermehrt unter. Die nächste Headline ist eben wichtiger.

  9. 09
  10. 10

    Den weltweit 443 Kernkraftwerken stehen 23.000 Atomsprengköpfe gegenüber. Seltsam, allein die friedliche Nutzung der Kernkraft bringt uns auf die Barrikaden. Vielleicht braucht alles einen Anlass. War da nicht was in Hiroshima? Lange her. Tschernoby? Lange her. In sechs Jahren ist Fukushima, das Erdbeben, der Tsunami auch schon wieder solange her wie der Tsunami 2004. Man vergisst so schnell.

  11. 11

    einerseits teile ich das Unbehagen an der Anti-AKW-Konjunktur. Für die Menschen in Japan ist aus der theoretischen Bedrohung eine sehr konkrete Schädigung geworden.

    anderseits ist jetzt schon zu beobachten wie eine wenig zimperliche Lobby schon wieder Anlauf nimmt um die Öffentlichkeit wieder einzulullen.

    soll man da ruhig abwarten bis Japan aufgeräumt hat?

    ist „Mitgefühl und Betroffenheit“ eine akzeptable Entschuldigung wenn diese Krise ungenutzt bleibt?

    man stelle sich nur vor;
    irgendwann in den nächsten 25 Jahren kommt mal wieder ein kleiner atomarer Vorfall der Landstriche für Menschen auf Jahrhunderte unbewohnbar macht.

    und dann die Frage: wieso hat Japan nicht geholfen, wie viele Lektionen braucht es noch?

  12. 12
    Max Grün

    Differenzieren tut Not.

    Ich kann Ihre Bedenken hinsichtlich des geschmacklosen Auftrumpfen der Anti-AKW nachvollziehen und empfinde es ebenso pietätlos und unangebracht , noch ratloser macht einen aber gerade das kopflose und scheinbar opportunistische Verhalten der Regierung.
    Man kann jetzt hier lang und breit über anstehende Wahlen und diverse Abhängigkeiten schwafeln, aber schlussendlich gilt doch der Satz:
    „If you can’t stand the heat, get out of the kitchen.“

    Das gleiche gilt auch für militärisches Handeln, allerdings unterscheidet Fukushima und Bengasie einiges.
    Wo der Aktionismus hinsichtlich der Atomkraft kopflos und überhastet daherkam, fehlte es bei Libyen an jedweder Strategie.
    Es ist schon eine Unverfrorenheit sondergleichen, wenn der Außenminister erst in vorderster Front sich verbal gegen Gaddafi positioniert, mit Verve den Sicherheitsrat bemüht und die Diktatorendämmerung fordert, um im Moment, wo es zum Schwur kommt, den Schwanz einzuziehen.
    Und natürlich kann, ja muss man geradezu eine Unterscheidung zwischen den Interventionen in Afghanistan, Irak und nun Libyen machen, außer man zieht sich auf einen radikal-pazifistischen Standpunkt zurück und lehnt militärisches Handeln außerhalb der konkreten Landesverteidigung ab, ein Standpunkt, den nicht mal die LINKE sich gänzlich zu eigen macht.

    Afghanistan war und ist ein großer strategischer Fehler, weil man den 11.September zum Kriegsverbrechen erklärt hat, wo doch eigentlich ein Kapitalverbrechen vorlag.
    Der afhganische Bürgerkrieg hat seit Abzug der Sowjets niemanden wirklich interessiert und nur die Weigerung der Taliban, AlQuaida und BinLaden auszuliefern, hat den Krieg erst forciert. Im Grunde ging es zuerst um die kriegerische Strafverfolgung, die allerdings ein humanitäres Feigenblatt (die Frauen) insbesondere in Deutschland benötigte, um zumindest eine vorübergehende Legitimation dieses Einsatzes zu schaffen und die so vermutlich als größter Selbstbetrug in der deutschen Militärgeschichte eingehen wird.
    Auf strategische Gesichtspunkte hinsichtlich Zenttal-Asiens gehe ich nicht weiter ein, würde das doch den Rahmen sprengen.

    Zu Irak II muss man nicht viel sagen, dieser ödipale Vater-Sohn-Konflikt einer mächtigen Ost-Küsten-Dynastie, ausgetragen im Zweistromland, ist etwas, was man vielleicht noch in absolutistischen Zeiten erwartet hätte. Dieser Rachefeldzug für „Daddy“ ist von so unfassbarer Dummheit und strategischem Versagen geprägt, dass sich- bei entsprechendem zeitlichen Abstand- amerikanische Historiker ihn wohl zum falschesten Krieg aller Zeiten küren werden.
    Das Frau Merkel damals zu Bush stand, war wohl nicht nur politische Taktik, sondern schon ein früher Ausdruck ihrer strategischen Blindheit.

    In Libyen aber geht es weder um persönliche Eitelkeiten (außer bei Sarkozy), noch um Strafverfolgung – Lockerbie und LaBelle sind längst vergessen- sondern um den Fortbestand des arabischen Frühlings und die Verhinderung eines Massakers, welches in seinen Ausmaßen Srebenica zu Ehren gereicht hätte. Wir würden heute vermutlich anders diskutieren, hätten die Franzosen am Samstag den Sturm auf Bengasie nicht unterbunden- wohlgemerkt unter Billigung der Vereinten Nationen und mit dem (heimlichen) Segen sogar Russlands und Chinas.

    Doch wer glaubt, es gehe im Krieg um den Schutz der Zivilbevölkerung , der ist naiv.
    Natürlich sind es immer strategische Interessen, die uns dazu verleiten, gestern Gaddafi zu meiden, heute zu hofieren und morgen zu verteufeln.
    In diesem Fall ging es um das Exempel, welches statuiert wird.
    Das brutalst mögliche Vorgehen des Herrschers gegen die Opposition wäre im Falle des Erfolges und des Raushaltens der UN zur Blaupause für die Niederschlagung weiterer Aufstände geworden und es ist leider wahrscheinlich, dass in Bahrrein, Jemen, Syrien auch trotz der jetzigen Intervention das Morden weitergeht, denn die Herrscher sehen ja, wie schwer wir uns mit Libyen tun.
    Umso dringlicher wäre eine geschlossene Front jener gewesen, die vermeintlich für Demokratie eintreten und insbesondere die diplomatische Einbindung der Türkei und Kathars und der VAE- der moderaten islamischen Staaten- wären unabdingbar.

    Ich rede nicht dem Krieg das Wort, aber um diesen zu vermeiden, muss man sich anstrengen. Krisendiplomatie, strategische Koordination und vorausschauende Planung sind in diesem Fall die Mittel der Politik, wenn sie sie denn zu nutzen weiß. Wo waren denn die Treffen mit den Franzosen, Amerikanern, Türken, Arabern, vielleicht auch die Intervention bei Gaddafi himself.

    Ich erinnere mich noch gut, wie Joschka Fischer Stunden und Tage damals in Paris auf Milosevic eingeredet hat und seine Falten dabei immer tiefer wurden.
    Herrn Westerwelle habe ich einmal gönnerhaft Schreibfedern seines Freundes Farber-Castell in Tunis verteilen und einmal Hände schüttelnd auf dem Tahrir gesehen.

    Wenn aber eine Regierung trotz aller weltbewegender Ereignisse nicht weiter als über die Baden-Württembergische Landesgrenze hinaus zu denken in der Lage ist, dann zerstört sie Europa, die NATO und das Ansehen des eigenen Landes in der Welt und verrät Menschen, die für die Freiheit eintreten, die wir ihnen jahrelang verwehrt haben, indem die Falschen protegiert wurden.

    Das führt mich wieder zu dem Eingangs-Statement.

    Get out of the kitchen!!!!!!

  13. 13
    MVR

    Ich erlaube mir,Ihren Text mit einem Text zu einem biblischen Grundthema,den nicht ich formuliert,wohl aber gefunden habe, zu verknüpfen.
    Ich bitte sehr darum,daß wir alle behütet sind und bleiben(bes. Japan,aber auch Lybien,Syrien etc)

    Dann wurde Er gekreuzigt!
    Gekreuzigt!

    Kein Tod ist so vollendet. Keine Schande ist so vollständig.

    Zuerst kam die Geißelung.

    Der Geißelungspfosten war 60 cm hoch. Ein eiserner Ring am oberen Ende konnte von zwei Seiten benutzt werden.

    Dem Gefangenen wurden die Kleider vom Leib gerissen, so daß er nackt dastand. Die römischen Liktoren waren Profis. Sie beschränkten ihre Arbeit auf eine feine, brutale Art des Geißelns, und sie konnten ein Opfer schlagen, bis nur ein kleiner Lebensfunke übrigblieb.

    Die Handgelenke wurden fest an den eisernen Ring gefesselt. Dann wurde das Opfer in eine gestreckte Lage gebracht, das Gesicht zum Erdboden gerichtet; die Füße zeigten vom Pfosten weg.

    Die römische Geißel war berüchtigt. Es war eine kurze Peitsche mit mehreren dünnen Eisenketten, an deren Enden kleine Gewichte waren.

    Geißeln wurde „der kleine Tod“ genannt. Er ging dem großen Tod, der Kreuzigung, voraus.

    Schon die Anspannung während des Wartens auf den ersten Hieb ist grausam. Der ganze Körper ist starr. Die Muskeln ziehen sich in qualvollen Krämpfen zusammen. Die Farbe weicht aus den Wangen. Die Lippen sind eng gegen die Zähne gepreßt.

    Mit dem Niedersausen der Peitsche fahren die Ketten über den ganzen Rücken, jedes Glied reißt die Haut auf und dringt tief in das Fleisch ein. Die Gewichte dringen mit zerschmetternder Gewalt zwischen den Rippen in den Körper ein, und die Ketten werden dabei fest um den Körper gepreßt.

    Beim Geißeln liegt der Schmerz jenseits der Schmerzgrenze. Schweiß tropft von der Stirn und sticht in den Augen. Bei jedem Schlag der Geißel zuckt der Körper des Opfers wie der eines geköpften Huhns. Der zweite Schlag zeichnet auf den Rücken und den halben Brustkorb das Muster eines V-förmigen Netzes kleiner Schnitte. Nur der Sohn Gottes konnte diese unsagbare Qual klaglos ertragen.

    Jeder Hieb reißt ein Stück Leben weg. Da ist nur noch der brennende, alles verdunkelnde Schmerz, wenn die Peitschenhiebe immer wieder durch die Luft pfeifen und auf die Schulter treffen. Die römische Peitsche zieht einem die Haut bei lebendigem Leibe ab.

    Das Gesetz der Hebräer begrenzte die Anzahl der Peitschenhiebe auf 39. Bei den Römern gab es dies nicht. Für den Liktor, der den Mann vor der Kreuzigung geißelte, galt nur eines: Der Mann durfte nicht sterben. Ein Funke Leben mußte noch erhalten bleiben für den Todeskampf am Kreuz.

    Da gab es Männer, die sich die Zunge zerbissen unter diesen Schlägen.

    Nur Bewußtlosigkeit konnte Erleichterung bringen.

    Der schlaffe Körper des Opfers wurde vom Pfosten abgeschnitten. Die Wunden wurden gewaschen, aber nicht medizinisch versorgt. Dann kam der Gang zur Hinrichtungsstätte.

    Die Politiker Roms liebten es, an einem verurteilten Menschen ein Exempel zu statuieren. Der lange, langsam zurückzulegende Weg durch belebte Straßen sollte anderen eine Warnung sein. Denn Rom handelte immer schnell und gnadenlos.

    Für gewöhnlich diente ein Centurion als Scharfrichter oder Henker.

    Während vier Soldaten den Gefangenen festhielten, setzte er den spitzen, 12 cm langen Eisennagel in die Mitte der Handfläche. Ein geschickter erprobter Schlag heftete sie an das Holz. Vier oder fünf weitere Schläge trieben den Nagel tief in den rohen Balken, und mit einem letzten Schlag wurde der Nagel nach oben gebogen, daß die Hand nicht ausreißen konnte.

    Unter dem Becken wurde ein kleiner Vorsprung gemacht, der dem Horn eines Rhinozerosses ähnelte und als „Sedile“ bekannt war. Dieser Vorsprung sollte die Hände entlasten. Dann wurde ein Nagel durch jeden Fuß getrieben.

    Es war ein Tod für Sklaven, Diebe und Verräter.

    Die Wunden in den Händen schickten Schmerzen wie Feuer durch die Arme.

    Ohnmacht brachte zeitweise Erleichterung.

    Dunkelheit wechselte mit Schmerz und Schmerz mit Dunkelheit.

    Der Schmerz im Rücken, den Armen, Händen, Füßen und Becken ist dumpf, pochend, fürchterlich und endlos. Der Schmerz wächst, er multipliziert und summiert sich. Es gibt keinen Moment der Erholung.

    Das Kreuz wird so aufgestellt, daß die Sonne prall auf die Augen des Gefangenen scheint.

    Unten warten die Neugierigen, fasziniert durch die Tortur. Das makabre Ereignis wird langsam zum Ende gebracht. Sterben sollte eine private Angelegenheit sein, kein öffentliches Schauspiel. Es ist etwas Obszönes daran, wenn der Pöbel dich umringt und nur darauf wartet, daß du stirbst.

    Dann fängt der Durst an.

    Die Lippen sind trocken. Der Mund ist ausgedörrt. Das Blut ist heiß. Die Haut fiebert. In diesem Augenblick ist nichts nötiger als ein Tropfen kaltes Wasser.

    Wasser wird verweigert.

    Das Todeskommando trinkt unter den Augen des Sterbenden, allein um seine seelische Qual zu erhöhen. Die Sonne sticht direkt in das Gesicht des Gekreuzigten. Sogar durch die geschlossenen Lider dringt ein greller Schein. Die Zunge wird dick, der Speichel fühlt sich an wie krause Wolle. Hände und Füße beginnen anzuschwellen. Das Sedile drückt auf die Geschlechtsteile. Es ist unmöglich, sich zu drehen und die Stellung zu ändern. Muskelzucken setzt ein.

    Aber das Grauen beginnt erst.

    Bis hierher war es ein Kinderspiel.

    Ein Muskel nach dem anderen zieht sich fest zusammen und verkrampft. Es gibt keinen Ausweg, keine Lockerung, keine sanfte Hand für eine Massage. Die Krämpfe ziehen über die Schultern und die Brust. Sie erreichen den Unterleib.

    Nach zwei Stunden am Kreuz sind die Muskeln nur noch harte Knoten und die Schmerzen unerträglich. Menschen schrien sich in den Wahnsinn.

    Die Schmerzen und Symptome sind die gleichen wie bei Wundstarrkrampf (Zustand der Muskeln bei fortdauernder Kontraktion).

    Der Mensch mit all seiner Intelligenz konnte keinen grausameren und qualvolleren Tod ersinnen als den bei Wundstarrkrampf – die langsame, andauernde Kontraktion jedes Muskels. Der Tod am Kreuz dehnt den Todeskampf so lange wie nur möglich aus.

    Jede Stunde wird zur Ewigkeit.

    Von Zeit zu Zeit lassen Krämpfe den Nacken steif werden und den Kopf eng an den senkrechten Stamm anlehnen. Man sehnt sich nach dem Tod. Er ist das einzig erstrebenswerte Ziel.

    Da sind Fliegen und Insekten und das Kläffen der Hunde, die Blut riechen. Raubvögel, die Straßenkehrer des Himmels, ziehen ihre Kreise immer tiefer.

    Das Gebet von Mitfühlenden wirkt wie Spott; aber du kannst nur beten oder fluchen.

    Im Laufe der Stunden werden die dünnen Adern, die zu den Nerven führen, flachgedrückt, und die fehlende Blutzirkulation verursacht eine lähmende Erstarrung.

    Ein neuer Schmerz überfällt den, der am Kreuz hängt. Die schmerzenden Schleimhäute.

    Am Kreuz hat das Leiden kein Ende. Nur die Art und die Schwere des Leidens wechselt.

    Nach Stunden neigten die Soldaten dazu, den Tod rascher herbeizuführen. Sie fingen an, die Knochen zu brechen. Von einer Leiter aus schlug ein Legionär mit einem Knüppel in kurzem Schwung auf die rechte Hüfte und zersplitterte den Oberschenkel. Ein zweiter, scharfer Schlag, und der linke Oberschenkel war zersplittert.

    Das brachte neue Schmerzen.

    Die Schleimhaut – dieses dünne, feuchte Gewebe, das den größten Teil des menschlichen Körpers bedeckt und feuchthält – trocknet am Kreuz aus und wird so fest wie feiner Kies und zerkratzt das empfindliche Gewebe am After. Die trockene Schleimhaut zerrt an der gequälten Kehle. Sie liegt wie Steine in allen Körperhöhlen. Schichten von Gewebe werden bei jeder Bewegung des Augapfels, bei jedem Blinzeln abgerissen.

    Gibt es noch mehr Leiden auf dieser Seite der Hölle?

    Die meisten verfluchten Männer starben nackt.

    CHRISTUS WURDE GEKREUZIGT. Er starb den brutalsten Tod, den sich Menschen ausdenken können.

    Er starb für mich.

    Meine Sünden brachten Ihn dahin.

    Jesus Christus starb den vollständigsten Tod, den man sich vorstellen kann. Bei dieser Todesart sollten Zehen, Muskeln, Gefühle, Knochen, Fleisch, Verstand, Geist, Blut und Herzschlag langsam aufhören zu arbeiten. Deshalb ist der Triumph der Auferstehung der vollkommenste Triumph, den es je gab.

    Er stand von den Toten auf,
    mit einem mächtigen Triumph über Seine Feinde;
    Er stand als Sieger über die Finsternis auf,
    und Er lebt ewiglich mit Seinen Heiligen, um zu herrschen.
    Er stand auf, Er stand auf!
    Halleluja! Christus stand auf!

    Es bedarf keiner Opfer mehr für meine Sünden.

    Jesus nahm sie ALLE auf sich.

    1. KORINTHER 1:17-24

    von C. M. Ward (Sydney)
    aus unbekannter Quelle

  14. 14
    Felix Moniac

    Ich teile Deine Gedanken in vielen Punkten. Was Du schreibst, gerade in Bezug auf Aghanistan und Irak, habe ich in den letzten Tagen auch oft gedacht: wieso bin ich plötzlich pro Militäreinsatz gegen Gadaffi, war und bin ich doch immer nur gegen Krieg gewesen. Ich kann es mir nicht beantworten, warum ich heute so schizophren denke.

    Aber: nicht alle Menschen (die wenigsten), das behaupte ich, die jetzt wieder verstärkt gegen AKWs sind, sind hämisch. Die taz zählt überhaupt nicht. Die Grünen zählen auch nicht. Parteien und kollektive Meinungen sind völlig egal.

    Wer heute pro Atomkraft ist, ist nur eins: ein verantwortungsloses Arschloch. Das zählt.

    Und bei der ganzen Hilflosigkeit und bei dem ganz großen Wunsch, dass Fukushima nicht instrumentalisiert wird, hoffe ich doch, dass die deutschlandweite Großdemo morgen auch wirklich groß wird. Dass wir, die wir gegen CDU und FDP sind, zeigen können, dass wir diese Leute in der Regierung nicht haben wollen.

    Es ist völlig egal, ob Fukushima überall ist oder nicht. Diese Aussage soll ja nur bedeuten, dass Atomkraft uns alle angeht – soviel ist klar.

    Aber nur um das nochmal klar und deutlich zu sagen:

    Die Halbwertszeit von Plutonium beträgt runde 20.000 Jahre. Zwanzigtausendjahre!!!!!!!!!

    Das kann sich niemand von uns überhaupt vorstellen, was das bedeutet. Sokrates hat vor 2500 Jahren gelebt. Wäre Fukushima damals gewesen, es würde heute noch genauso strahlen wie jetzt gerade.

    Es fällt mir wahnsinnig schwer, ruhig zu bleiben und ich weiß so selten, was richtig oder falsch ist. Aber ich bin überzeugt davon, dass Atomkraft weg muss. Für immer.

    Ich glaube, dass es ausnahmsweise mal egal ist, ob man die taz mag oder die Grünen, ob die Linken polemisch sind oder sich manche Atomkraftgegner ins Fäustchen lachen, weil sie es ja schon immer wussten. Atomkraft muss weg.

    Geht morgen zur Demo.

  15. 15

    Ich habe einen Freund in Japan, der schreibt mir heut:

    „politicains are just talking even in germany?
    revolutin must be done like egypt.
    fukushima nuclear plant is still in a dengerous condition.
    water in tokyo is now polluted.
    some vegetables are not allowed to eat.
    everything in japan is quiet,
    like time is stopped since 3.11.“

    „ego can wait“, nein, man kann es auch genau andersrum sehen. Wir sollen hier einen entscheidenden Schritt weiter kommen als Vorlage für die Atomkraft Diskussion, die in Japan erst noch einsetzen wird. Das ist jedenfalls die Botschaft, die ich aus Japan bekomme.

  16. 16
    MVR

    Kleine Ergänzung:
    Diesen Text stellte ich als Kommentar ein,weil die Situation auf unserer Erde dem Kern der Ostergeschichte entspricht und es auf mich so wirkt,als würde sich Ostern wiederholen
    wollen .Möge dann auch beim 2. Mal die Auferstehung folgen aus allem Leid uns allen zum Trost!

  17. 17
    Ste

    Lasst mehr Leute für Spreeblick schreiben die angesichts der Krisen, Katastrophen und Skandale was sagen möchten und können.

  18. 18
    KOPNR

    Es ist sowieso Wurst wo man politisch steht. Man kann nichts verändern. Alle Jubeljahre sin Kreuzchen machen udn festlegen wer Lobby-Gelder in seine Taschen stopfen darf. Man kann auch selbst in eine Partei eintreten. Ja. Und dann den Omas unterm Sonnenschirm Flyer geben. Wer wirklich weiter vorstoßen will in der Politik muss ein genauso geschickter Drecksack sein wie die etablierten Spitzenpolitiker, oder er bleibt eben der Oma-Fyler-Verteiler.

    Aber gut, belügt euch weiterhin selbst mit dieser affigen Illusion von Mitbestimmung in der Demokratie.

    Das geilste an dieser Form der Unterdrückung ist dass niemand wirklich wahrnimmt dass er nichts zu melden hat. Das hat man aus anderen Systemen gelernt. Nur ein Volk das glaubt dass es fremdbestimmt ist begehrt auf. Unseres natürlich nicht. Sieht doch alles hünsch aus. Der ganze Scheißdreck…

  19. 19
    nejnad

    @17: Du sprichst mir aus der Seele!

  20. 20
    Spam

    Sehr anständig! Sehr anständiges denken, sei es auch nu um dem inneren frieden zu genügen! Doch auch solch ein egoisms, muss derweilen ab und an gestattet sei.

  21. 21
    flubutjan

    Eine Info aus dem Radio (kennen daher vielleicht manche): Im Jahr 2009 hat Deutschland für 300 Millionen Euro Waffensysteme an Libyen verkauft.

    Derartiges macht, glaube ich, den einen oder anderen, der nicht immer hilflos wütend sein möchte, irgendwann dann eben doch etwas zynisch.

    Warum wird eigentlich nicht die innere Verfasstheit von Waffenhändlern mindestens einmal pro Woche in der Öffentlichkeit breitgetreten? Tag der offenen Bestie sozusagen.

  22. 22
    Ste

    was ist denn hier bitte los?!

  23. 23
    Dr. Martin

    Ich würde bei solchen Lähmungserscheinungen die Lektüre von Voltaires Candide verschreiben, dazu ein bis zwei Wochen Haus- und Gartenarbeit bei weitgehender bis vollständiger Medienabstinenz. Dann sollte sich die geistige Beweglichkeit recht rasch wieder einstellen.

  24. 24
    Cunctavi

    Bitte entschuldigt wenn ich zynisch klinge – eigentlich will genau das Gegenteil.
    Im Jahr sterben etwa 8 Millionen Menschen an Hunger, das sind mehr als 20.000 am Tag. Das mit den Toten in Japan zu verrechnen wäre menschenverachten und falsch, aber ich glaube in einer Zeit in der in wenigen Minuten ein Shitstorm ausgelöst und in einem Blogartikel politische Positionen kritisiert werden wäre etwas Lähmung oder positiver Innehalten auch ohne Katastrophen im Liveticker ganz hilfreich.

  25. 25

    Dieser Artikel spricht mir voll und ganz aus der Seele. Angesichts dessen, was momentan alles medial über uns hereinbricht macht sich leider vor allem ein Gefühl in mir breit: Hilflosigkeit.

  26. 26
    japankritiker

    Leider muß ich es sagen: Das japanische Unglück ist selbst verschuldet. Im Kern deshalb, weil Japan nie ein 68 hatte und die Mentalität dort genauso faschistisch ist wie im Weltkrieg. Das äußert sich eben in Kritiklosigkeit gegenüber der Obrigkeit, also Kritkilosigkeit gegenüber Atomkraft. Und blinde Gläubigkeit gegenüber den Lügen des dortigen Atomkonzerns. Wir sind hier nicht so sehr viel besser, aber eben etwas besser. Was wir in den nächsten Wahlen zeigen können.

  27. 27
    xconroy

    Ich finde das Auftreten der Anti-Atom-Bewegung weder „hämisch“ noch „geschmacklos“, sondern richtig. Man kann jetzt sicher sagen, die springen nur auf den fahrenden Zug auf, vorher waren sie (wir) doch ruhig… aber ist es falsch, aus einem negativen Ereignis Momentum zu ziehen, um genau solche negativen Ereignisse zukünftig zu verhindern? Ich denke nicht.

    Und um dem Bogen zwischen den Ereignissen „Libyen“ und „Fukushima“, der im Moment dank der zufälligen Zeitgleichheit nur in den Köpfen der Beobachter existiert, Substanz zu geben: ich wünsche mir sogar noch mehr eigennützige, penetrante Reklame jetzt. Und zwar sogar kommerzielle, nicht nur ideelle wie von der Anti-Atom-Bewegung. Nämlich von den Lobbyisten (ja, Lobbyismus ist nicht per se schlecht) derjenigen, die von der Erforschung, dem Betrieb und der Investition in Erneuerbare Energien profitieren.
    Die hätten jetzt nämlich die einmalige Chance, richtig aufzutrumpfen: Weg vom Atom (um von einer nachweislich unsicheren Technik Abstand zu gewinnen), weg vom Öl (um sich nicht von den Gaddafis dieser Welt an der Nase rumführen zu lassen), her mit der Zukunft!

    Und das kann und soll gerne, ich wiederhole es, penetrant und laut sein. Die Kritikaster werden eh kommen (sei es mit dem „aber seid doch mal pietätvoll, ihr Ärsche, ihr profiliert euch auf Kosten der Opfer!“-Argument oder mit dem üblichen billigkonservativen Sülz gegen regenerative Energien aus ihrem Repertoire „Klimawandel ist für Pussys“), also warum nicht gleich in die Vollen gehen?

    Ich wünsche mir mit Werbung für Regenerative Energien vollgepflasterte Straßen. Ich wünsche mir Kampagnen, mit denen Normalbürger wie ich, die nicht überdurchschnittlich viel verdienen, klarstellen können: ich zahle gerne ein paar Cent mehr für Strom, wenn dafür auf strahlende und bombende Unglücksbringer verzichtet wird!

    Und zwar wünsche ich mir dies dauerhaft, nicht nur für ein paar Wochen oder Monate. Denn wie schon jemand richtig sagte: sobald die nächste Sau am Dorfeingang auftaucht, rennen alle dort hinterher.
    Wollen wir Fukushima und Gaddafi resp. analoge Ereignisse mit anderen Namen zukünftig vermeiden oder jedenfalls unwahrscheinlicher machen, müssen wir aber an DIESER Sau dranbleiben.

    Gibt es sowas wie einen „Lobbyverband Regenerative Energie“? Es wäre sinnvoll, ihnen genau jetzt vorzuschlagen, viel Geld in, äh, nachhaltige PR zu investieren. Die Zeiten sind günstiger als je, und das klingt zwar zynisch, ist aber eigentlich hoffnungsvoll gemeint.

  28. 28

    Meine noch an Kriegstagen sich erinnernde Großmutter sagte mal zu mir:

    „Es wird mir alles zuviel, diese ständigen Nachrichten über all das schlechte in der Welt überfordert mich. Zeitungen lese ich gar nicht mehr. Nein, ich mache den Fernseher nur noch an wenn Unterhaltung kommt“ (Gedächtnisprotokoll)

  29. 29
    heidrun

    @#784605: Warum? Tunesien, Ägypten, Libyen – alle in Afrika. Es ist in der Tat zu hoffen, dass das auch auf andere afrikanische (und nicht nur die arabischen) Staaten übergreift. Es ist sehr schade, dass dieser Frühling immer nur auf die arabischen Staaten bezogen wird.
    Jedem, der noch mehr Nachrichten aushält (Es gibt ja auch noch die Elfenbeinküste und genug andere Schauplätze… – ich hab mir selbst schon ne Nachrichten-Auszeit verordnet), sei dieser Artikel wärmstens ans Herz gelegt:
    http://english.aljazeera.net/indepth/features/2011/02/201122164254698620.html

  30. 30
    Reinhold

    Genau wegen solcher Artikel liebe ich das hier alles und dich – my genaration. Was sollst du auch kluges zu dem ganzen Wahnsinn blogen, Johnny? Und dennoch Flagge zeigen – und helfen, wo es geht..

  31. 31

    @#784629:

    Du willst mir jetzt also allen Ernstes erzaehlen die 15000 Toten in Japan sind nicht an dem Erdbeben/Tsunami gestorben sondern an dem Kernkraftwerk?

  32. 32
    Blixten

    Das Gefühl der Lähmung kann ich gut nachvollziehen, das ist denke ich eine normale Reaktion auf die zu schnellen Veränderungen in Asien und Afrika. Themen die noch vor ein paar Wochen breit diskutiert würden – z.B. der Euro Rettungsschirm – fallen mitlerweile völlig durchs Raster.

    Um zur Komplexität noch ein wenig beizutragen noch eine Anmerkung zu:

    „Jahrelang wird ein offensichtlich komplett Durchgeknallter, ein Mann, der nicht erst seit letzter Woche kriegerisch handelt und Zivilisten angreift, mit deutschen Waffen und Munition beliefert, was allein schon so skandalös ist, dass jeder, der damit auch nur ansatzweise zu tun hat, seinen sofortigen Rücktritt anzeigen und sich freiwillig für Libyen-Hilfseinsätze melden müsste“

    Ganz so einfach ist es nicht. Lybien hat sich ja erst 2003 nach langen Verhandlungen bereit erklärt, sein Atomwaffen und Giftgasprogramm aufzugeben. Im Gegenzug dafür (und andere Zugeständnisse, wie z.B. Kompensationen für die Hinterbliebenen der Lockerbie-Opfer) wurden die EU und US Sanktionen aufgehoben. Ebenso wurde Lybien zugesagt, es bei der Suche nach alternativen Waffensystemen zu unterstützen.

    Ohne die Aussicht auf stärkere konventionelle Bewaffnung hätte Lybien seine Massenvernichtungswaffen sicher nicht aufgegeben und nur Dank dieser Vereinbarung gibt es in Lybien heute kein Nervengas und kein angereichertes Uran mehr (die unglaubliche Geschichte wie die letzten 5,2 kg hochangereichertes Uran 2009 verspätet nach Russland kamen lässt sich bei Wikileaks nachlesen [http://www.guardian.co.uk/world/2010/dec/03/wikileaks-cables-libya-enriched-uranium]).

    Das soll die Lieferungen deutscher Waffen nicht entschuldigen; die Firmen haben das sicher nicht aus Mitmenschlichkeit gemacht. Ganz so einfach wie im Artikel dagestellt ist es aber auch nicht.

  33. 33
    xconroy

    @#784640:

    @japankritiker schreibt vom „japanischen Unglück“. Ob er damit die Naturkatastrophe meint (deren Ausmaße inzwischen halbwegs umrissen sind, falls nicht NOCH ein Tsunami nachkommt) oder die mögliche atomare Katastrophe (deren Ausmaße bis dato wohl nicht wirklich ermessen sind) geht zwar vielleicht nicht aus seinen Worten, aber doch wohl aus dem Kontext hervor…

    Ich finde diese Argumentation auch irreführend, die du vertrittst: es bringt nichts, die bekannten Opfer des einen Teils der Katastrophe gegen die noch unbekannten (weil langfristig betroffenen) des zweiten Teils hochzurechnen. Und zwar einmal, weil GENAU das auch eine Standardfigur der Kernkraftbefürworter ist und zum anderen und vor allem aufgrund der praktischen Konsequenzen:

    gegen Erdbeben und Tsunamis kann man sich schützen mit technischen und infrastrukturellen Mitteln. Das hat Japan zwar nicht so gut hinbekommen, wie man sich das wünschen könnte, aber jedenfalls deutlich besser als Haiti letztens oder große Teile Südasiens 2004. Allein die Tatsache der *relativ* wenigen Opfer in Japan sollte Indiz dafür sein, daß wir solche Naturkatastrophen zwar noch nicht aktiv, aber durchaus passiv in ihren Auswirkungen kontrollieren können. Und es ist zu hoffen, daß Japan aus den Ereignissen lernt und seine Schutzvorrichtungen sowohl gegen das Erdbeben als solches wie auch gegen Flutwellen verbessert. Dann wird es beim nächsten Mal (und daß das kommen wird ist wohl sicher) mit etwas „Glück“ „nur“ 1000 Opfer geben und nicht 15000 (die „“ sind vorsichtshaber sehr politisch korrekt gesetzt, für den Fall daß gleich jemand „Zynismus!“ pawlowt).

    Also: so gewöhnungsbedürftig das klingt, aber die Folgen von Naturkatastrophen sind prinzipiell einschränkbar. Bei den Folgen eines Super-GAU (nein, das ist nicht doppelt gemoppelt, es gibt Gründe, warum zwischen GAU und Super-GAU unterschieden wird) sieht das aber anders aus, nach allem was mir bekannt ist: man kann zwar versuchen, das Austreten von Radioaktivität einzuschränken (genau das passiert ja auch), aber das, was erstmal draußen ist, bleibt dort ziemlich lange. Und wenn Japan in 100 Jahren absolut idiotensichere Maßnahmen gegen Erdbeben und Tsunamis gebaut haben sollte, dann ist die Strahlung immer noch da.

    (zum eigentlichen Ansatz von @japankritiker kann ich nix sagen… keine Ahnung, ob die dortige Kultur dermaßen konfuzianisch-obrigkeitsfixiert ist. In einer globalisierten Welt sollte das zumindest etwas verwässert sein inzwischen).

  34. 34
    Nico

    Mir geht es genauso.

    Ich denke mir- wie würden die Leute wohl durchdrehen, wenn wir schon 2012 hätten :D

  35. 35

    @#784642:

    Wenn ich mir die Diskussionen hier und generell so ansehe scheint es so als das Erdbeben und der Tsunami dort die mal eben so 15000 Menschen trotz sehr guter Vorbereitung (siehe z.B. Japan’s Strict Building Codes Saved Lives) getoetet haben praktisch nicht passiert sind.

    Alles redet nur von dem Atomkraftwerk.

    Ja, es kann sein dass daran noch ein paar Hundert oder Tausend Menschen sterben. Es kann genauso gut sein dass daran nur ein Dutzend Menschen stirbt. Ich bin da einfach mal optimistisch und glaube dass es bei weitem nicht so viele sein werden wie die Katastrophenglaeubigen meinen.

    Und wo Du vom Aufrechnen redest, gibt’s in Deutschland eigentlich noch immer die gigantischen Kohlesubventionen? (Verfolge das von hier aus nicht so). Ich moechte gar nicht wissen wieviele Menschen an der Luftverschmutzung der ganzen Energieerzeugung durch Kohle (und anderen Fossilbrennstoffen) bereits gestorben sind. Gar nicht zu reden davon wieviele daran noch sterben werden.

    Ich finde es erschreckend wie alle diese Toten mehr oder weniger hingenommen werden.

    Die ganze Diskussion ist auf allen Seiten so gewaltig verlogen, sie ist eigentlich nur noch sinnlos.

    Melde mich ab.

  36. 36
    Bastian

    Johnny, ich mag Dein Gehirn.

  37. 37
    Klaus

    Lieber Johnny,
    fast weinen musste ich über so viel, schön formuliertes Gefühl.
    Du triffst es – und schon das macht Mut und tröstet.
    Du musst es nicht glauben, aber durch das aussprechen Deiner Gedanken hast Du schon einen großen Beitrag geleistet – für eine Lösung Deiner Lähmung,
    und die von Vielen, die ähnlich empfinden.
    Deine Sätze sind im besten Sinne des Wortes – christlich – und genau das fehlt im Moment.
    Vielen Dank

  38. 38
    leo+

    lieber johnny häusler,

    der zynismus ist doch längst da. man sollte alles dafür tun um nicht irgendwann gegenüber sich selbst zynisch sein zu müssen. die wahl hat man. vielleicht in situationen in denen man etwas an mauern oder in kommentarbereichen liest und abwägt ob man das pathos jetzt mehr ablehnen als die darin enthaltene wahrheit annehmen möchte.

    liebe grüße

  39. 39

    Jau. Mal wieder.

  40. 40

    Lieber Herr Häusler,

    Wir hier unten im Ländle gehen bald wählen. Das hilft ein bisschen. Weil die Fragen die gerade verhandelt werden notwendiger Weise diskutiert werden. Da ist nichts falsches dran. Das berührt auch nicht die Anteilnahme für die über 15.000 Opfer, weil die hiesigen Themen eben nicht erst seit dem 11. März Thema sind. Außerdem denke ich, dass eine ausgetragene Debatte so etwas wie einen Referenzpunkt bilden kann auf den sich die Gesellschaft (oder eine andere) beziehen kann und hat somit immer auch Modellcharakter.

    Was die arabische Welt betrifft, halte ich es für eine zusätzliche Verpflichtung wählen zu gehen. Da wird der Demokratisierungsprozess in Tunis und Ägypten zu unserem Referenzpunkt, in einer Gesellschaft, die sich zu bald 50% wahllos wähnt, weil sie der Politik (und dem System) alles mögliche unterstellt außer Handlungsfähigkeit. Dazu ein paar mehr Gedanken: http://wortumwort.blogspot.com/2011/03/wahlen-gehen.html

    Vielen Dank für Ihren Text. Ich kenne das Gefühl auch.

    Liebe Grüße

  41. 41
    David

    Wegen Libyen einfach mal Sixtus fragen. Der weiß da Bescheid. Zumindest insoweit, als er den „Radikalpazifisten“ blutige Verblendung vorwirft.

  42. 42
    Marc

    Guten Morgen,

    entschuldigung, aber mir bleibt nicht viel mehr als Zynismus übrig. Vielleicht ein wenig Hoffnung, das der Mensch endlich lernt seine grauen Zellen zu nutzen.
    Völlig deplaziert dabei sind allerdings religiöse Phrasen. Als ob der Heiland käme und uns rettet…. Wovor denn retten? Was für ein schwachsinn… sorry!
    Es liegt an uns, ob wir ein umdenken hinbekommen oder nicht.
    Ein erster Schritt könnte sein, neben dem Protest gegen Atomkraft, z.B. ein auflehnen gegen die int. Rüstungsindustrie zu etablieren. Im kleinen Anfangen, den eigenen Vorteil mal hinten anzustellen.

  43. 43
    Jan(TM)

    Der Revoluzzer

    War ein mal ein Revoluzzer
    im Zivilstand Lampenputzer;
    ging im Revoluzzerschritt
    mit den Revoluzzern mit.

    Und er schrie: „Ich revolüzze!“
    Und die Revoluzzermütze
    schob er auf das linke ohr,
    kam sich höchst gefährlich vor.

    Doch die Revoluzzer schritten
    mitten in der Straßen Mitten,
    wo er sonsten unverdrutzt
    alle Gaslaternen putzt.

    Sie vom Boden zu entfernen,
    rupfte man die Gaslaternen
    aus dem Straßenpflaster aus.
    zwecks des Barrikadenbaus.

    Aber unser Revoluzzer
    schrie: „Ich bin der Lampenputzer
    dieses guten Leuchtelichts.
    Bitte, bitte, tut ihm nichts!

    Wenn wir ihn‘ das Licht ausdrehn,
    kann kein Bürger nichts mehr sehen.
    Laßt die Lampen stehn, ich bitt! –
    Denn sonst spiel ich nicht mehr mit!“

    Doch die Revoluzzer lachten,
    und die Gaslaternen krachten,
    und der Lampenputzer schlich
    fort und weinte bitterlich.

    Dann ist er zu Haus geblieben
    und hat dort ein Buch geschrieben:
    nämlich, wie man revoluzzt
    und dabei doch Lampen putzt.

    Erich Mühsam

    Ostern btw: Holgi sammelt immer noch Silberlinge http://holgi.blogger.de/stories/1750103/

  44. 44
    MVR

    Lieber Marc,

    mir ist aufgefallen,daß bei der Katastrophe fast alle „mein Gott“ od.“Oh Gott“ganz spontan ausgerufen haben.

    Offensichtlich gibt es Momente im Leben,wo selbst Atheisten und Buddhisten DEN (un)bewußt am meisten um Hilfe rufen,DEN sie sonst ignorieren,verleugnen und als nicht existent betrachten.

    Wie helfen Sie,ich,alle Kommentatoren hier, jetzt konkret zB in Japan?

    Das Theoretisieren über all die Probleme ohne konkrete Taten,was soll das?Was bleibt Menschen,die nicht vor Ort helfen können,weil zB selbst arbeitslos uäm,
    als Fürbitte und gute Gedanken?
    Seit wann ist diese Verbundenheit religiöses Geschwätz?

    Was hilft in schweren Stunden durch Krankheit,private,aber auch weltweit Katastrophen,Krieg
    mehr als Verständnis für die konkrete momentane Situation?

    Haben Sie noch nie um Beistand gebeten,wenn es Ihnen nicht gut ging?
    Hat Ihnen da ein „Programm“, „50 Cent-stück“weitergeholfen oder war es zB Ihre Mutter,Ihr Freund etc,die Ihnen einfach nur mit ihrer Liebe und dem entsprechenden Verständnis aus dunklen Zeiten rausgeholfen haben?IST DAS RELIGIÖSES GEFASEL?

    Ich sags nur mal so!,
    daß besonders dann,wenn kein andrer da und man nur sich selbst überlassen ist ,das Stoßgebet zb OH MEIN GOTT,BITTE HILF MIR!!! bleibt.

    Das hat schon viele gerettet.Ich bitte Sie,das zu bedenken,was sicher auch Ihnen schon mehr als einmal aus tiefsterTraurigkeit herausgeholfen hat,wo die Entscheidung zu fällen ist bzw.ungefragt gefällt wird! zwischen Leben und Sterben und man gerne LEBEN möchte.

    Von Herzen grüßt in diesem Sinne MVR

  45. 45
    lars

    tja. merkel hat in libyen einen öllieferanten bestellt, und keinen demokratiebeauftragten. die vorwürfe gegen gaddafi sind abstrus (hat der nicht auch einen dr. hc.?). der hätte jedenfalls keine probleme, hunderte liquidatoren in ein atomkraftwerk zu schicken, wie es damals die sowjets taten. mit gefühlsduseligen akw-gegnern und mitfühlern nach häuslers art ist kein rettungseinsatz zu machen. obwohl häuslers luftwaffe ja seine blogeinträge sind, mit denen er die anti-akw-demonstranten beschießt.

  46. 46

    Der kern der sache, und das unterstelle ich Johnny jetzt einfach aufgrund der kürzlich erschienenen einträge, ist nicht irgendein ereignis mit beliebig katastrophalem ausmaß, so schlimm dieses auch sein mag, sondern die art und weise, wie wir als menschen und medien damit umgehen. Erstaunlicherweise hat das bisher noch keiner genau formuliert – vielleicht aus angst, an der jeweiligen katastrophe „vorbeizureden“.

    Die hoffnung, die oben im artikel beschrieben wird, ist also eher eine hoffnung auf vernunft und besonnenheit, ein appell an die ratio, angesichts der mit superlativen um sich werfenden medien. Genau dieses demütige „ich weiß, daß ich nicht weiß“ vermißt man allerorten, und ist gelähmt ob der schieren masse schein- und halbwissender. „Ich weiß, daß ich nicht weiß“ ist auch eine erkenntnis, die unweigerlich in die defensive führt, und man kann in solchem fall nur hoffen, daß man genug hoffnung und vernunft auf vorrat angelegt hat, um der belagerung durch die armeen von opportunisten, wahltaktierern, parteipolitikern und sonstigen gelegenheitsscharmützlern zu trotzen.

    Ich zolle meinen respekt, daß das hier im blog* tatsächlich ausgesprochen wird.

    *und nirgends sonst

  47. 47
    ralle

    @#784610: die atomwaffen machen mir auch sorgen.

    seltsam dass es nie thematisiert wird, oder? das kann doch nicht sein, dass wir angst haben vor einer kernschmelze aber gleichzeitig tolerieren, dass innerhalb von stunden der gesamte planet pulverisiert werden könnte. von einigen wenigen.

    muss da auch erst etwas passieren? ( wieder ? )

  48. 48

    Ich kann den Lähmungszustand nachvollziehen. Und ich ärgere mich zwar darüber wenn andere über alles mögliche meckern aber keine Lösung der Probleme aufzeigen – gerade deshalb weil ich auch keine habe. Aber eines kann ich nicht verstehen: inwieweit hat uns unsere momentane Regierung bezüglich der Atomkraft angelogen ? Die Laufzeitverlängerung war vor der Wahl angekündigt und wurde danach umgesetzt – und die Mehrheit hat diese Parteien gewählt. So funktioniert Demokratie – ob es einem gefällt oder nicht !

  49. 49

    Und noch ein Kommentar zum Thema „Planeten pulverisieren“ – wir nehmen uns hier viel zu wichtig – die Menschheit ist nicht ansatzweise in der Lage die Erde zu zerstören. Wir können lediglich unsere eigenen Lebensbedingung verschlechtern …

  50. 50

    Die Menschheit ist -erschreckend zu erkennen-
    durchaus in der Lage die Erde zu zerstören.
    Oder anders gesagt, sich selbst auszulöschen, um anderen Lebensformen eine neue Existenz zu ermöglichen.
    Vorausgesetzt, dass wir in Absprache mit den höheren Mächten einen Globalen Siuzid begehen. Die Anfänge für den Fall sind ja schon gemacht. Was hält uns eigentlich noch auf?

  51. 51
    earl grey

    Jonglieren mit unvorstellbaren Größenordnungen, kaum verstandenen Zusammenhängen mit der Inbrunst des Ich-Hab’s-Ja-Schon-Immer-Gewusst, Hoppythekapokalyptik für Einsteiger, gewürzt mit religiösem Schwachmatentum…

    …aber schön, dass wir’s mal kommentiert haben.

    (u.a. Max Grüns differenzierten Kommentar (#12) zur Libyenkrise ausgenommen. Aber ich glaube der vernünftigste und für einen selbst gesündeste Rat findet sich in #23, daher sei er hier noch einmal wiederholt:
    „Ich würde bei solchen Lähmungserscheinungen die Lektüre von Voltaires Candide verschreiben, dazu ein bis zwei Wochen Haus- und Gartenarbeit bei weitgehender bis vollständiger Medienabstinenz. Dann sollte sich die geistige Beweglichkeit recht rasch wieder einstellen.“
    Dr.Martin)

  52. 52
    MVR

    Was verstehen Sie unter „religiösem Schwachmatentum“,earl grey,wenn auch Sie
    sicher sehr genau wissen,daß der Mensch ganz offensichtlich nicht vom Brot allein lebt,besonders dann,wenn er Angst hat,Angst um sein Leben und das der anderen???

    Der Weg ist breit,der zur Hölle führt.Dennoch gehen ihn viele Menschen eher,,auch dann,wenn nicht nur die Seele auf diesem Weg zerstört werden kann.

    Der schmale Weg ist zu unbequem für diese Menschen,besonders weil Hohn und Spott oft die Begleiter sind.Wer möchte schon „religiöses Schwachmatentum“
    unterstellt bekommen?!Die Stärksten,Mutigsten,die die alles für alle opfern, werden oft von „Schwachmaten“ als die Schwächsten,Verrücktesten,Verräter etc abgestempelt!!!

    Der Mangel an Verständnis und Liebe für sich selbst und andre
    bei gleichzeitiger Fülle an Gier,Neid,Schadenfreude,Ignor- und Arroganz,Rechthaberei,Fällen von Urteilen über andre,Voreingenommenheit,Besserwisserei,Unkenntnis und „ich hab den Stein der Weisen gefunden!“hat nicht nur einzelne Menschen in den Tod getrieben,sondern ganze Völker.

    CAVE!!!

    s.auch:
    http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/HoddisJakob/index.html
    http://lyrik.antikoerperchen.de/jakob-van-hoddis-weltende,textbearbeitung,149.html

  53. 53
    Gustav Gast

    Lieber Herr Häeusler,

    danke für Ihre Worte, die ich in Teilen nachvollziehen kann. Nicht jedoch das zugegeben kurze Aufflackern einer Relativierung.

    Es geht immer irgendwem irgendwo schlechter. Sei es andernorts, sei es unter Berücksichtigung anderer Parameter. Und wenn mich eine Argumentation stets auf die Palme peitscht, dann diese, die klingt wie: „Uns geht es doch sehr gut.“ Denn sie schwingt ein: „Beschwert Euch nicht!“ mit.

    Es gibt hier kein „uns“. Es gibt hier vieles, das im Argen liegt – und bei der Betrachtung wie arg es ist, spielt der Bezug zu anderem Leid auf der Welt keine Rolle.

    Zuletzt möchte ich den Tipp von Dr. Martin aufgreifen und ebenfalls zu Candide oder der Optimismus raten. Lohnt.

    Ihr Gustav

  54. 54
    flubutjan

    Hallo Candide-Spezialisten und Candide-Nichtspezialisten:

    An Candide ist doch das Ding, dass sich Voltaire mit all den Kabalen, die seine Mitmenschen dem Candide zumuten, über Leibniz‘ Vorstellung lustig macht, dass wir „in der besten aller möglichen Welten“ leben und uns damit quasi zufrieden geben sollten.

    Mein müdes Hirn will gerade nicht ausspucken, wie uns das hier jetzt weiterhelfen soll. Kann jemand mal erklären?

  55. 55
    Nilso

    Hallo,

    ich konnte mir aufgrund Zeitmangel leider nicht die Beiträge meiner Vorredner durchlesen. Jedoch würde ich gerne die Frage beantworten, wo denn der wesentliche Unterschied zwischen dem „Afghanistankrieg“ und dem „Libyenkrieg“ liegt:
    Er liegt definitiv im Wesen der Bevölkerung. Während die Bevölkerung in Afghanistan oftmals weder politisch gebildet, noch eine Bildung genießen konnte und fundamentalistischen Stämmen angehört und somit eigentlich gar nicht demokratisiert werden möchte, schreien vorallem die jungen aufgeklärten Menschen in Libyen förmlich nach Mitbestimmungsrecht und unterstützen selbst den Umsturzprozess: Sie begrüßen die Tatsache, dass sich die Nato einmischt.

    Viele Grüße

  56. 56

    Hallo Herr Häusler,

    vielen Dank für diesen Beitrag, der mir aus der Seele spricht. Auch ich bin ohnmächtig ob der Nachrichten , die auf mich einstürmen und ich bin mir dessen bewußt, dass es trotz allem nur eine kleiner Ausschnitt des Leids ist, das tagtäglich auf der Welt passiert. Es ist aber auch die Ohmacht vor dem Spiel der Politik und der daraus resultierenden Machtstrukturen, dessen Spielregeln wir nicht brechen können.

    Viele Grüße

    Raoul

  57. 57

    3 Punkte:
    Der Unterschied zu Afg. und Irak ist, dass da eh schon Krieg ist, eher vergleichbar mit Jugoslawien.
    Ganz genau, kann man sich freuen, wenn die Grünen triumpfieren, weil die Japaner verstrahlt werden?
    Und ja, Lügen über Lügen. Komischweise wissen die Spezialisten in Japan genau Bescheid, dass der Dreck, der bisher ins Meer floß, viel zu wenig ist um ernsthaften Schade bei Umwelt und Getier anzurichten. Gleichzeitig wissen sie aber scheinbar nicht, dass, wenn man tagelang Wasser auf son Ding spritzt, das verseuchte Wasser schließlich irgendwo rumsabbern wird und dann meterhoch steht. Sie wissen auch nicht, dass Meerwasser nich so geeignet ist zum Kühlen und freilich wissen sie tagelang nicht, ob das Scheiß Ding leckt oder nicht. Na klar! Was sind das, pensionierte Biologielehrer?!

  58. 58
    Marc

    @#784659: Hallo lieber MVR,

    ich respektiere Ihre Einstellung zu Glaube und Religiösität.
    Hm, habe ich mal Gott um Hilfe gebeten? Bestimmt in jungen Jahren. Leider kam niemand und die Probleme, für deren Lösung ich um Hilfe bat, habe ich letztendlich selber bewältigt. Viele Probleme sind in der Tat nicht selber zu lösen und manchmal bleibt nur Hilflosigkeit und Hoffen – auf was auch immer. Nichtsdestotrotz, warum sollte ich an so etwas wie einen Gott o.ä. glauben? Wegen Liebe? Vertrauen? Glück? Zuversicht etc etc? Hm, ne – da denke ich, das wir diese Dinge zwar noch nicht in ihrem vollständigen Wirkungsablauf verstanden haben, aber die Ursachen für diese und andere Empfindungen liegen in vielen hochkomplexen Prozessen unseres Menschseins, die wir nicht verstehen – noch nicht vllt.
    Aber ich liebe das Leben, so spannend und facettenreich es ist, und bin zuversichtlich das die, uns einengenden religiösen Denkstrukturen mit der Zeit verschwinden.
    Ich wünsche Ihnen einen guten Wochenstart
    M.

  59. 59
    Jedzia

    @MVR
    Sehr schade Ihnen mitteilen zu müssen, dass ihr Gott hier leider nicht zuständig ist. Konkret sind nämlich
    春日大社
    天照
    稲荷
    天神
    und insbesondere 大明神 zu huldigen. Jahwe muss leider zu Hause bleiben.

    Ansonsten: Danke für den offenherzigen Artikel, Johnny. Zum Leben gehören eben auch Depression, Fassungslosigkeit, unüberwindbare Hürden und der Tod. Aber mensch-sei-dank sind das nur Facetten.

  60. 60
    MVR

    Liebe/r Jedzia!

    Keiner muß draußen bleiben!!!
    Nur zusammen gehts!

    Sie schreiben:
    Gott hier leider nicht zuständig ist.
    Konkret Sind nämlich
    Kasuga Taisha春日大社,
    Amaterasu 天照,
    Inari稲荷
    Tenzin 天神 ,
    und insbesondere
    DAIMYOJIN 大明神
    zu huldigen.
    Jahwe Muss leider zu Hause Bleiben.

    DENN:
    Feuer und Radioaktivität und Tsunamis und Erdbeben unterliegen ebensowenig religiösen, kulturellen,rassistischen Schranken bezüglich Hautfarbe,Alter,Geschlecht
    wie
    die Würde des Menschen,die Liebe,der Tod,das Leben ,Mitgefühl ,Hilfe zur Selbsthilfe,internationaler Tourismus,multikulturelles Leben auf allen Kontnenten/in allen Ländern der Erde,internationale Wirtschaftsbeziehungen incl.Ernährung und Aufnahme von Flüchtlinen aus Katastrophen- und Kriegs- und sonstigen Krisengebieten.

    Wenn Sie Hilfe benötigen und bekommen,fragen Sie dann erst,wes Geistes Kind der potentielle Helfer
    ist,zB wenn Sie auf dem Dach eines Hauses sitzen,das von der Tsunamiwelle ins Meer getrieben wird???Lassen Sie sich von einem Nichtbuddhisten dann nicht helfen,sondern sterben lieber?
    Solche Tsunamis spielen sich ja auch sehr oft im Inneren des Menschen ab,wie Sie wissen.Gut ist der dran,der den Kern dessen,was er jeweils glaubt,wirklich erfaßt hat und sich daran orientiert,daß es etwas im Leben gibt,das unendlich gößer als der oft so vermessene Menschenwille ist,der über den jeweiligen
    Halt,der jedem Menschen entsprechend seiner Herkunft gegeben ist,herumzudebattieren neigt,statt iihn einfach nur für sein Leben zu nutzen.Es steht keinem Menschen zu,über den Glauben andrer zu rechten.Ich selbst hatte und habe
    keinen im Forum hier zu missionieren vor,machte lediglich darauf aufmerksam,daß all das Schreckliche,was geschehen ist + geschieht,das Leben von Christus ebenso beschreibt wie das von Buddha,weswegen ich auf die Ostergeschichte verwies (wie Sie ggf auf Siddhartas Erwachen unter dem Baum verweisen würden)
    Das tue ich auch heute,denn es wäre nicht auszudenken,was es für Japan etc bedeutete,gäbe es keine Auferstehung aus dem gegenwärtigen Chaos,der Vernichtung von Existenzen – ALLE RELIGIONEN drücken das auf ihre Weise ähnlich aus,denn DAS verbindet alle Menschen,die Frage,wie geht es weiter? was ist zu tun+wie?Was ist das EINE,das Halt gibt.

    Ich grüße Sie herzlich,wünsche Ihnen und Ihrer Familie alles erdenklich Gute
    und ganz bewußt GOTTes Segen,
    denn GOTT ist DIE Kraft ,die ua auch Buddha hervorbrachte – so wie uns selbst
    (Sie haben lediglich ein andres Wort für GOTT und wir sind uns einiger,als Sie glauben)

    MVR

    PS:Dank auch für den Kommentar von Marc,doch „Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen“

  61. 61

    Sehr toller Artikel….
    Mir macht das ganze auch Sorgen. Bei mir ist es mittlerweile so weit, dass ich keine Nachrichten mehr schaue, da es mich einfach nur runter zieht :/