Das Brüllen der zweimotorigen British Airways-Machine zerfetzte jäh die friedliche Stille, die der fallende Schnee seit Stunden über die pechschwarze Nacht gelegt hatte. Augenzeugen sollten später berichten, wie die AS-57 ungewöhnlich tief über die Dachgiebel der Häuser fegte, bis sie eines davon mit der rechten Tragfläche streifte, sofort in Flammen aufging und auf einem Acker zerschellte.
Im giftigen Zischen des brennenden Wracks löste ein junger Mann seinen Sicherheitsgurt, stand auf und sah sich um. Frank, der Reporter von der News Chronicle, hielt die Zeitung, die er gelesen hatte, immer noch in der Hand. Aber sein Kopf blickte jetzt, in seltsamer Opposition zu seinem restlichen Körper, durch aufgerissene, tote Augen über die Rücklehne hinaus ins Leere.
„Bobby!“
Irgendwo schrie jemand seinen Namen. Verdammt! Sollten sie lieber mal was gegen den Rauch tun.
Der schwarze Qualm biss sich in seiner Netzhaut fest und trieb ihm die Tränen in die Augen. Übel. Wirklich übel. Eine warme, dicke Flüssigkeit sickerte auf seine Zunge. Er kannte den Geschmack. Aber im Moment kam er einfach nicht darauf, woher.
„Bobby!“
Der Typ hörte nicht auf, zu schreien. Langsam ging er Bobby ernsthaft auf die Socken. Er starrte verständnislos in die Richtung, aus der die Stimme kam, und konnte jetzt durch den Rauch hindurch eine Gestalt ausmachen, die fuchtelnd auf ihn zukam, ihn packte und über brennende Frackteile und die leblosen Körper seiner Freunde hinweg durch die Flammen zerrte. Dabei spuckte er Worte, die kein Mensch verstehen konnte und stiess ihn ohne die geringste Vorwarnung durch ein schwarzes Quadrat hindurch in die Leere.
Bobby segelte durch das Nichts und landete in einem weichen, kühlen Bett aus Schnee. Na gut. Sollten doch einfach alle machen, wozu sie Lust hatten. Er würde erst mal liegenbleiben und eine Weile in den schwarzen Himmel schauen, aus dem tausende und abertausende von kleinen, weissen Punkten auf ihn herabtanzten.
Es wurde still. Bobby lächelte. Das war schon besser.
In der Maschine, die am 6. Februar 1958 über die Startbahn des Flughafens München-Riem hinausschoss, starben 21 Menschen. Sieben davon gehörten zur den legendären Busby-Babes, der Stammformation des Fussball-Clubs Manchester United. Gerade hatten sie das Europa-Cup-Spiel gegen Roter Stern Belgrad klargemacht und waren auf dem Rückflug in München zwischengelandet, um aufzutanken.
Der damals 19-jährige Bobby trug ein paar leichte Schrammen am Kopf davon. Sie verheilten schnell.
Acht Jahre später, an der Fussball-Weltmeisterschaft im eigenen Land, führte Captain Robert „Bobby“ Charlton seine Mannschaft ins Final in Wembley. Er war massgeblich dafür verantwortlich, dass Wunderkind Franz Beckenbauer keinen Fuss auf die Erde kriegte. England siegte mit 4:2 und wurde Weltmeister.
Dass der Pokal, den er an diesem Tag jubelnd durch das Stadion trug, eine Fälschung war, ist eine andere Geschichte. Bobby wusste es jedenfalls nicht. Das wussten zu diesem Zeitpunkt nur ganz wenige Leute.
Aber es wäre Bobby mit grosser Sicherheit auch völlig egal gewesen.
Podolski und Klose, Kahn und Lehmann, Ballack und Borowski, sie alle sollten nur noch fliegen dürfen wie das amerikanische Präsidententeam- in getrennten Maschinen.
Verzeihung, aber Busby Babes. Dann klappts auch mit den Google-Lesern. Obschon “Bubsy Babes” immerhin auf 110 Einträge kommt.
Und ich bezweifle, dass die Klinsmänner mal eine eigene Homepage bekommen werden.
hups. thänkyouvärymutsch.
Traurige Geschichte, schön erzählt. Ich kannte die Mannschaft auch als Busby Boys – nach Matt Busby – dem Trainer. Der wird auch erwähnt in dem kurzen Beatlesstück „Dig It“.
Was hat es denn mit dem gefälschten Pokal auf sich? Das ist ja mindestens genauso interessant
Das mit dem Pokal, das kommt natürlich noch. War praktisch der Trailer :)
aktuell schnee hier. toller text.
Schöner Text – aber ich tippe mal darauf, dass ein brennendes Wrack gemeint war, kein Frack, oder?
rofl!
Wie, kennt Ihr nicht den grossen, brennenden Frack im Westen Münchens?
Im Ernst: Danke, Jens. Ich geh mich jetzt mal in die Ecke stellten.
echt… hab ich gar nicht gewusst. aber 58 ist noch kurz vor meiner zeitrechnung :-) toll geschrieben!