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Europaliga

Der Blick von Deutschland aus nach Europa geht über München. Wenn hierzulande von einer europäischen Fußballgemeinschaft gesprochen wird, sind weder Hoeneß noch Rumenigge weit weg; wenn für sie geworben werden soll, sagt der Franz ganz nonchalant mal „Schau mer mal“ in die Werbekamera. Ob des durchschlagenden Erfolges der Championsleague erstaunt es, dass noch immer nicht über eine Europaliga nachgedacht wird. Das heißt: Wohl bei der Uefa und den europäischen Topclubs. Diese Gedanken finden aber kaum Widerhall auf den Sportseiten: Warum, weiß ich nicht. Mich solls nicht stören, ich habe ja schließlich meinen eigenen Kopf.

Wenn in München über Europa gesprochen wird, schleicht sich etwas stuttgarterisches in den Tonfall hinein. Die taktische Arroganz und Selbstherrlichkeit, die Hoeneß und Rumenigge in der Bundesliga zur Schau tragen, verflüchtigt sich dann schnell und weicht einer Bescheidenheit, die insbesondere bei Hoeneß schon fast rührend wirkt.

Hoeneß wäre allerdings nicht Hoeneß, wenn nicht auch die Bescheidenheit System hätte. Was er fordert, ist klar: Mehr Geld aus den Fernsehtöpfen, um europaweit konkurrenzfähig zu bleiben. In der Süddeutschen stellt er die Ausgangslage so dar:

In Spanien, wo jeder Klub sich selbst vermarktet, kommen die großen Klubs auf 120 bis 140 Millionen im Jahr. Wir bekamen 27 – als wir noch deutscher Meister waren, weil hier unter den Klubs geteilt wird. Deutschland kommt mit Ach und Krach insgesamt auf 420, 430 Millionen pro Saison, die Engländer sind Spitzenreiter mit 1,3 Milliarden. Wenn wir künftig nicht mehr, sondern weniger kriegen, lässt die Konkurrenzfähigkeit der Bundesliga weiter nach. Wer bis zu hundert Millionen Euro weniger erlöst als die Konkurrenz, kann einfach nicht mithalten.

Abgesehen davon, dass der FC Bayern München, was den Umsatz anbelangt, letztes Jahr weltweit auf Platz sieben stand und somit durchaus als konkurrenzfähig bezeichnet werden kann: die kleinen Vereine der Bundesliga hätten (mit deutlich mehr Recht) den gleichen Grund zur Klage, was die Ungleichverteilung der Pfründe in der Bundesliga anbelangt. Aber der FCB-Blick bleibt nicht an der Bundesliga haften: Europa ist das Ziel.

Europa, das ist momentan die UEFA-Champions League. Die Champions League gibt es offiziell seit der Saison 1992/1993 und basiert auf einem Konzept der Agentur TEAM, die von Klaus-Jürgen Hempel und Jürgen Lenz geführt wurde. Ziel war es, sportliche und wirtschaftliche Interessen zu verflechten, das heißt einerseits eine attraktive Fußballliga zu schaffen und sie andererseits zentral zu vermarkten. Dazu wurde es nötig, einige Wettbewerbsänderungen durchzusetzen, wie beispielsweise die Gruppenspielphase: Damit ließ sich das Risiko, dass ökonomisch wertvolle Clubs, deren Spiele große Zuschauermassen vor den Fernseher lockten, frühzeitig aus dem Wettbewerb ausschieden, minimieren. Und mehr Zuschauer bedeutet auch mehr Werbeeinnahmen. Da bekommen Sätze wie „dieser oder jener Verein gehört nicht in die Champions League“ eine ganz neue Dimension.

Da sich die Champions League, oder um es mit einem Wort von Berti Vogts zu sagen: der „Geldbeschaffungspokal“, bewährte, wurde er schrittweise aufgestockt. 1997/98 von 16 auf 24 Mannschaften, und seit 1999/2000 treten 32 Mannschaften auf die europäische Bühne. Mehr Mannschaften – mehr Spiele – mehr Zuschauer – mehr Werbeeinnahmen: das ist eine einfache Rechnung. Und sie rentiert sich augenscheinlich für jeden. Augenscheinlich. Man könnte sich jetzt ein bißchen genauer ansehen, welche Konsequenzen diese Entwicklung für nationale Ligen hatte, und wie sich die Stellung kleinerer Clubs, die niemals Champions League spielen oder spielen werden verändert hat. Das aber ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.

Ich bleibe lieber bei Europa. Da ein gewisses Restrisiko besteht, dass sich die großen Vereine entweder nicht für die Champions League qualifizieren oder schon früh ausscheiden, wird schon länger über die Einführung einer Europa-Liga nachgedacht. Um mal eben zusammenzufassen: Erstens beklagt die G-14 den „deutlichen Qualitätsverlust“ des europäischen Fußballs und bezieht sich sowohl auf die Europameistschaftsqualifikation als auch auf die europäischen Pokalwettbewerbe. Zweitens soll mehr gespielt werden, aber nicht Spiele wie FK Pobeda Prilep gegen FC Levadia Tallinn, sondern Real gegen ManU. Dabei geht es natürlich auch um Fußball, aber in erster Linie um Geld. Zitat:

Um weiteren wirtschaftlichen Aufschwung zu garantieren, muss das Produkt internationaler Fußball weiter entwickelt und dem modernen Konsumenten nahe gebracht werden unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es vor allem die Vereine sind, die das Produkt liefern.

Das ist die Sprache, wie sie heutige Fußballmanager sprechen. Das kann man nun bedauern oder nicht, aber festhalten sollte man es auf jeden Fall. Denn es wird von großer Bedeutung sein für die Debatten um die Europaliga, die unweigerlich kommen werden. Die Inhalte des zitierten Papieres sind von l’Équipe veröffentlicht worden und wurden anschließend allerorten dementiert – somit stellt sich noch nicht die Frage, ob ein zerstrittener Haufen wie die G-14 überhaupt in der Lage wäre, eine eigene Liga zu betreiben. Klar ist allerdings, dass der Druck auf die UEFA wächst, in irgendeiner Form Richtung Europaliga aktiv zu werden. Ob nach US-amerikanischem Modell ohne Auf- und Abstiege oder nach dem britischen Modell der Premier League – man weiß es nicht.

Man könnte jetzt sagen, eine solche Europaliga führe zu Topfußball rund um die Uhr. Ich glaube das nicht. Barca – Chelsea ist wie Weihnachten, und Weihnachten reicht einmal im Jahr. Von mir aus auch zweimal, aber man soll es mit den fußballinduzierten Adrenalinstößen nicht übertreiben. Vermarktungstechnisch macht das schon mehr Sinn, denn so ließen sich die Marketingstrategien der großen Clubs bündeln und weltweit verteilen. Und da hängt viel Geld dran.

Was das im einzelnen bedeutet, werden wir sehen. Ich bin, um ehrlich zu sein, noch nicht ganz durchgestiegen durch das ganze Gestrüpp von UEFA, FIFA, G-14 und nationalen Verbänden. Mein perswönliches Saisonziel aber wird sein, das in irgendeiner Form aufzubereiten. Das also wäre – in aller Bescheidenheit – mal ein europäischer Anfang.

Keine Kommentare

  1. 01

    Kann dieser Beitrag bitte in einer Zeitung erscheinen?

  2. 02
    Romän

    Aber echt. Sehr informativ, sehr sachlich, sehr gut.