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Über die Halbwertzeit von Polygonen

godzilla

(Foto: Kaptain Kobold)

Wir schreiben das Jahr 2014. Ich habe mir soeben die Classic-Version von »Crysis« heruntergeladen; ganz legal, für 2,50 Euro im nTertainment-Store bei Appoogle. Der Download dauert drei Minuten, die Installationsroutine 25 Sekunden.

Ich schließe zwei altmodische Eingabegeräte an mein Multimedia-System, starte per sanftem Druck auf den Touchscreen zuerst den Vista-Emulator, dann das Spiel, und mein erster Gedanke beim Anblick der… blockigen Figuren, leblosen Landschaften und niedrig-aufgelösten Matsch-Texturen: »Meine Güte, was sieht das scheiße aus!«

So oder so ähnlich wird es laufen. Nichts nagt heftiger, als der Zahn der Zeit an High-End Computergrafiken. Und sieben Jahre sind in diesem Bereich lang, ganz lang, richtig lang, seeeeeeeeehr lang.

Ist das nicht komisch?

Der Sprung von der zweiten in die dritte Dimension, der Wechsel von pixeligen Sprites zu vektorbasierten Modellen mit allerlei Bewegungsphysik hat zwar verdammt beeindruckende Ergebnisse geliefert, jedoch hält die Begeisterung immer nur bis zur nächsten Folge von »Pimp my Polygon-Count«.

Wenn ich mir heute die erste Version von Tomb Raider angucke (10 Jahre her), oder wenn ich sie gar — für zehn Minuten, länger hält man das ja nicht aus — spiele, dann frage ich mich durchaus, was zum Henker uns damals an dieser Kastenfrau so fasziniert hat. Impossible Mission war bereits besser animiert, und die ruckelige Steuerung der Frau Croft war und ist eine absolute Zumutung, bzw. für heutige Verhältnisse nicht mehr und nicht weniger als eine bodenlos freche Unverschämtheit.

DAS soll Spaß machen? Geht’s noch? Wo ist die nächste Wand, hier fliegt ein Gamepad…

Ein anderes Beispiel aus persönlicher Erfahrung: Shenmue auf der Dreamcast. Leute, was war das für ein Spiel! Glaubhafte Charaktere, und zwar massenweise, eine wirklich lebendige Stadt, überall war etwas los, es gab unendlich viel zu entdecken, verwinkelte Gassen, liebevoll ausstaffierte Wohnungen, hunderte von Interaktionen und Spielspaß-Garantie für mehrere Wochen.

Damals.

Schaue ich mir das gute Stück heute an… naja… »mau« trifft’s so halbwegs.

Der Titel wird für ewig in meiner Erinnerung bleiben als eines der beeidruckendsten Spiele, die ich jemals spielen durfte, aber nochmal ransetzen? Das Game riecht so derbe nach Steinzeit…

Gleiches bei praktisch allen N64-Modulen. Blast Corps fällt mir da z.B. ein: großartiges Spielprinzip, durchgezockte Nächte, hysterisches Gelächter angesichts der fantastischen Explosionen. Das Ding ist heute nicht mehr spielbar, und zwar nicht nur des defekten Controllers wegen, sondern vor allem wegen der verwaschenen Optik, die aussieht, als habe man ein 300-fach komprimiertes JPEG auf 200-fache Größe aufgepumpt.

Ich finde das komisch.

Ich würde fast sagen wollen, 3D hat keine Zukunft, aber das lass‘ ich dann doch lieber.

Sprite-basierte Spiele scheinen jedenfalls eine ungleich längere Lebensdauer zu haben, denn sie faszinieren auch nach Jahrzehnten noch wie am ersten Tag. Retro-Charme hin oder her, sowas wie Super Mario Bros. 3 geht schlicht und ergreifend nicht besser.

Uridium.

Little Computer People.

Pong. ;)

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