Freitag Abend, 22 Uhr.
Die Kinder schlafen ruhig, dringende Überweisungen sind getätigt, alle Spreeblick Comments gelesen, alle Shirts verschickt, viel zu viele E-Mails nicht beantwortet. Eine Kippe noch, die Woche Revue passieren lassen. Meine Frau und ich haben den allabendlichen Beschluss gefasst, heute „wirklich früh“ ins Bett zu gehen und die Chancen für die Umsetzung stehen ausnahmsweise nicht schlecht.
Nur noch einmal kurz gemeinsam kopfschüttelnd durch die Kanäle zappen. Durchschnittlich brauchen wir zwei Sekunden, um in sprachloser Übereinstimmung weiterzuschalten (bei Musiksendern geht’s aus bekannten Gründen weitaus schneller).
STOPP! ZURÜCK!!
Was machen die da?
Die spielen Karten.
Ich äußere nach einigen Minuten die Frage, ob ich überarbeitet bin oder ob das tatsächlich spannend ist. Wir sind uns (mal wieder) einig und da wir uns schon eine ganze Weile kennen, sind uns auch die Spucke-Rinnsale, die am Kinn entstehen, wenn man den Mund zu lange staunend geöffnet lässt, nicht peinlich.
Weitere Minuten vergehen in reiner Observation des leuchtenden Monitors.
Fünf Männer, eine Frau und eine weitere, wechselnde Person, die Karten verteilt, sitzen an einem großen Tisch. Vor ihnen Berge von Chips (vor uns auch, aber die sind geradezu wertlos und mit Salz und Essig gewürzt). Die Männer pokern. Im Fernsehen, nein, auf Eurosport. Auf EuroSPORT!
Mein interner Speicher streicht „Billard“ von Platz Eins meiner Lieblingssportarten im Fernsehen und setzt stattdessen „Poker“ ein, noch bevor ich die Regeln komplett verstanden habe. Klar ist: Wir beobachten das Finale der Wasweißich-Meisterschaften im Pokern, live (?) aus Dublin, Irland.
Zwei ungeheuer kompetente Kommentatoren begleiten das Spiel spekulierend und erläuternd mit gedämpfter Stimme, als würden sie unter dem Spieltisch kauern. Dezente Einblendungen veranschaulichen das Spielgeschehen.
Der Clou jedoch ist, dass wir den Spielern (und der Spielerin!) als Fernsehzuschauer wortwörtlich in die Karten schauen können. Denn am leicht erhöhten Rand des Tisches wurde an jedem Spielerplatz eine kleine Kamera installiert. Die Spieler heben ihr Blatt kurz an und so wissen wir das, was alle Mitspieler gerne wüssten.
Das macht das Spiel spannender. FÜR MICH!
(Shir Khan der Tiger in Disneys Version vom „Dschungelbuch“)
Wir diskutieren die Regeln (eigentlich diskutieren wir, ob wir die Regeln auch nur ansatzweise richtig verstehen) und sind damit genauso gut beschäftigt wie die Spieler (und die Spielerin!) mit ihren Entscheidungen zum Spieleinsatz der jeweiligen Runde. Wir lernen, dass bei einem Einsatz des gesamten Guthabens komplett „offen“ gespielt wird, und wir lernen weiter, dass derjenige aufstehen muss, der nach genau diesem „All-In“ Gefahr läuft, ganz aus dem Spiel zu sein. Er (oder sie!) kann dann schneller verschwinden. Ja, beim Pokern geht’s um Ehre.
Verschwinden müssen dann auch bis zum Mann-gegen-Mann-Finale vier Leute. Immer mit dem Lächeln des guten Verlierers (und der guten Verliererin!), immer mit Interviews im direkten Anschluss, aus denen wir erfahren, dass diese Leute tatsächlich professionelle Poker-Spieler (und Spielerinnen!) sind. Oder sagt man „Pokerer“? Oder gar „Pokermons?“. Hihi?
Während wir noch gewisse Spieldetails diskutieren, steht der Gewinner fest. Es ist der Mann, der im anschließenden Gespräch erzählt, dass er schon als kleines Kind seine Kumpels abgezockt gerne gespielt habe, damals natürlich nicht um Geld, sondern um Murmeln. Sagt er.
Und er strahlt. Zu Recht. Denn er hat gerade 91.000 (einundneunzigtausend) Euro gewonnen.
Wir notieren unterdessen die nächsten Sendetermine (zu finden bei europeanpokertour.com) und ich erwäge ernsthaft, jetzt doch mit Sport anzufangen.
Anmerkung: Es kann auch sein, dass wir einfach völlig breit übermüdet und deshalb so begeistert waren, denn wir haben beide eine halbe Stunde gebraucht, um beim nachfolgenden Programm unsere Frage „Und was ist DAS jetzt wieder für eine abgefahrene Sportart?“ dank der Erkenntnis beantwortet zu bekommen, dass wir mittlerweile beim Naturdoku-Sender Terranova gelandet waren.
Hallo
Hehe köstlich geschrieben. Mein „Sporterlebnis“ hatte ich wohl bei der Weltmeisterschaft im Dart der Damen. Das ganze ging so schnell, daß ich kaum einen Wurf mitbekommen habe. Auf jeden Fall hat Österreich gewonnen…
Paul
Ha! Da kommt Eurosport ca. 35 Jahre zu spät! Im schweizer Fernsehen gibt’s (bzw. gab es scheinbar sei Mitte der 60er) eine Sendung mit dem schönen Namen „Samschtigjass“. Da sitzen dann eine halbe Stunde lang vier Leute an einem Tisch, spielen ein mir absolut unverständliches Kartenspiel und reden in härtestem Schweizerdeutsch miteinander. Ohne um Geld zu spielen, einfach nur zur eigenen (und meiner) Belustigung. Und wie mir Freund Google gerade flüstert, war das wohl sogar die am längsten laufende Unterhaltungssendung im schweizer Fernsehen. Herrlich unspektakulär. Wie viele andere Sendungen dort auch. Was in Zeiten von Klingeltonwahn, Burg & Co unglaublich angenehm ist.
Also, ich finde ja Giga-esports auch recht kurzweilig und hängenbleibenswert, wenn auch sicher nicht so entspannend wie Eure Lieblings-Sportprogramme.
Ein paar treffende Bemerkungen zu dem Thema gibts auch hier:
http://www.3headz.de/blog/index.php?title=mein_name_ist_leiche_ich_arbeite_hier&more=1&c=1&tb=1&pb=1
Gott sei Dank hab ich kein Fernsehen mehr ;)
1. Dart
2. Trickshot-WM beim Billiard
3. Sumo-Wrestling („Salzstreuerringkampf“)
Bei alle anderen Sportarten bekomme ich immer so ein Kribbeln und muß sofort selbst raus laufen oder an den Fels.
Also das Pok*rn jetzt auch mit Fernsehübertragungen bedacht wird ist echt mal neu für mich. Aber wenn ich Ausdrucklose Gesichter sehen will die dem Gegenüber Verwirrung auslösen und auf die maximale finanzielle Rendite aus sind, dann kuck ich den Börsenteil auf NTV oder N24. Und das Sport seine Bedeutung als körperliche Aktivität eingebüßt hat ist mir aber ohnehin schon lange ein Dorn im Auge. Für uns Mediengemästete Unsport Jugend ist doch jede wettkampf-orientierte-Eventveranstaltung ein Sport.
Wenn mehr als 3 Menschen jeden Monat regelmäßig Geld für „Equipment“ oder „Training“ ausgeben. Wenn Menschen die sich besaufen und bewusst im Stadion Keile anfangen „Fussballfans“ heissen dürfen.
Keine weiteren Fragen!
jaja der Samschtigjass.
Wie der name schon sagt, sitzen die dort ganz unspektakular und jassen zusammen
Alte Leute zahlen auch Gebühren hier in der Schweiz!
Komisch das mein trackback ping hier anscheinend nicht funktioniert hat.
Dann halt manuell: http://pecret.busythumbs.com/entry_id/81320/action/viewentry/
OT: wie machst Du beim spontanen Zappen so astreine Screenshots vom Fernseher?? Bist Du etwa komplett auf DVB-T am PC/Mac umgestiegen? Und hast Du zufällig einen Tipp, ob/wo es gute USB-Lösungen gibt, die eben an Mac UND DOSe laufen? — Fiel mir eben so auf.
In Amerika gibt’s das schon … jenseits der Sport-Sender. Weshalb ich jetzt mal zu behaupten wage: Im Herbst 2005 wird VOX eine Sendung namens Celebrity Pok*r Showdown ausstrahlen. Wie die Iren, bloss mit mehr Irren. Unbedingt dabei in der ersten Show: Jürgen von der Lippe, Hella van Sinnen, irgend ein Jungschauspieler (fliegt als erster raus), ein netter Sportler, der letzte Big Brother-Gewinner und Xavier Naidoo.
Jetzt hat WP meinem Kommentar gegessen. Oder wertden hier erst approved?
Okay, jetzt hab ichs zwei mal getippt und jedes Mal hat WP meinen Kommentar gewillt. Johnny, hast du zufaellig P*ker in den Commentspam-Filter eingetragen? Das waer in diesem Fall etwas unguenstig :)
Versuchen wir’s doch mal mit Reizwortvermeidung: In Am*rika gibt’s das schon – jenseits der Sportsender. Weshalb ich jetzt mal die kühne Prognose wage, dass Vox im Herbst 2005 eine Show namens C*lebrity P*ker Sh*wdown ausstrahlen wird. Wie die Iren, bloß mit mehr Irren. Unbedingt in der ersten Show mit dabei: Jürgen von der Lippe, Hella van Sinnen, irgend ein Jungschauspieler (fliegt als erster raus), ein netter Sportler, der letzte Big Brother-Gewinner und Xavier Naidoo.
Btw: Hier in Nordamerika ist das jetzt schon seit einer Weile in, „Reality“ Pok*r im Fernsehen. Mit celebrities, und mit solchen, die es werden wollen ;-)
http://www.thepok*rforum.com/pok*rontv.htm
/Frank
Aber lustig ist es schon, dass ich seit Monaten von P***r-Spam beballert werde, daher natürlich das Wort im Filter habe und mich damit für diesen Artikel sehr hübsch selbst überlistet habe… :)
So. alle wieder drin. Ich bereinige das jetzt nicht, aus reiner Faulheit. Beim posten von Kommentaren bitte Pok*r schreiben oder so. :)
@Martin: Ich hab einen HD-Videorekorder von KISS (leider nicht die Band), auf den ich per ftp vom Mac zugreifen kann. Bei solchen Geschichten ist das enorm praktisch, einfach ein paar Sekunden aufnehmen, Datei rüber zum Mac und Screenshots machen.
Letzthin gabs da einen wunderbaren Artikel im Wochenmagazin des Tagesanzeigers: http://www.dasmagazin.ch .
Es gibt da sogar einen Schweizer, der Profi-Pok*rer ist. Unglaublich aber wahr. Laut Artikel gibt es 2 verschiedene Arten von Pok*rspieler: Die aus der alten Schule spielen meist nach gefühl (den Gegner psychologisch durchschauen) wärend die Jüngeren sehr viel mit Wahrscheinlichkeiten herumrechnen. Die beste Frau z.B. hat einen Universitätsabschluss in Mathe (und sieht überhaupt nicht „hartgesotten“/undurchschaubar aus). Einer von denen meinte das Spiel sei ganz einfach: du müssest nur herausfinden was dein Gegner denkt, dass du denkst, dass er denkt, dass du denkst…
In den Turnieren (in Las Vegas logischerweise) können alle Leute mitmachen, die ein Startgeld von 10 000 + Einsatz nicht scheuen. Am Anfang werden dann die Leien schnell fertig gemacht und zum Schluss wirds dann richtig knifflig. Gewinnen können eigentlich alle, es komme immer auf die Tagesform und das Glück bei den Karten an, weil die Profis alle auf etwa demselben Niveau spielen.
Danach gehts dann gleich weiter in die normalen Spielbuden, wo ahnungslosen Leienspielern das Geld mal flott aus der Tasche gesogen wird. Aber dort kann man keine Sponsoren beeindrucken und zu gewinnen gibts da auch nicht soo viel.
Die Turniere werden übrigens nicht live ausgetragen! Es gibt immer etwas delay, weil sonst beschissen werden könnte.
Aber schon interessant das…
This suspension set a precedent for succeeding eco- nomic crises; 1819, 1837, 1857, and so forth. ,