Zurück aus Berlin.
Ratlos.
Waren die ausgelassenen Feierer auf dem Ku´damm jetzt Ironiker (So sehen Sieger aus)? Übten sie sich in Bescheidenheit (Dritter ist auch schon was)? Waren sie größenwahnsinnig (Scheiß´auf Italien. Wer Weltmeister ist, bestimme ich)?
Ich kann es nicht sagen.
Ich weiß nicht einmal, welches Gefühl bei mir überwiegt.
Wo steht Deutschland?
Deutschland ist der erfolgreichste Teilnehmer der letzten beiden Weltmeisterschaften.
Deutschland ist bei den letzten beiden Europameisterschaften in der Vorrunde ausgeschieden.
Mal ganz erfolgreich, mal niederschmetternd schlecht, dazu steht im Brockhaus:
Mittelmaß.
Aber Deutschland will nicht Mittelmacht sein, wollte es noch nie.
Platz an der Sonne, wo bist du, Sonnenlicht, bescheine uns!
Die drei in der Überschrift genannten Spieler sind einerseits willkürlich ausgewählt, weil sie klanglich so schön passen, andererseits stehen sie stellvertretend für das, was dem deutschen Team unter anderem fehlte.
Deutschland hatte keinen Spieler wie Hernan Crespo. Ein Spieler, der selbst völlig aus der Form, ja sogar kaum am Spiel teilnehmend, drei Tore erzielte. Sowohl Podolski als auch Klose (der besonders) müssen übermäßigen Aufwand betreiben, um ein Tor zu erzielen. Dass ein Tor einmal nur wegen ihrer körperlichen Anwesenheit fiel, wie “Crespos” Tor gegen Mexiko, so etwas kam nicht vor.
Deutschland hatte keinen Spieler wie Robben, der abgekoppelt von der Form seiner Mitspieler ein Spiel prägen könnte. Schweinsteigers zweieinhalb Tore gegen Portugal waren die Du-Darfst-Leberwust-Version dessen, was Robben gegen Serbien-Montenegro aufführte.
Am bittersten aber war, dass es keinen Stefan Kuntz gab.
Ein Spieler, der schon mit 24 Torschützenkönig wurde und 1991 sogar Fußballer des Jahres war, der aber erst im Spätherbst seiner Karriere mal den Adler tragen durfte.
Wie sagte Berti Vogts?
Die Breite an der Spitze ist dichter geworden.
Ist sie nicht. Die Nationalmannschaft hat sich selbst aufgestellt, außer den elf Dauerspielern und den beiden Einwechseldiven kam nur Ballast mit, damit der Mannschaftsbus nicht umkippt (Fußballer haben die Neigung, sich alle auf dieselbe Seite zu setzen, das resultiert aus der Angst des Profis, benachteiligt zu werden).
Wo bekommt man nun solche Spielertypen her, Strafraumschlangen, jugendliche Wunderdribbler und Rekordtorschützen, mit denen man seinen Leuten Druck machen kann, die man aber, um der ganzen Welt zu zeigen, dass man im Überfluss lebt, zuhause lässt?
In anderen Worten: Wie kommt der deutsche Fußball an die Weltspitze?
Ein erster Ansatz: Nuri Sahin (geboren in Lüdenscheid, türkischer Nationalspieler), Ivan Klasnic (geboren in Hamburg, kroatischer Nationalspieler) und die Altintops (beide geboren in Gelsenkirchen, türkische Nationalspieler) sind Goldfüßchen, die ein Rollstuhlfahrer wie der DFB nur aus Ignoranz am Wegesrand stehen lassen kann.
Aber das ist eine andere Geschichte.
Über alles andere muss ich noch ein wenig nachdenken.
Grundloses Feiern verklebt die Synapsen.
Zu Crespo kann ich nur sagen: Von einem Spieler, für den in den letzten zehn Jahren insgesamt 121 Mio. Euro ausgegeben wurden erwarte ich sowas jeden Tag. Crespo ist für mich einer der am meisten überschätzten Spieler überhaupt.
Zu Kuntz bin ich etwas ratlos. Ist es etwa schelcht, dass der DFB mal zur Abwechslung nicht mit einer Rentnerband sondern mit jungen talentierten Spielern angetreten ist? Hmmm…
He, komm mal wieder runter! Deutschland ist an der Weltspitze. Ein dritter Platz bei der WM sollte doch wohl genug sein, um das den ewigen Zweiflern und Jammerern (also Leuten wie dir) zu beweisen, oder? Und daß das kein Ballast war, der da den Mannschaftsbus füllte, hat man ja wohl im letzten Spiel gegen Portugal gesehen. Also ich habs jedenfalls gesehen.
Einspruch Herr Solotoj!
Ohne jetzt die Leistung im letzten Spiel gegen Portugal schmälern zu wollen: Hitzlsperger, Asamoah, Hanke, Kehl und Nowotny wären ohne Probleme von den daheim gebliebenen Alternativen (Owomoyela, Ernst, Kuranyi etc…) zu ersetzen gewesen und niemandem von uns wäre das irgendwie aufgefallen.
Die Mannschaft steht und wird sich zumindest bis zur EM 2008 nicht mehr großartig verändern. (Dabei müsste z.B. ein Schneider bald mal in NM-Rente, aber warum auch – wenn Psycho-Deisler nicht spielen kann und ein Odonkor vor lauter Turbo den Ball verliert?)
Ballast ist zwar etwas fies formuliert, aber wir sind ja hier nicht zum Spaß hier :->
Einspruch (auch zu dem Kommentar bei fanfaktor).
Ich will keinen Kuntz in der Mannschaft. Ich will eine dermaßen ausufernde Masse von Klassespielern, dass man den Spieler des Jahres zuhause lassen kann.
Das ist eine Sehnsucht, keine Strategie. Heute schießt man ein paar Tore in der zweiten Liga und ist die einzige Sturmhoffnung des deutschen Fußballs. Dass diese Luxuszeiten vorbei sind, ist nicht die Schuld von Klinsmann oder irgendeinem der momentan Verantwortlichen. Aber schön wäre es schon, einen Torschützenkönig nicht mitnehmen zu müssen.
Zu Sahin, Altintop etc: Sicher, noch keine Weltklassespieler. Aber wäre Zidane in Oberhausen geboren, würde er für Algerien spielen.
Ey, Jürgen hat mich (!!!) zuhause gelassen, also sind wir ja schon ziemlich weit. *grins*
Mir ist wurscht, ob die Jungs aus der 2. Liga oder aus der
Serie APremier League kommen. Wenn es eine Freude ist ihnen zuzuschauen und wenn sie außerdem noch ziemlich lange im Turnier mit dabei sind, dann haben sie ihren Auftrag erfüllt.da möchte ich ebenso wie @ home auch hier antworten, mein beitrag war ja nun nicht polemisch gemeint ;)
klose, podolski & neuville sind ja nun schon “verpflichtet” worden, erstere hätten durchaus auch für polen spielen können. odonkor wäre wenn ich es richtig in erinnerung habe auch für ghana eine variante gewesen.
bei altintop war damals meine ich sogar im gespräch dass er von sich aus nicht für deutschland spielen wollte. da liegt die crux (ausnahmsweise!) nicht im verband sondern im loyalitätsgefühl des betreffenden spielers gegenüber dem eigenen heimatland oder dem seiner eltern.
das man sich eine größere basis hochklassiger spieler wünscht ist klar. nur die vergleiche empfand ich einfach unpassend ;)
Als Schalkefan kann ich, was die Altintops angeht, sagen, dass diese ihre Entscheidung nicht wirklich selbst getroffen haben. Da war eine Menge familiärer “Sanftdruck” dahinter. Hamit und Halil scheinen beide kleine Muttersöhnchen zu sein (was im übrigen nicht abwertend gemeint ist) und es gab vor ein paar Jahren mal ein Interview von Hamit, in dem er sagte, dass es sich die Mama mit feuchten Augen doch soooo sehr gewünscht habe… Außerdem haben die auch einen Onkel, der gleichzeitig so eine Art Berater/Manager ist. Der hat in Interviews bereits zu Wattenscheider Zeiten nie einen Zweifel daran gelassen, für wen die Jungs später mal spielen sollen.
Generell fällt natürlich schon auf, dass der türkische Verband eine “Festspielen-Taktik” betreibt. Jeder auch nur halbwegs talentierte im Ausland geborene Türke wird mal eben zu einem unwichtigen Länderspiel eingeladen, empfindet das als große Ehre, bekommt dann in der 85. Minute seinen Einsatz und dann wird er wieder nach Hause geschickt, um erstmal ein paar Jahre abzuwarten, wie er sich entwickelt. Aus türkischer Sicht ist das natürlich sehr clever. Es liegt allerdings in erster Linie an der deutschen Gesellschaft, den Deutsch-Türken einen Anreiz zu bieten, für Deutschland zu spielen. Derzeit scheint die Identifikation mit dem Väter- und Großväterland einfach größer zu sein als für das Land, in dem man sein gesamtes Leben verbracht hat.
Die FIFA hat ja neulich erst das “Festspielen” neu geregelt. Unter gewissen, allerdings sehr eng begrenzten Umständen ist es jetzt möglich, dass man nach zehnjähriger Pause doch wieder für ein anderes Land spielen darf. Auf der anderen Seite hätte sich Kuweit (oder war war’s?) vor zwei Jahren beinahe eine Nationalmannschaft aus Brasilianern zusammengekauft – unter anderem sollte ja auch Ailton da antreten. Hier hat die FIFA im Schnellverfahren aber noch einen Riegel vorgeschoben.
Keine Ahnung wie man das mit dem “Festspielen” neu regeln könnte, aber es muss irgendwann neu geregelt werden. Dann zwar auch streng, um Zustände wie im deutschen Eishockai (wie Xaver Unsinn immer so schön sagte) der 80er Jahre zu vermeiden, aber auch mit Freiheiten. Vielleicht indem man sich auch bei A-Länderspielen, die keinen Turnier- oder Qualifikationscharakter haben (also wirklich nur reine Testspiele sind) generell nicht mehr festspielen kann. Oder indem man die Zeitspanne von 10 Jahren Sperre auf sechs herunterbricht… Dann zumindest hätte ein Fußballer, der mit 17 Jahren mal für ein anderes Land gespielt hat, zumindest noch einmal die Wahl.
Die skurrilste “Festspielen-Praxis” gibt es übrigens meines Wissens bei den Briten. Dort hat ein im Ausland geborener Brite (z.B. ein Soldatenkind) die freie Auswahl, für welchen britischen Verband er spielen möchte. Wenn der Vater Engländer und die Mutter Waliserin ist, kann es durchaus vorkommen, dass der Sohn für Nordirland spielt.
Seitdem das “Festspielen” nur noch durch A-Länderspiele möglich ist, haben die Verbände Chancengleichheit und es ist gesichert, dass halbwegs Erwachsene Spieler sich frei entscheiden können. Wobei “frei” natürlich wie immer ein sehr dehnbarer Begriff ist. Mit Sahin eine Woche vor der Entscheidung, ob er nun für die Türkei spielen soll oder nicht, erstmals über die Zukunft in der Nationalmannschaft zu sprechen, während auf der anderen Seite die halbe Türkei an ihm zieht, ist allerdings reichlich naiv.
In Zukunft muss da engagierter vorgegangen werden, man muss die Eltern in die Gespräche einbeziehen etc. Das ist ein umfangreiches Thema, zu dem man eigentlich richtige journalistische Recherchearbet leisten müsste.
Da stößt man als Blogger an seine Grenzen. Mal schauen, was da geht.
vielleicht kann man ja einen kollegen aus dem genre daraufstossen ;)