Manche Leute sagen, Fußball sei eine Sache von Leben und Tod. Ich versichere Ihnen, es ist viel ernster als das.
Bill Shankly
Dem unbekannten Gesprächspartner in jenem unbekannten getränkeorientiertem Kleinbetrieb, der mir erklären wollte, Fußball zu mögen ginge auch ohne Emotionen.
Als wir früher, jung und idealistisch, im Mittelkreis saßen und You never walk alone auf der Gitarre spielten, und der Wind durch unsere viel zu langen Haare wehte, begannen wir zu träumen von einem Fußball ohne Krieg. Der Torwart hatte vorgeschlagen, den Fußballsprech zu befrieden und die ganze schiefe Kriegsmetaphorik zum Teufel zu jagen. Der Traum währte nur eine Nacht.
Wir waren der Aufgabe schlicht nicht gewachsen. In jeder Ecke des Fußballsprechs versteckt sich der böse Krieg, ob nun in den ganz einfachen Wendungen: Schuß, Stürmer, Legionär, Fußballfestung; oder in den etwas komplexeren Metaphern: Fußballschlacht, deutsche Panzer, und so weiter. Wir wurden pragmatisch, sahen ein, dass wir dagegen eh nicht ankamen und furzten in unsere Sessel. Wir einigten uns darauf, dass seit den 50ern zum Glück einiges passiert sei, weil jetzt ein Hammer Hammer heißt und nicht mehr Bombe. Immerhin.
Dann entdeckten wir die Ironie, die Simpsons und den Erfolg; wir setzten Fett an und fieberten in der Champions League für die Bayern oder Dortmund mit. Wegen dieser Dingsda-Rangliste. Internationale Startplätze und so. Ehrlich gesagt, aus schierem Pragmatismus. Wir empörten uns ein bißchen über die Gazprom-Investitionen, weil Gazprom ja Mafia sei. Und sowieso konnten wir Schalke noch nie leiden. Über Bayer oder EnBW empörten wir uns nicht mehr: Wir fanden Atomenergie und Pharmaindustrie zwar nicht so toll, aber hey, irgendwann ist das Empörungspotential einfach abgeschöpft. Am Abend sanken wir in unsere Sessel und waren selbst zum Furzen zu müde. Einmal fanden wir Bremen sympathisch, ein andermal Stuttgart, und Freiburg sowieso, weil Volker Finke. Irgendwann wussten wir nicht mehr, wen wir überhaupt noch unsympathisch finden sollten, außer Holland. Und die Italiener. Und die Bayern. Außer international.
Und dann kam der Moment, an dem Fußball nichts mehr war als eine große Unterhaltungsshow, ein samstagabendliches „Wetten, dass…“ein angenehmer Zeitvertreib und sonst nichts. Zu spielen hatten wir längst aufgehört, auch zu fiebern, zu leiden, zu jubeln. Jugendsünden waren das. Von den Wutausbrüchen blieb nichts als ein verächtliches Achselzucken, vom Freudenschrei nichts als ein wissendes Grinsen.
Langsam aber sicher wurden wir mürrisch, die Emotionen der anderen störten beim distinguierten Pilstrinken. Wir gingen in die Bars, und wenn sie schrieen, diese anderen, dieses Volk, zogen wir die Augenbrauen gen Himmel. Und wir begannen, unserem Unmut Luft zu machen durch leise Grunsgeräusche. Bis uns dann der Kragen platzte. Beim nächstbesten Tor schnauzten wir den nächstbesten Jubler an: „Jetzt reiß dich mal zusammen und wasch Dich hinter den Ohren, Du!“ Und wenn er nicht spurte, dann beschwerten wir uns beim Barkeeper. Der mit den Schultern zuckte. Wir beschwerten uns wieder. Schulterzucken. Wieder. Schulterzucken.
Wir fühlten uns ignoriert, zu kurz gekommen, nicht ernst genommen. Da wuchs die Wut in uns, und dann – schrieen wir. Wir brüllten. Wir schimpften. Diese verdammten Ultra-Fans, warum sind die nicht alle im Stadion. Wir wollten doch bloß in Ruhe… Bier und Fußball… Erholung von Familie und Arbeit… das muss doch möglich…
Da zuckte der Barkeeper nicht mehr mit den Schultern, sondern zückte die Rechnung und zerrte uns hinaus. Die Enttäuschung trieb uns die Tränen in die Augen: Wir waren niemand. Niemand. Und wir waren Legion.
Von da an zogen wir fußballnachmittags um die Häuser, gingen in die Bars und führten unseren Krieg. Den Krieg der Verachtung gegen die Emotionen, gegen diese sogenannten Fans, gegen den Fußballwahn. Und der wird niemals enden. Nein, niemals.
also gut: dann können ja die emotionen jetzt mal pause machen. (Du willst nicht zufällig zum funny van dannen-konzert?)
…emotionen – da können beziehungen dran scheitern! wenn beispielsweise der, neben dem man frühs wohlgemut erwacht ist, sein uwe-bindewald-trikot anzieht und sich in der Alten Försterei in den Gästeblock stellt. abgründe!
Groß, ganz groß!
Ich weiß ja nicht, wen Du mit „wir“ meinst. Mich jedenfalls nicht. Ich habe nie selbst gespielt, flippe aber trotzdem (oder deswegen?) in Kneipen immer noch aus, wenn meine Bremer ihre Gegner abschießen. Gelingt das – wider Erwarten – nicht, bin ich selbstverständlich ein
Gott und die Welt verfluchenderweiterhin vollkommen ruhiger Fußballfan.