Dirk Pforzner sah bereits als Sechsjähriger aus wie ein IVECO-Vertragshändler. Dies wurde noch dadurch unterstrichen, dass er ein T-Shirt trug, auf dem IVECO draufstand. Das wiederum lag daran, dass IVECO der Trikotsponsor von Bayern München war. Bei allen guten Gründen, die dafür sprechen, Bayern München nicht zu mögen: Ich mag Bayern München nicht wegen Dirk Pforzner.
Seine Haut sonderte Schmiere ab, er roch seifig, seine Lippen waren seltsam unbegrenzt, sie faserten aus, er spuckte beim Reden und fasste mich dabei an, er war großspurig, laut, ein Angeber. Und mein Freund. Das ließ sich auch gar nicht vermeiden, denn wir gingen in dieselbe Klasse, wir spielten Fußball miteinander, da, wo ich war, da war auch Dirk Pforzner. Seine Anwesenheit fühlte sich klebrig an, schon nach wenigen Minuten bekam ich in seiner Nähe Kontaktneurodermitis und Schwindelgefühl. Aber er war ja mein Freund und er liebte mich, wenn auch unaufrichtig (er war ein notorischer Lügner), so doch ausdauernd.
Jeden Tag packte er aus seinem Schulranzen zwei Brötchenhälften aus, die jeweils eine Scheibe Pumpernickel als Gegenpart hatten und mit glitschigem Schinken belegt waren. Und einen leuchtend grünen Apfel. Sollte ich jemals ein sexuell unersättliches Supermodel kennen lernen, das mir in drei Worten das Gesamtwerk Niels Bohrs zusammenfasst, ich verließe es, wenn es Pumpernickel, Brötchen, schmierigen Schinken und einen leuchtend grünen Apfel kombinieren würde.
Einmal in den Sommerferien war ich für einige Wochen ohne Dirk Pforzner. Die Kontaktneurodermitis war nur noch eine ferne Erinnerung, ich konnte frei durch die Nase atmen, mein Geist war klar und unverkrampft, ich war erholt und machte Purzelbaumparaden. Da träumte ich, Dirk Pforzner sei verfrüht aus dem Urlaub heimgekehrt. Schweißgebadet wachte ich auf, schlurfte zitternd in die Küche, machte mir Frühstück, es klingelte an der Tür – Dirk Pforzner, die Haut rot wie sein IVECO-Shirt, stand strahlend vor der Tür und verpflichtete mich zu einer Tour mit unseren BMX-Rädern. Meine Haut fing an zu jucken.
Endlich stand der Wechsel von der Grundschule zum Gymnasium bevor, ich würde wieder frei und glücklich sein. Selbstverständlich (Gott würfelt nicht, aber er ist manchmal ein echter Teufel) wurde Dirk Pforzner bei derselben Schule wie ich angemeldet, wir waren ja Freunde. So saßen wir jeden Morgen gemeinsam im Bus zur Schule, Dirk machte Witze über Behinderte, Mitschüler mit Brille, Alte, Kranke, Ausländer und Verteidiger, denen die Wunderstürmer des FC Bayern Knoten in die Beine gespielt hatten. Ich war ein körperliches Wrack, entwickelte erste Symptome der Lepra, fing hysterisch an zu lachen, wenn ich Franz Josef Strauß sah (mit dessen Sohn Max Dirk Pforzner eine verblüffende Ähnlichkeit hatte) und fing an, Aufkleber zu sammeln, um meine Nerven zu beruhigen.
Nach zwei Jahren endlich blieb Dirk Pforzner sitzen. Ich sprach Dankgebete, opferte sogar ein Lamm und ein Brötchen samt Pumpernickel und schmierigem Schinken (den leuchtend grünen Apfel konnte ich nicht auftreiben, wahrscheinlich hatte Mutter Pforzner, eine tadellose Hausfrau, sie selber bemalt) auf unserem Hausaltar. Ich sah Dirk Pforzner von da an nur noch ab und an auf dem Schulhof dabei zu, wie er den Jüngeren von Paul Breitners Heldentaten berichtete und winzige Menschlein mit Brille verprügelte.
Eines Tages fingen wir auf dem Sportplatz, umringt von Dutzenden von Schülern, an, uns zu prügeln. Ohne besonderen Grund. Und doch so berechtigt. Nach wenigen Griffen hatte ich gewonnen, ich fragte ihn: „Hörst du auf?“, er schnaufte, ich ließ von ihm ab, drehte mich um – und er wälzte sich auf mich, robbte mit seinem Bauch über mein Gesicht, er schleimte mich voll. Dirk Pforzner hatte mich zermatscht. Mir war danach, mich weinend unter eine Dusche zu setzen und Tokyo Hotel zu hören, leider waren die damals noch nicht erfunden.
Heute ist Dirk Pforzner übrigens IVECO-Vertragshändler. Aber das ist nun tatsächlich keine Pointe.
wann kommt johnny denn wieder? der ist wenigstens in einer aufrgenderen zeit grossgeworden! gääähn“¦
Wenn man das so liest (Kinder, die aussehen wie Max Strauß, Iveco-T-Shirts tragen und Bayern-München-Fans sind) könnte man meinen, Du seist in einer bayerischen Kleinstadt aufgewachsen. So wie ich, übrigens …
„seine Lippen waren seltsam unbegrenzt“, „opferte sogar ein Lamm und ein Brötchen samt Pumpernickel und schmierigem Schinken … auf unserem Hausaltar“, „Ohne besonderen Grund. Und doch so berechtigt.“
Erwähnte ich schon mal, dass ich Dich liebe?
;-P
Sehr geehrter Herr Welding,
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Lebensweisheiten
mit irgendwelchen ‚Metaphern‘ sollen uns Nachdenklich stimmen.
Denk
Deng
Think
…
Alexander: Gröhl!
malte, zieh die wollmütze wieder an…
„seine Lippen waren seltsam unbegrenzt“ das ist wirklich toll. ansonsten fand ich micaela interessanter. gibts da noch ne fortsetzung?
@ heidrun
ja, micaela hatte mehr sex, mehr hunde, mehr tränen. aber tiefere spuren hat dirk hinterlassen. fortsetzung ist nicht geplant.
mein dirk hiess guido v. und wir haben uns in der 7. klasse vor biologie geprügelt. das war auch meine einzig echte schlägerei in meinem leben. ich habe übrigens auch aufkleber gesammelt…alle möglichen. oder sammeltestest du bestimmte?
nein, ich war da wahllos. das war übrigens auch meine letzte schägerei. obwohl gar eine schläge ausgetauscht wurden.
dafür bist du jetzt legastheniker, du traumatisierter :-)
Gut, dass ich nicht Pforzner heiße. Ich dachte ja zuerst, endlich mal ein Artikel auf Spreeblick über mich, aber das wars dann diesmal doch noch nicht. :-)
googles unkenntnis schützt vor anwälten nicht – arbeitet dirk p. jetzt nicht als hütchenspieler im tv?
besorgt:
Wir hatten alle einen Dirk, oder?
Hm, der zweite Abasatz könnte genauso auch von Strunk sein, ich meine, dieser Hang zu Adjektiven wie schmierig, seifig, etc. Herrlich :-)
Malte, du bist gemein.
Na, wenn da mal nicht ne Abmahnung um die Ecke winkt! Das ist rufschädigend sowohl für Herrn P. als auch für IVECO!
schöner Text; macht mich sentimental, auch (oder weil?) wenn die Schule fast 20 Jahre her ist…
da! da ist er wieder! mein eindruck. der eindruck, dass du spreeblick als übungsplatz für deine rethorischen ergüsse nutzt.
malte, mein tipp: schreib ein buch. es wird gekauft und gelesen. doch, ich bin mir sicher.
ich würde auf jeden fall eines kaufen. mehr, meeeehr davon.
sorry, ich bin gerade angetrunken. haha „angetrunken“. welch wort? „angetrunken“ is ja so gut wie „ein wenig verhauen worden“. ich bin also kwasi ein wenig angehauen worden. bitte hau mich weiter. schlag mich, gib mir tiernamen… harhar :D
ich bin ja wirklich betrunken.. ich leg mich hin.. jetzt…