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Kleines chirologisches Kompendium: Who the hell is Mickey Mouse?

Hier wird sich ja insgesamt viel zu wenig um Prominente gekümmert, und sowieso: es fehlt an Enthüllungen. Skandaljournalismus, das ist es, was man heute braucht, Exklusivmeldungen über die Befindlichkeit der Vorhaut von Dieter Bohlen, psychoanalytische Aufsätze über die Wahl der Brustbroschen anlässlich des Wiener Opernballs und kunsthistorisch relevante Vergleiche zwischen den Brüsten von (bitte setzen Sie hier den Namen einer beliebigen RTL- oder Kinderkanal-Moderatorin) und Gebäuden aller Art (Iglu, Cheops-Pyramide, Tempelhofer Rollfeld). Ein sträflich vernachlässigtes Themengebiet! Enthüllungen! Wir brauchen Enthüllungen!

(Dann erfüllten wir auch die zu einem Verbleib im Internet notwendige, unumgängliche Ausrufungzeichenquote von mindestens 14 Stück pro Monat. Insgesamt neben dem Apostrophen das meistmissbrauchte Zeichen im Netz, das Ausrufungszeichen.)

Enthüllungen, sagte ich. Nehmen wir Micky Maus. Über Micky Maus lässt sich schlechterdings nichts sagen, außer was in den Büchern steht, und da: zu glatt, zu brav, zu gesetzestreu, mit einem Wort: bieder. Selbst ausführliche Recherchen in der British Library führten zu keinen nennenswerten Ergebnissen, das Leben der Maus ist skandalfrei wie das Blumenbeet des Altersheim für Ex-Automechaniker in Grünkraut (falls es das gibt).

Also, Alternativen zur Recherche, muss es auch geben, sonst wären die Boulevard-Blätter ja leer. In der Fußballberichterstattung (die ja im Grunde ein besserer Boulevard ist, und tatsächlich kommen die fähigsten Boulevardiers aus dieser Ecke geschlendert, bis auf Jörg Wontorra, der hat sich verlaufen) ist das ja auch schon gang und gäbe: Da werden Lippenleser engagiert, Gesten analysiert und aus Physiognomien werden flugs ganze Persönlichkeitsprofile. Bloß eine Wissenschaft ist bisher vernachlässigt worden, die Handleserei, oder – mit dem gebührenden Respekt gesprochen – die Chirologie. Die Hand, und das ist ja nun allgemein anerkannt, gilt als das Sprechorgan des Unbewußten und es ist deswegen unverständlich, warum sie nur im Falle obszöner Gesten in den Mittelpunkt der Berichterstattung rückt. Denn sie hat was zu sagen, die Hand. Wir müssen ihr nur zuhören.

Micky Maus ist da ein besonders interessanter Fall, weil die Handschuhe Farbe, Textur und Liniengeflecht der Hand verdecken. Das ist umso reizvoller, weil dann noch mehr Anlass zu Spekulationen geboten wird, und das (und nur das) garantiert die seriöse Berichterstattung.

Zunächst einmal ist festzustellen, dass Mickeys rechte Hand aussieht wie seine linke, und also sich weibliche und männliche, passive und aktive, vergangenheits- und zukunftsorientierte Seiten die Waage halten (dabei ist Micky Maus ja eigentlich ein Stier, aber seis drum: für umfassende Horoskope rufen Sie doch die 0180 etc an). Außerdem sind Mickys Hände im Vergleich zum Restkörper verhältnismäßig groß, was auf eine genaue, analytische und zurückhaltende Persönlichkeit schließen lässt. Und der Umriss rundet sich wie ein Pfannekuchen: Er ist also ebenso egoistisch wie großzügig, sozial kompetent wie einzelgängerisch, kurzum: charakterlos. Die breiten Handgelenke übrigens deuten auf ein temperamentvolles Wesen hin.

Problematisch wird es bei den Fingern, die ja alle gleich groß sind, außerdem fehlt einer, vermutlich der Ringfinger (Finger des Apoll), der eigentlich für Ästhetik und Liebe steht. Wahrscheinlich ist es dieses Manko, dass ihn Minni und ihren Schuhschrank überhaupt ertragen lässt.

Die übrigen Finger sind allesamt nicht gegliedert und alle gleich groß, das heißt Daumen (Venusfinger) und kleiner Finger (Plutofinger) verhalten sich überdimensioniert zu Zeige- (Jupiter) und Mittelfinger (Saturn). Daraus lässt sich schließen, dass Mickey zwar verantwortungsvoll, großzügig und intelligent ist, dafür aber skeptisch und persönlichkeitslos. Insbesondere die Neigung des Apollfingers erweist sich als aufschlußreich: Über die Handfläche hinausneigend zeigt es sexuelle Freizügigkeit an. Es liegt also nahe, hinter der Fassade, die Micky Maus sein soll, einen kleinen, perversen, aber doch intelligenten Spießbürger mit Hang zu sexuellen Anomalien zu vermuten.

Das kann jetzt erst der Anfang sein: jedenfalls soll Spreeblick nach meinem Willen sukzessive zur Celebrity-Seite ausgebaut werden. Demnächst nur hier und weltexklusiv: Neueste Erkenntnisse zu den Fingernägeln Freddy Krügers, den Marsbergen Paris‘ und Gottes fehlender Lebenslinie.

(Kommentare diesmal bitte nur telefonisch an die 0180 etc).

5 Kommentare

  1. 01

    Nichts gegen Mickey Mouse, immerhin der erste schwarze Comicheld.

  2. 02

    Das Wort ‚Comicheld‘ sieht echt ziemlich … äh, comisch aus ;-)

    Vorschlag:

    Nach Micky sollte nun das geheime Liebesleben von Daniel Düsentrieb untersucht werden – wenn ich mir nur vorstelle, aus was der alles Vibratoren usw. basteln kann könnte!
    Könnte? …oder hat? …oho!!

  3. 03

    Zu den Ausrufezeichen fällt mir nur ein Terry Pratchett – Zitat ein:

    „And all those exclamation marks, you notice? Five? A sure sign of someone who wears his underpants on his head.“

    Und wenn das nur bei 5 passiert, was geschieht dann erst bei 14? ;)

    Ansonsten mein ich irgendwann mal Mickey Mouse (anti-)nazi-cartoons gesehen zu haben die doch recht rassistisch sind, bin jetzt aber auch zu müde zu suchen (auf den ersten 3 google-hits waren die videos nicht mehr verfügbar)

    Naja, gute Nacht :)

  4. 04
    henker

    soweit ich weiß wurden diese zeichtentrickepisoden exklusiv für propagandezwecke erstellt

  5. 05
    Matthias (the one and only)

    Zur weiteren Lektüre empfehle ich Marc Degens“™ und Hajo Mönighoffs unübertroffene „Wahrheit über die Duck-Sippe“.

    Herausgegeben übrigens von der „Deuschen Organisation der nichtkommerziellen Anhänger des lauteren Donaldismus“ (D.O.N.A.L.D.).

    Ich sage euch, da tun sich Abgründe auf :)