Neues aus den Pariser Vorstädten, der Beton gewordenen Gewaltfantasie, Gotham City ohne Batman, Heimstatt marodierender Jugendbanden, Hort der Gewalt und der Anarchie und stille Reminiszenz an das Magdeburg des 30jährigen Krieges (oder so). In einem Musikclip zeigt die Gruppe Justice eine Jugendgang, die prügelnd, stehlend und grapschend durch Paris zieht. Parce qu’ils ont la rage. Und so sieht das aus:
Mnja. Alles drin: gewalttätige Jugendliche, teilnahmslose oder verängstigte Passanten, hyterische oder bewusstlose Opfer. Und, na klar, die obligatorische Autofahrt. Soweit. Das Video hat in Frankreich einen Aufschrei der Entrüstung provoziert, die Fernsehsender weigern sich, das Video auszustrahlen, es gibt Debatten. Das ist ganz gut für das Video. Und für die kommenden Marketingaktionen der Band. Justice darf sich jetzt in den Medien vorwerfen lassen, ein völlig abgedroschenes Bild von Jugendbanden aus den Cités zu zeichnen, um in die Medien zu kommen. Ich mag es ihnen nicht vorwerfen, denn offensichtlich geht das Kalkül auf: Am Ende stellt sich eher die Frage, ob diejenigen, die sich beschweren oder entsetzt darüber sind, dass man mit solchen Inhalten in die Medien kommt, als Mitarbeiter derselben Medien nicht ihren Beruf verfehlt haben.
Interessanter wird das ganze, wenn die Debatte in Deutschland strandet, bei SpOn zum Beispiel. Es ist eine Sache, den Artikel aus der Perspektive des völlig verängstigten Zuschauers, der der Brutalität, dem Horror und der sinnlosen Gewalt, ja: ausgeliefert ist, zu schreiben. Das kann man sogar als Hommage an den Film lesen. Absurd allerdings wird es ab der Mitte des Artikels:
Die Bilder erscheinen so echt, dass die Zuschauer ins Zweifeln kommen. Ist das vielleicht nicht geschauspielert, nicht gestellt, sondern Realität? Die Frage stellt sich. Vor allem, als zum Ende des Films ein Autofahrer aus seinem Wagen geprügelt wird. Echt oder echt gutes Kino?
Da wird die ohnehin schon stark bröckelnde Grenze zwischen Fiktion und Realität vollends durchbrochen. Breiter formuliert, heißen die Fragen: Stimmen die Vorurteile, die landläufig über die Banlieues kursieren? Passt die Denkkette Hoffnungslosigkeit – Gewalt (Subtext: Migrantenkinder, grauer Himmel und Plattenbauten) zur Realität? Wie weit würden die Jugendlichen gehen, wie egal ist ihnen die Zukunft? Sind die Vorstädte derart verkommen, dass sich daraus herstammende Jungs bei einer Unmenge von Straftaten und Gewaltakten filmen lassen würde, einfach so? Sind das die französischen Zustände, die auch hierzulande immer wieder mit schreckverzerrtem Gesicht herbeifabuliert werden, wenn in Neukölln ein Fahrrad umfällt?
Die Fragen bleiben, was sonst, unbeantwortet. Immerhin wird im weiteren Verlauf die französische Zeitungsdebatte angeschnitten. Immerhin.
Ansonsten arbeitet sich der Artikel an den gängigen Vorurteilen hierzulande ab: „Neues aus den Pariser Vorstädten“ heißt: Altes, Altbekanntes aus den Pariser Vorstädten. Immer die gleichen Motive, immer der gleiche, schockierte und ein wenig angewiderte Grundton, immer die gleichen Adjektive, immer der Vergleich zu La Haine. Um es auf französisch zu sagen: Bon, ça va. On a compris.
Es lohnt sich, mal in die Banlieue zu fahren und einfach zu kucken. Das ist nicht das Paradies auf Erden, nein. Es gibt tatsächlich angenehmeres, als RER zu fahren, ich habe selten in so kurzer Zeit so viele Handyklaus gesehen wie in den paar Monaten, die ich in der nördlichen Banlieue in Drancy wohnte, und „malerisch“ ist nur dann ein angemessenes Adjektiv für die Wohnsituation, wenn man 29.000 Jahren Kunstgeschichte auf Gregor Schneider und Francis Bacon reduziert. Und ja, es gibt ein paar Verhaltensregeln, die meisten bestehen aus zwei Worten, die entweder mit „keine“ anfangen und mit „Drogen“ enden oder sich auf einige Lokalitäten beziehen, die man nicht dringend aufzusuchen hat, weil andere Besucher die Verhaltensregel mit „keine“ und „Drogen“ nicht ganz so genau nehmen. Das wars auch schon.
Denn eigentlich ist die Banlieue vor allem und meistens eines: langweilig. Und eigenartig. Und arm. Aber, en somme, nicht sonderlich beängstigend. Inzwischen gibt es in Frankreich mehrere Arten, die spezifische Stimmung in der Banlieue einzufangen, lassen wir die doch sprechen. Mit das populärste Beispiel ist die „Canal+“-Serie Les Lascars.
Und auch Kronzeuge Kassovitz hat viel über die Vorstädte gemacht, seine Kourtrajmé (Kurzfilme) unter anderem, die sehr viel mehr über das Lebensgefühl in der Banlieue aussagen, als das bisschen Musikclip da oben. Im Chat de la grandmère d’Abdel Krim glaubt sich ein delirierender Typ von einer Horde Gewaltbereiter verfolgt und stolpert völlig besinnungslos durch die Straßen: Es gibt wohl kein passenderes Bild, um den Umgang der deutschen Medien mit den Banlieues zu veranschaulichen.
Vom unpathetischen, unboulevardesken künstlerischen Umgang mit der Banlieue kommt hier an: fast nichts. Doch, La Haine von Kassovitz. Na klar, großartiger Film. Aber das ist ein bisschen wenig. La Haine ist inzwischen 13 Jahre alt, und obwohl man den Film kaum genug würdigen kann, wäre es durchaus mal an der Zeit, das Vergleichsrepertoire um ein paar Register zu erweitern.
Was einfach wäre und keine große Umstellung: Vincent Cassel, der dank La Haine zu einem der wichtigsten französischen Schauspieler wurde, hat in der Verfilmung der Lascars eine der Hauptrollen übernommen. Der Film soll 2009 rauskommen. Es ist also noch Zeit, ein paar Vorurteile über Bord zu werfen. Enfin.
merci, fréd.
ich verstehe in der ganzen diskussion auch nie, wie man zu irgendeinem moment des videos annehmen kann, es handle sich nicht um fiktion. das ist doch alles überinszeniert und ausgerechnet die stelle, die spon dann als besonders intensiv wahrnimmt, ist die wo ich am heftigsten aussteige und wirklich gar nichts mehr glauben kann.
ich fände auch den vergleich mit mann beisst hund passender. oder mit dem „smack my bitch up“ video.
trotzalledem: der justice clip ist gut, ohne frage. aber er darf eben nicht überbewertet werden.
justice ist dämlicher endlos gehypter mist für die generation die es nicht anders verdient. langsam werde ich immer müder von der am rechenschieber kalkulierten wirkung diverser ach so schokierender videos und youtube virals. die aesthetik empfinde ich als sehr öde, die handlung sag mir nichts.
ich bin für griechenland: this is Joy Divisions'“Decades“ in greek:
http://www.youtube.com/watch?v=sw6SLWpka3s
@#676018: das ist ja mal krass. tolles ding.
@peer: ich habe das Gefühl das der Regisseur exakt das im Hinterkopf hatte, als er die Generation die es nicht anders verdient so zeigt wie du sie siehst. Kalkül – da gebe ich dir Recht.
…der „GutClip“ erinnert ziemlich heftig an die randalierenden Motorrad-Omis von Monty Pythons, so in allem, von der „Handlung“, dem „Style“ und dem „Sound“. Hyper, Hyper, Kinderchen, die Werbe-Onkels haben immer weniger drauf. Obwohl, ein paar Jacken mehr werden schon verkauft werden.
@#676029: Ich hab’s mir auch angehört und find’s gut. Mir gefällts. Ich hoffe der singt kein Schweinkram. kann einer griechisch?
Bloß hab ich mich gefragt, was das hier soll und dann grade auf:
„žAlle Kommentare…“ geklickt. ;-)
Neben dem Künstlerischen Aspekt gibt es doch auch die Realität.
Wer zu gewissen Zeiten sich in bestimmten Gegenden bewegt,
muss wissen, dass er Gefahr läuft von aggressiven Jugendlichen
bedrängt zu werden.
Als vorwiegend ÖPNV nutzender ‚Bürger‘ kenne ich mich einigermassen aus.
Hoffentlich gibt es auch noch andere -wohlwollende- Erfahrungen.
Fred, ich finde man kann dem Video schlecht vorwerfen, es stelle das Lebensgefühl in den Banlieues falsch dar. Diesen Anspruch hat es doch gar nicht.
@#676058: Hm, okay. Aber es bedient ein Klischee. Ein Banlieue-Klischee. Un das macht es gründlich. Aber darüber bin ich mir tatsächlich nicht sicher: Welchen Anspruch hat es denn?
@#676059: Wenn ich raten müsste: Gar keinen. Provozieren. Reaktionen hervorrufen, Diskussionen in Gang bringen. Die Leute dazu bringen, mal darüber nachzudenken, warum eigentlich ultrabrutale* Jugendliche durch ihre Städte ziehen und solche Sachen machen.
* frei nach Anthony Burgess (um die nächte popkulturelle Paralelle zu ziehen)
@#676061: Aber warum gerade diese Jugendliche nehmen als Beispiel?
Na, wen den sonst? Die aggressiven Jugendlichen von Paris sind nun mal aus den Banlieues.
@#676067: Das stimmt nicht. Das ist zwar die Grundaussage eines jeden dieser Filme (also doch: eine Aussage), aber es stimmt nicht. Und deswegen kann man dem Film doch vorwerfen, dass er das Lebensgefühl in den Banlieues falsch darstellt: weil er mit genau dieser Rezeption ja spekuliert.
was ja schon angeklungen ist sollte hier noch mal unterstrichen werden:
das ganze ist wohl offensichtlich als popkulturelle referenz zu verstehen… was an und für sich selbst schon mal ein alter hut ist (dieses ganze french touch-ding um pedro winter war ja immer für – mal besser, mal schlechter gelungene – anspielungen bzw. rekontextualisierungen von klassischen motiven gut)…
cliché rentiert eben. und ausserdem ist es ja ganz nett anzuschauen (von dem song redet irgendwie niemand – der ist doch mal echt missraten oder?)
arbeitstitel war bestimmt „clockwork born warriors beissen vor hass hanekes hund“
a propos haneke: ich versteh die aufregung garnicht… wenn man gewalt mal als das inszeniert, was sie ist (sinnfrei und beängstigend nämlich) regt sich gleich allewelt darüber auf… dass es in der banlieu in wirklichkeit garnicht so krass abgeht ist doch überhaupt nicht der punkt. gewalt um der gewalt willen darzustellen und das ganze mit der daraus erwachsenden zweifelhaftigkeit im raum stehen zu lassen ist doch wohl allemal besser, als wenn man das auch noch durch kohärenz adelt, wie es so manch andere gewaltdarstellung tut.
das ist insofern allemal intelligenter als wenn man bloß die normale glamour ghetto gangster plttitüden wieder aufwärmt. genau so unrealistisch, zwar, aber wer soetwas auf den leim geht, dem ist ohnehin nicht zu helfen…
und um gleich noch ein fass aufzumachen: die ganze authentizitätsproblematik von dokumentarfilmerei nimmt das ganze damit (so ganz nebenbei) auch noch mal mit auf die schippe…
paris ist sowieso ein einziges riesiges cliché… euro-disney. das da ist eben die geisterbahn…
@#676069: Ich kann schlecht beurteilen, ob die gewalttäigen Jugendlichen aus Paris alle aus den Banlieues stammen. Ich war mal eine Weile auf Schüleraustausch (!) in Vichy sous-Bois, und damals sah es ganz normal aus dort. Tagsüber. Nachts durften wir nicht auf die Straße…
Ich weiß aber aus den Medien, dass die Unruhen mit den angezündeten Autos vor allem in den Banlieues stattgefunden haben. Insofern gehe ich schon davon aus, dass diese Art von Jugendgewalt dort ihren Ursprung hat.
Daraus folgt m.E. aber noch nicht, dass das Video irgendeine Aussage über die Banlieues als Ganzes treffen wollte. Die Jugendlichen aus dem Video stehen dort nicht als Vertreter der Banlieues – sie stehen dort als die Vertreter der gewalttätigen Jugendlichen aus den Banlieues.
Also, den Aufschrei, der hier beschrieben wird, habe ich weder gehört noch erwartet… warum? weil
a) der aufschrei vor etwa einem jahr schon laut genug war. damals brannten autos und jeder beklagte sich, dass die banlieues die antigesellschaft verkörpern, bildungsstand + langeweile + milieu = no-future + gewalt
und ausser der letzten regierung hat sich dort auch nicht viel geändert.
b) hier in deutschland zwar keine autos brennen, aber das no-future sich durch komasaufen, fachkräftemangel und hooligans manifestiert.
c) es hierzulande auch niemanden stört, wenn auf mtv zur besten sendezeit bushido feat. blutwurst, sido & powerwolf songs mit unzweideutigen inhalten trällern ( „muss … geld … essen“, sido kann man einfach nicht zitieren )
zum video: die musik ist so eine art anheizender-industrial-abklatsch, und es wird genaugenommen die ganze zeit nichts als gewalt inszeniert. man sollte es in den charts platzieren und schauen, ob es in den banlieues am höchsten bewertet wird … oder wenn der gesunde menschenverstand reicht, solche sachen einfach nicht unter kultur sondern entartet ( ! ) oder abartig führen und verbieten.
@#676146:
@#676146: cool, da steckt wohl jemand ganz in der vergangenheit. „entartet“ und „abartig“, also dafür muss man ziemlich tief in die vermottete kiste der lingua tertii imperii greifen. und das passende gedankengut zu solcher art von „bewertung“ (bzw. der anmaßung zu entscheiden, wie „normale“ darstellungsformen in der kunst auszusehen haben) will ich auch nicht im nachbarshaus haben.
der musikclip ist ein toller, wenn man mich fragt. von der formalen seite sehr verdichtet, ist er stellenweise klar als nachfolge von, als anschluß an michael jacksons bad zu erkennen. natürlich weitaus grimmiger, gewalttätiger, „realistischer“, aber der wille zur stilisierung ist ja deutlich. teilweise wirkt die reihe der jugendlichen – man beachte den anfang – wie sie geschlossen voranschreitet, wie ein eigentümlicher tanz, im gleichschritt zu den ätzenden elektronikbeats. die strategien der authentifizierung – die wackelnde handkamera nicht als unbeteiligter beobachter, sondern als handelnder begleiter, die einen menschen dahinter vermuten lässt – werden ganz nach handbuch durchbuchstabiert. spätestens bei der autofahrt, in der es plötzlich zu einem gegenschuss kommt, die den gestohlenen wagen von außen zeigt (aber ohne kameramann darin, obwohl er doch vor einer sekunde noch vom hintersitz da drinnen filmte), ist nicht mehr anzweifelbar, dass der clip von vorne bis hinten durchinszeniert ist.
die frage, inwiefern hier eine einseitge darstellung der jugend der pariser vorstädte vorliegt, stellt sich mir nur bedingt. wenn nicht überall explizit stände, der clip würde in/um paris spielen, könnte ich jedenfalls keinen spezifischen ort aus den bildern ausmachen – geradezu abstrahierend werden prototypische musterorte durchwandert (plattenbau, tunnel, metro etc.). scheint doch alles eher wie eine kontextlose dystopie, die grau in grau und trist eine extreme möglichkeit von gewalt präsentiert – oder wie hier auch schon angedeutet wurde: überhaupt (die möglichkeit zur) gewalt überhöhend thematisiert.
@#676164: mmmhhh… man könnte fast denken, dass die begriffe, die heute so argh am pranger stehen, für viele dinge, die heute in den nachrichten so kommen, nicht mehr angebracht wären … wenn jemand seine exkremente auf irgendwelchen religiösen symbolen platziert und das dann kunst nennt, kann ich genausowenig verstehen, wie wenn jemand durch die strassen marodiert und alles zerstört was gerade im weg ist …
und ja, das könnte tatsächlich kunst sein, ich wage jetzt einfach mal zu behaupten, dass 90% der fernsehzuschauer nicht den intellektuellen standard haben um das so auszulegen, wie du das kannst… sondern eher von den bildern GEFORMT werden … O.O
also, wenn schon kunst für die elite, dann auch dort, wo es nur die elite sehen kann (ausstellungen, arte, gibt ja genug orte )
deinem letzten punkt würde ich übrigens zustimmen, der clip lässt sich nicht einordnen, und gerade das würde mich nervös machen …
@#676169: (1) dass jemand marodierenderweise durch die straßen zieht, find ich auch nicht toll. allein, in diesem clip – ja eigentlich eine anerkannte, fiktionale kunstform – wird diese gewaltorgie doch nur dargestellt. du verwechselst hier die handlung mit der darstellung der handlung.
(2) ob der clip kunst (im engeren, klassischen sinne – als originäres, orginelles werk) ist, interessiert mich nicht die bohne.
(3) du bist ziemlich vorurteilsbehaftet, was „90% der fernsehzuschauer“ angeht. und du legst dazu noch ein medienwirkungsmodell zu grunde, was nun wirklich schon in die jahre gekommen ist. so einfach funktionieren medien und ihre rezeption wohl kaum, dass die dargestellte gewalt (der inhalt des clips) gleich der reaktion/wirkung ist, also gleichsam gewalttätig macht.
(4) kunst für eliten? hui… also ich würde immer den offenen dialog über kulturelle phänomene vorziehen.
@#676164:
langweilig.
@#676089: Das ist ja schon ein geradezu klasisches Bild: die gewaltbereiten Jugendlichen aus der Banlieue. Inwiefern das Bild richtig ist oder falsch, sei mal dahingestellt: was mich ja in erster Linie stört, dass das die einzige Personengruppe ist, die in Deutschland in Zusammenhang mit den banlieues medial überhaupt erwähnt wird.
@#676164:
Hm. Die pariser U-Bahn ist sehr charakteristisch, das Sacré Coeur wird gezeigt, schon nach anderthalb Minuten. Ich glaube, das lässt nicht viel Spielraum.
@#676199:
… nicht viel spielraum für den eingeweihten, der besagte orte kennt. derjenige – davon gibst du ja ein beispiel – kann dann natürlich auch ohne größere probleme die im clip gezeigten zustände als übertrieben verifizieren. ich für meinen teil könnte die spezifische örtlichkeit nicht erkennen, wenn sie nicht überall im diskurs erwähnt werden würde. ich finde es halt nur ein bisschen schade, dass sich nicht mit der inneren spezifik des clips beschäftigt, sondern sehr schnell von außen etwas an ihn herangetragen wird. ich würde mich schon gern dahingehend aussprechen, dass – trotz deiner berechtigten einwände – der film in seiner tristheit ein eher abstraktes bild einer nicht weiter spezifizierten gesellschaft zeichnet. mir jedenfalls scheint er doch recht universell. für mich braucht das nicht paris zu sein. ansonsten kann ich mich ja sowieso nur deinem text anschließen und dem vorurteil verschließen.
Ich finde, du hast es getroffen, Bekay: Der Clip will keine politischen Aussagen treffen, sondern einfach nur in künstlerischer Weise ein bestimmtes Gefühl erzeugen. Eben ein Gefühl von Bedrohung, Gewalt, Stress. An diesem Maßstab sollte er gemessen werden, nicht an seiner allgemeinpolitischen Verbindlichkeit.
Ich denke aber schon, dass Teil der Darstellung ist, dass die Gewalt an bekannten, öffentlichen Orten stattfindet. Es geht ja gerade darum, dass die Jugendgewalt aus dem Topf herausspringt, in dem sie jahrelang gekocht hat (den Banlieues) und nun jeden treffen kann. Deswegen sind viele Orte eingebaut, die der französische Betrachter aus eigenem Erleben kennt: Sacre Coeur, die Metro, die Ringautobahn.
Also ich glaube eher dass die Franzosen mittlerweile amerikanische Verhältnisse der 80er und 90er Jahre haben.
Wenn man sich Rap-Videos der späten 80er und frühen 90er ansieht, kam da ähnliches zu Vorschein!
Wirklich schockiert werden vom Justice-Videoclip wohl nur PI-Leser sein. Bzw. Menschen, die noch nie The Warriors, City of God oder Wir Kinder vom Bahnhof Zoo gesehen haben.
Womit ich natürlich nicht die Eindringlichkeit des Gezeigten herunterspielen will. Doch die Geschichte der Jugendgewalt ist eine voller Missverständnisse und Übertreibungen; da ist keine Generation wirklich schlimmer als die vorherige.
@27 (Viva Hammonia):
Wie immer heisst darfst du auch hier Glauben nicht mit Wissen gleichsetzen.
Die damaligen US-Rapvideos waren auf ihre Art überinszeniert. Schließlich sind es Musikvideos – da wollen die Protagonisten mal so richtig auf die Kacke hauen und ihr Image festigen.
Ice Cube erzählte 1992 „Today I didn’t even have to use my A.K. / I got to say it was a good day.“; ein Satz, den man leicht abgewandelt auch von Bushido zu hören bekäme, würde man ihn danach fragen, wie er einen guten Tag definiert.
Als PS wenigstens eine kurze Bemerkung zur Tonspur dieses Happy-Slapping-Videos: Stress basiert auf einem DEVO-Sample. Nichts zu danken.
PPS: Im La Haine-Soundtrack vermixt wurde übrigens ein Lied, dessen Inhalt auf Gründe für die Jugendgewalt in den Vorstädten™ hinweist – „Sound of da Police“ von KRS-One.
Ah c´est trop bien, surtout la deuxieme vidéo :)
Super weiter so, interessant und entspannend gleichzeitig ;)
Tilly griff Magdeburg nur an, weil die Hochfinanz nicht zahlen wollte, sie spekulierte lieber ihr Leben im warten auf die schwedischen Freunde.
Dafür wurden die elenden Maßstäbe in Brutalität gesetzt.