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Popgun! 30 driftet zum Licht

Heute mit einer großen Portion Entrückung durch „Baroque psychedelia“ in Form von Fleet Foxes und ein klein wenig Stricken City, A Smile and a Ribbon und Grizzly Bear.

Der eine oder andere wird wegen der ausbleibenden Erleuchtung im Berliner Tiergarten enttäuscht gewesen sein. (Wobei sich mir auch aus einem Unverständnis heraus die Frage stellt – vorausgesetzt es stimmt wirklich was die Populärsoziologen sagen, nämlich dass sich der gewöhnliche mitteleuropäische Mensch erst in eine Schlange stellt und dann fragt was es gibt – so frage ich mich also, ob dieser Code als Teil unserer sozialen Programmierung in einem Upgrade inzwischen auch bei Großveranstaltungen ab 50.000 aufwärts abläuft. Wenn Schlange stehen also die Kerben in einer frühen Webstuhlwalze wäre, ist dann Straße des 17. Juni vollstellen wie ein Ruby CMS? Und vor allem: Was kommt als nächstes?)

Ich will für die gestern ausbleibende Erhellung einmal nicht die politische, aber die musikalische Unterhaltung verantwortlich machen. Namentlich Gentleman und seinen ganz persönlichen Groove. (An der Stelle schnell noch der kurze, unvermeidliche Hinweis, dass es natürlich nur einen Gentleman im Business geben kann.) Gentleman spielt dabei die Rolle des Pflegers, der den Reggae ins Altenteil, in die Waldbühne zur Oldie-Nacht des Jahres, rollt. Dabei helfen auch all die Aufforderungen zum kollektiven Schunkeln nichts, das ersehnte Delirium stellt sich auch nach stundenlangem Kopfwackeln nicht ein. Für psychedelische Visionen muss ein Gentleman-Konzertbesucher immer noch zu Halluzinogenen greifen.

Das hätte man auch einfacher haben können. Mit fünf Jungs aus Seattle zum Beispiel. Die sind, als Stigma ihrer Nicht-Etablierung, noch unrasierter als Gentleman, auch wenn sie vehement darauf bestehen keine Hippies zu sein („Don’t Let the Floppy Hats, Jesus Beards, and Five-Part Vocal Harmonies About Rivers,Trees, and Sunshine Throw You“). Die Fünf wurden mit einem Erleuchtungsfaktor von 10 auf der nach oben offenen Tom Cruise-Skala klassifiziert. Indikator dafür sind ihre Konzerte, auf denen Musikredakteure, die ja bekanntlich die härtesten Zuschauer überhaupt sind, vor Glück einer nach dem anderen ins Wachkoma fallen.

Die Rede ist von den Fleet Foxes. Seattle. Natürlich Subpop.

Was ist das also, was Fleet Foxes so strahlen läßt? Ist es ihr Bezug auf barocke und religiöse Konzepte? Der chorale Gesang? Die alten wärmenden Moog Synthesizer oder die schnarrenden Banjos? Ist es der Griff in unser aller musikalisches Gedächtnis, aufs Erbe der Beach Boys, Simon & Garfunkel und Crosby, Stills, Nash & Young? Die Postpopsongform? Der spröde Sound? Leadsänger Robin Pecknolds verfängliche Stimme? Oder doch alle fünf im Chor? Man ahnt worauf das hinaus läuft.

„Baroque psychedelia“ bezeichnen die Fleet Foxes ihren eigenen Sound, klingt durchaus treffend und würde auch hervorragend in das 60er Jahre Genrepuzzle passen, in dem jedes zweite Genre ein „Psych“ im Titel trug. Wo jetzt schon die ganze Zeit von Erleuchtung und Entrückung und fernen Jahrzehnten die Rede ist, auch noch kurz ein Zitat der Band, das einiges ins richtige Licht rückt, mich unglaublich milde stimmt und einigen Retrokritikern Wind aus den Segeln nehmen könnte:

„I don“™t really know what I“™m trying to say with this. It“™s not good to romanticize a time of great hardship, hardship I“™ve never known and am not conditioned to understand. I“™m also not interested in a „˜back to nature“™ thing, as nature as it was is gone for the time being and it would take a very big leap of faith and common sense to ignore that. But, music to me is just as awe-bringing as the world maybe once was, and I just love it a lot.“

Mein Erstkontakt mit Fleet Foxes ist gerade mal einen Tag her. Es war das folgende Video von Sean Pecknold zur Single ‚White winter hymnal‘. Ich stoppe hier mal weitere Beschreibungen, nach einem Tag Dauer-Fleet Foxes bin zu objektiven Betrachtungen einfach nicht mehr in der Lage:

[VIDEO] Fleet Foxes – ‚White winter hymnal‘

[MP3] Fleet Foxes – ‚White winter hymnal‘
[MP3] Fleet Foxes – ‚He doesn’t know why‘

Noch mehr Musik der Fleet Foxes findet sich auf Daytrotter, wo die Jungs die vier obligatorischen Songs eingespielt haben. Zum Download hier entlang bitte. Auf ihrer Myspace-Seite dann nochmal fünf Titel vom kommenden Album im Stream.

Das selbstbetitelte Album erscheint bei uns am 08.08.08 über Bella Union.

Zwei Kurzhinweise: 1) A Smile and a Ribbon. Mich wundert, wo wir vorhin schon bei den Genres waren, dass noch niemand auf die Idee gekommen ist diesen typischen schwedischen Wohlfühlpop zu deklarieren. A Smile and a Ribbon gehören in die Riege der Kings of Convenience, Acid House Kings und wie sie alle heißen. Albumstream ‚The boy I wish I never met‘ bei last.fm. 2) Stricken City haben gerade eine 3track EP inklusive aktueller SIngle auf ihre Seite gepackt. Kinder was für eine Stimme.

[MP3 EP] Stricken City – ‚Tak o Tak/ Bardou‘

Einen schönen Bogen zum Sound von Fleet Fox zieht der Ausblick auf’s neue Grizzly Bear Album. Bevor die vier New Yorker im August mit Radiohead auf US-Tour gehen, waren sie am Mittwoch bei Letterman, um einen Song aus dem kommenden Album zu präsentieren. Der Nachfolger des 2006ers ‚Yellow house‘ soll irgendwann im kommenden April fertig sein. ‚Two weeks‘, so der Titel des melodiösen, beinahe sonnig poppigen, Vierminüters, findet sich als Sendungsmitschnitt bereits überall im Internet.

6 Kommentare

  1. 01
  2. 02
    Nico [Jackpot Baby!]

    ich weiß nicht. muss man sich sorgen machen?

  3. 03
    Pipi

    @#683884:

    @#683887:

    Da ich durch meine ‚Brütchenfinanzierende Arbeit‘ gehemmt bin,
    (Muss wirklich arbeiten)
    werde ich nach intensiver Begutachtung bestimmt was zum
    Nörgeln finden. ;-)

  4. 04
    Jan(TM) - Anne Clark Fanboy

    Anne Clark hat ein neues Lied draußen – schluchz, jubel … tschuldigung zum Thema:

    Stricken City … hm … Siouxsie Sioux trifft Edna bricht aus, also eigentlich ganz sympathisch, mal beobachten.

    Albumstream „˜The boy I wish I never met“™ bei last.fm.
    Ich hab den Client auf Arbeit öfter laufen, aber da grusch. ähm scrobbelt der immer. Wie stellt man Albumstream ein?

  5. 05
    Pipi

    @#684182:
    Vielleicht ist der nachfolgende Link eine gute Hilfe
    um meine Beiträge mal näher zu betrachten.
    Gehöre nicht zu denen die nur am konsumieren sind.

    http://www.Chilirec.com

    @Pipi