Am Heiligabend vor 30 Jahren starb Rudi Dutschke nach einem epileptischen Anfall in seiner Badewanne. Er starb 39-jährig an den Folgen der Schüsse, die Joseph Bachmann am 11. April 1968 auf ihn abgab.
Rudi Dutschke taugt nicht so recht zum Idol. Es gibt keine einfachen und kämpferischen Parolen, die ihm zugeschrieben werden, dafür jede Menge furchtbar verschachtelte und theorielastige Reden. Er wollte mit seinen revolutionären Ideen die einfachen Menschen erreichen und sprach dabei immer wie im Soziologieseminar.
Sein nachlässiger Kleidungsstil mit Strickpullis und abgewetzten Jacken war nicht cool, er war nur nachlässig. Dabei hätte er das Zeug dazu gehabt, wie sein sympathisches Lächeln, die warmen Augen oder auch das berühmte Kapital-Portrait von Charles Wilp für das Wirtschaftsmagazin „žCapital“ zeigt. Aber Dutschke hat das offenbar nicht interessiert. So entsteht keine Ikone.
Erst recht nicht, da Rudi Dutschke auch inhaltlich einiges an Widersprüchen vereint: Er wollte Sport studieren, durfte das in der DDR aber nicht, weil er den Wehrdienst verweigerte. Der Studentenführer der 68er ein verhinderter Sportlehrer?
Dutschke hielt vom „žScheißsozialismus der DDR“ nicht viel und ist von dort abgehauen. Dennoch bleibt er Sozialist. Sein ganz großes Ziel war es, Hunger, Krieg und Herrschaft durch eine sozialistische Revolution abzuschaffen. Er war ein Sozialist mit christlichen Wurzeln, schreibt Ostern 1964 in sein Tagebuch, Jesus sei „žder Welt größter Revolutionär“. Die deutsche Wiedervereinigung war ihm als Antifaschisten ein wichtiges Anliegen.
Recht eindeutig positionierte er sich gegen einen Terrorismus nach RAF-Art, aber bestimmte Formen der Gewalt waren für ihn eine Option im Kampf gegen die herrschenden Klassen. Dass er am Grab des RAF-Mitglieds Holger Meins mit hoch gestreckter Faust rief, „žHolger der Kampf geht weiter!“, war ihm selbst später „žpsychologisch verständlich“, politisch aber „žnicht angemessen reflektiert“. Alles keine Standardpositionen in der radikalen Linken.
In der Sache hart blieb er dennoch. Die bessere Welt war für ihn kein Idealzustand, sondern etwas, für das jeder aktiv werden muss. Dabei war ihm klar: Die „žLiebe zur Revolution bedeutet dann doch mehr als zu einer lieben Genossin.“ (Quelle) Wie das wohl für seine Frau und die Kinder war?
Seine Liebe zur Revolution musste er teuer bezahlen. Auf einer vom Berliner Senat mitorganisierten Solidaritätsdemo am 21. Februar 1968 für die USA wurde Dutschke auf Plakaten als „žVolksfeind Nr. 1“ bezeichnet. Kurz zuvor titelte die BILD „žSTOPPT DEN TERROR DER JUNGROTEN JETZT!“ und druckt dazu ein Foto von Dutschke (Quelle). Die Springerzeitung schrieb von Terror, als die RAF noch nicht mal gegründet war. Nur minimal direkter als die BILD schrieb die rechtsextreme Nationalzeitung „žStoppt den roten Rudi jetzt“. Joseph Bachmann hatte diesen Titel bei sich, als er am 11. April 1968 versucht, Rudi Dutschke zu erschießen.
Vor ein paar Wochen erst wird öffentlich, dass der Dutschke-Attentäter kein verwirrter Einzeltäter, sondern in rechtsradikalen Strukturen eng vernetzt war. Dort lernte er schießen und bekam seine Waffe. Die Polizei wusste das bereits 1968, ging der Sache aber nicht nach.
Dutschke überlebte schwer verletzt, musste sich in den Jahren danach mühsam alles, auch sprechen und schreiben, wieder beibringen. Er ging ins Exil, lebte in der Schweiz, in Italien, Großbritannien und in Dänemark. 1974 veröffentlichte er seine Doktorarbeit Versuch, Lenin auf die Füße zu stellen. Über den halbasiatischen und den westeuropäischen Weg zum Sozialismus, eine Kritik am Sozialismus russischer Prägung und grenzte sich damit von moskautreuen Linksdogmatikern und damit vielen ehemaligen Weggefährten der Studentenbewegung ab. Mit seinem Engagement im Gründungsprozess der Grünen fand er ein neues Großprojekt und wollte wieder in Deutschland Fuß fassen.
Der Artikel täuscht in seinem Teaser vor, er würde sich damit auseinandersetzen, wie sehr Dutschke vor hatte eine Ikone zu werden oder eben nicht und warum.
Aber davon wird nichts gehalten. Was folgt sind mehr oder weniger lose aneinandergefügte Informationen, die zu nichts führen, noch nicht einmal zu einem vernünftigen Ende des Artikels.
Es fehlt zudem die unterschätzte Zeit in Dänemark, in der Dutschke mental wieder zu Kräften kam und aufbauenden Besuch einer für ihn sehr wichtigen Person erhielt.
@Nico Richtig
Mein eigentlicher Kommentar: Aha!?
Schöne Sammlung von (einzelnen) Informationen über Dutschke, aber ein wirkliches Ende fehlt meiner Meinung nach irgendwie…
Mir gefiel die Darstellung Dutschkes als eigenständiger Denker, dessen scheinbare „Inkonsequenz“ und scheinbare Widersprüchlichkeit und Unschubladigkeit tatsächlich Merkmale seiner selbständigen Persönlichkeit waren. Wobei, wer weiß wie er heute agieren würde, wenn man beobachtet, wie sich ein ehemals ähnlich unangepaßter Geist wie Wolf Biermann heute unkritisch von Konservativen vereinnahmen läßt…
Trotzdem muß ich den Kritikern über mir teilweise Recht geben. Um mehr zu vermitteln als das, was man auch direkt oder indirekt über Wikipedia erfährt, wäre vielleicht eine mehrteilige Serie besser gewesen (was ja noch nachholbar wäre *zaunpfahl*)
achso!
was für eine merkwürdige Würdigung. Dutschke taugte nicht zum Idol. Ja wollte er denn das? Wohl kaum, wie der Verfasser selber zugibt. Darin spiegelt sich ja wohl eher die Vorstellung des Verfassers über die Art und Weise, wie man Einfluss gewinnt: als Idol. Wo er doch durchaus das Zeug dazu gehabt hätte, mit seinem warmherzigen Blick. Also quasi zum argumentlosen – also autoritären – Vorbild zu werden. Ach so! So stellt man sich das als einfacher Mensch wohl vor. Dutschke wollte wohl eher das Gegenteil. Und dann wollte er „einfache“ Menschen erreichen und sprach nicht ihre Sprache. Klar, da war Bild anders. Aber ob die „einfachen“ Menschen wegen der kurzen Sätze die Bild-Argumente schlüssig fanden? Dass der „einfache“ Mensch sich dafür einige komplizierte Gedanken – oft kontrafaktisch – machen musste – das interessiert wohl nicht. Der einfache Mensch ist halt einfach und ein vielschichtiger Intellektueller vom Kaliber des Verfassers weiß das natürlich und kann nur einen Widerspruch zwischen dem Ansinnen Dutschkes und seinen verschachtelten Sätzen feststellen. Weiß doch jeder, dass es dem einfachen Menschen um warmherzige Augen (Merkel?) und kurze Sätze geht. Hegel meinte einmal sinngemäß, dass für jemanden am Verständlichsten allemal die ihm bekannten Gedanken sind. Insofern hinter der Forderung nach „Verständlichkeit“ nichts als die Unterwerfung unter das bisherige Gedankengut lauert also (freundlich gesagt) die Bequemlichkeit der Rezipienten. Vielleicht wollte Dutschke das gerade nicht und hat in den Vorstellungen über warmherzige und volkstümliche „Idole“ einen Fehler gesehen, die aus einer untetänigen Gesinnung entspringen. Und sicher hätte er auch selber etwas gegen das Lob, er sei „widersprüchlich“ gewesen, gehabt. Schon kurios, dass ausgerechnet Dutschke eine Würdigung erfährt, die von ziemlich antiaufklärerischen Topoi ausgeht.
Ich hab den Rudi mal auf Youtube reden hören. Tschuldigung, aber das hält doch keiner auf Dauer aus.