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Internet-Enquête: Weder Vertrauen noch Vorurteile

Spiegel Online hat die 17 Abgeordneten der gestern in ihre Arbeit gestarteten Enquête-Kommission einen kurzen Fragebogen beantworten lassen. Daraus erfährt man Trivialitäten wie die, dass der CSU-Delegierte Reinhard Brandl schonmal Musik aus einer Tauschbörse heruntergeladen hat. Wirkliche Schnitzer hat sich keiner geleistet. Hinter den schönen Fassaden verbergen sich aber tiefer liegende Probleme.

Gefragt nach einem begeisternden und einem erschreckenden Internet-Phänomen der letzten Monate tauchten zwei Antworten immer wieder auf. Einerseits sind da die Möglichkeiten von weltweiter Vernetzung und Kommunikation, die Soziale Netzwerke ermöglichen, die beinahe der Hälfte als positives Beispiel herhalten müssen. Andererseits finden es viele Parlamentarier erschreckend, wie viele Menschen persönliche Informationen in diesen Netzwerken preisgeben.

Die positive Sicht auf Facebook und Co. scheint eine Standardantwort für alle diejenigen zu sein, die mit der Materie kaum vertraut sind. Es ist leicht zu sagen: Schön, dass Menschen in ihrer Freizeit miteinander kommunizieren. Wer könnte etwas dagegen haben? Das ist der einfachste gangbare Weg.

Auf der anderen Seite fordert man dann Medienerziehung, damit Kinder lernen, mit ihrer Privatsphäre im Internet umzugehen. Und wieder hat man eine leichte Antwort. Denn einerseits ist das so oder so bereits Konsens – und andererseits ist Bildung Ländersache. Mit der Medienerziehung haben die Bundestagspolitiker sich also nur periphär zu befassen.

Da heißt es einerseits, Netzpolitik sei schon längst kein Nischenthema mehr, und andererseits wird die Verantwortung auf andere geschoben, seien es die Lehrer oder die Eltern. Dabei gab es in den letzten Monaten viele erschreckende Momente, an denen die Enquête ansetzen könnte. Ob das Vorstöße sind, die Netzneutralität zu untergraben, oder die sich wiederholenden Eingriffe in die Privatsphäre von Facebook-Nutzern: An diesen Stellen ist tatsächlich staatliches Handeln gefragt.

Zum Glück gibt es Politiker aller Parteien, die sich der tatsächlichen Probleme bewusst zu sein scheinen. Wie Thomas Jarzombek (CDU), der sich von den durch Google Wave geschaffenen Möglichkeiten in der Teamarbeit fasziniert zeigt – und im Anschluss die Frage nach dem Datenschutz bei diesem Dienst stellt. Oder Herbert Behrens (Linke), der das hinter Peer-to-Peer-Netzwerken stehende Prinzip des Teilens von Ressourcen begrüßt – auch wenn er illegale Musikdownloads ablehnt.

Staatliches Eingreifen ist bei vielen Protagonisten, die der ominösen „Netz-Gemeinde“ zugerechnet werden, reichlich unbeliebt. Das hat nicht nur mit ungeteilten Werten zu tun, sondern auch mit der miserablen Umsetzung vieler Großprojekte der letzten Jahre. Trotzdem ist Regulierung manchmal nötig, um die Freiheiten des Internets zu bewahren – etwa bei der Netzneutralität.

Vorbehaltloses Vertrauen ist bei dieser Enquête-Kommission sicher fehl am Platz, dazu bietet bereits der Vorsitzende Axel E. Fischer Grund genug. Aber Wachsamkeit gegenüber den Handlungen der Abgeordneten sollte nicht mit einer Ablehnung staatlichen Eingreifens per se gleichgesetzt werden. Dafür gibt es zu viel zu tun. Es wäre schön, wenn der Bundestag sich mit der Enquête von der Symbolpolitik verabschieden und den wichtigen Fragen der Digitalisierung annehmen würde.

8 Kommentare

  1. 01

    Ich habe ein großes Problem mit unseren Volksvertretern: Ich traue ihnen nicht wirklich über den Weg. Zwar wurden alle demokratisch gewählt, doch bin ich mir nicht wirklich sicher ob sie auch in meinem Sinne handeln.

    Wenn ich bedenke auf welcher Informations- und Wissensgrundlage Abstimmungen etwa zum letztjährigen Top-Thema rund um die Netzsperren abgehalten werden und wie beratungsresistend man sich da gegeben hat, dann Frage ich mich: Wie ist das bei komplexeren Themen, von denen ich keine Ahnung habe und die ich nicht bewerten kann?

    Schön, dass einzelne inzwischen wohl über die entsprechenden Kompetenzen auf „unserem“ Gebiet, dem Internet, haben. Schön, dass die grauen Eminenzen wohl nach und nach verschwinden. Dennoch denke ich, dass es noch eine ganze Weile dauern wird, bis ich mich von meinen Volksvertretern wieder vertreten fühle.

  2. 02
    Geier Sturzflug

    Es gibt ja sicherlich einige Politiker die ihren Beruf vernünftig machen, die meisten sind aber ohne Frage nur durch eine treue Parteimitgliedschaft nach oben gekommen und haben keine Ahnung von nix, außer natürlich wo es die besten Schnittchen abzugreifen gibt… Hier mein Idol Silvana:
    http://www.youtube.com/watch?v=-0l6f9diRW4

  3. 03

    Hey, wieder ein Klub von Freunden die keine Ahnung von der Materie haben, aber toll das einer Google Wave kennt und die anderen schonmal was von Facebook gehört haben.

    Also ich für meinen Teil freu mich das es jetzt ein paar freiwillige gibt die, die Erlaubnis bekommen haben im Internet zu surfen. Viel Spass.

  4. 04
    fewweffwe

    Enquête, weils sich so toll anhört? Oder warum benennt man es nicht ganz banal?

    Wenigstens hat man ein passendes Wort gewählt. Nicht wie bei Digitaler Dividende.

  5. 05
    andre

    @#759262: Der Begriff „Enquête“ hat eine mehr als 40jaehrige Tradition im Bundestag. Warum umbenennen, nur weil Du ihn zum ersten Mal hoerst?

  6. 06
    Thomas Benle

    @#759276: Soweit bekomme ich das auch noch zusammen. Bei näherer Betrachtung fällt allerdings auf: Wieso das alles so ist weiß ich auch nicht so wirklich. Warum ein französischer und kein deutscher Begriff? Eben doch weil’s sich so toll anhört? Oder gibt es da handfestere Gründe?

    Schlaue Spreeblick-User klärt mich auf.

  7. 07

    @#759321: vlt aus dem selben Grund warum du nach „User“ fragst und nicht nach Benutzern?