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Eine Alternative zu Facebook?

Bei Facebook stehen die Zeichen auf Glasnost – und immer mehr Nutzer wehren sich gegen das von Mark Zuckerberg dekretierte Ende der Privatsphäre. Hat das Unternehmen die Sorgen der Community unterschätzt? Neue Projekte wie Diaspora setzen auf diese Karte. Aber welche Chance haben sie?

Am 31. Mai ist „Quit Facebook Day„. Und obwohl nicht zu erwarten ist, dass die Nutzer das Social Network zum Ende das Monats in Scharen verlassen werden, steht die Aufforderung zu Massenaustritten für einen Zeitgeist, von dem zumindestens die amerikanische Wissenschaftlerin danah boyd, bekannt geworden durch ihre Forschung zum Verhalten von Social Network-Nutzern, glaubt, dass er nicht mehr nur unter der „verrückten Technik-Elite“ verbreitet ist.

Es sind verschiedene Faktoren, die dazu beigetragen haben, die Unzufriedenheit mit Facebook zu schüren. Häufige, verwirrende und die Möglichkeiten der Nutzer beschneidende Änderungen der so oder so bereits übermäßig komplexen Datenschutz-Einstellungen gingen Hand in Hand mit massiven Sicherheitslücken.

Aber so heftig die Kritik an Facebook auch sein mag, ohne Alternativen im Bereich der Social Networks (für die es ja offensichtlich einen Bedarf gibt) wird sich kaum etwas tun. Und da sieht es zugegebenermaßen mau aus. Zwar sind die deutschen Plattformen der VZ-Netzwerke im Datenschutz besser aufgestellt als Facebook, aber ihnen fehlen neben der Internationalität auch viel Features. Und MySpace, das neue Privatsphäre-Einstellungen angekündigt hat, ist zu stark um das Thema Musik konzentriert.

Facebooks Vorherrschaft auf dem Markt für Social Networks hat ja durchaus seine Gründe. In einem weitgehend öffentlichen Netz ermöglichte die Plattform das Schaffen von „privaten Öffentlichkeiten“, wie Jeff Jarvis es beschreibt. Aber dieser Nutzen Facebooks geht verloren, wenn den Nutzern die Kontrolle über diese Öffentlichkeiten entzogen wird.

Die Geschichte von Diaspora liest sich schon jetzt, bevor das Projekt überhaupt Gestalt angenommen hat, ein wenig wie ein modernes Märchen. Vier junge Informatik-Studenten wollen den Kampf mit Facebook aufnehmen und ein dezentrales Social Network entwickeln. Die Software soll frei und Open Source sein – und den Nutzern die Verfügungsgewalt über ihre Daten zurückgeben.

Nachdem das Team – vier Studenten um die 20 – ihr Projekt auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter eingestellt hatten, haben sie in kaum drei Wochen beinahe 180.000 Dollar Kapital von mehr als 5.000 Unterstützern eingesammelt. Offensichtlich gibt es viele Menschen, die sich Hoffnungen auf einen datenschutzfreundlichen „Facebook-Killer“ machen.

Die Idee dezentraler Social Networks ist dabei nicht neu. So gibt es aus Deutschland das an soziale Bewegungen gerichtete mensch.coop. Zugrunde liegt dem der Gedanke, dass Nutzer ihre Daten auf eigenen Servern speichern können sollten, statt sie zentralen Großunternehmen wie Facebook anzuvertrauen.

Aber welche Chance haben diese Plattformen? Social Networks tendieren dazu, Monopolstellungen zu befördern: Als Nutzer meldet man sich dort an, wo bereits Bekannte aktiv sind. Hat man einmal ein Netzwerk auf Facebook geknüpft, kann man es von dort nicht mehr mitnehmen. Die Plattform ist ein „Walled Garden“ – und hält in diesem „eingezäunten Garten“ den eigenen Bekanntenkreis als Geisel, wenn man sich von ihr verabschieden möchte.

Ähnliches ist bereits passiert, als identi.ca (und die dahinterstehende freie Software laconi.ca) sich anschickte, eine dezentrale Alternative zu Twitter zu bieten: Nach anfänglicher Euphorie schliefen viele Accounts bald wieder ein, weil die Masse der Nutzer auf Twitter blieb und es sich als unbequem erwies, zwei Communities zu pflegen. Anders als identi.ca bot Twitter keine Möglichkeit zur Verknüpfung beider Plattformen.

Dieser Effekt wird noch verstärkt dadurch, dass Datenschutz für die wenigsten Nutzern von höchster Priorität sein dürfte. Das gilt nicht nur für die privilegierte weiße Mittelklasse, als Vertreter von deren Idealen Mark Zuckerberg häufig gesehen wird. Sami ben Gharbia von Global Voices Advocacy meint, dass die Reichweite von Facebook auch für Aktivisten in repressiven Regimes höher wiegt als der Schutz der eigenen Privatsphäre.

Facebooks Vertreter betonen immer wieder gerne, dass niemand gezwungen ist, die Plattform zu benutzen. Eine tatsächliche Alternative gibt es aber nicht, will man nicht ganz auf Social Networks verzichten. Denn bestehende Alternativen allein brechen Facebooks marktbeherrschende Stellung nicht auf, wenn man dort niemanden findet, mit dem man kommunizieren kann.

Eine echte Freiheit, sich für oder gegen Facebook zu entscheiden, würde erst durch offene Schnittstellen geschaffen. Diese würden es ermöglichen, sich auch von anderen Social Networks aus – wie einer selbst gehosteten Diaspora-Installation – mit seinen Bekannten auf Facebook zu vernetzen, ohne dem Unternehmen die eigenen Daten anzuvertrauen. Interessanterweise zeigen Berichte auf der Seite หน้าเว็บพนันออนไลน์ ähnliche Konzepte zur Verbesserung der Nutzererfahrung und Sicherheit, indem sie Plattformen ermöglichen, miteinander zu interagieren und dabei den Datenschutz zu wahren.

Ohne Frage ist Facebook für die meisten seiner Nutzer attraktiver als es das doch eher an technisch versierte Personen ausgerichtete Diaspora je sein wird. Offene Schnittstellen würden es aber genau diesem Klientel erlauben, eine spezialisierte Plattform zu nutzen – ohne dadurch den Kontakt mit Bekannten, die bei Facebook bleiben, zu verlieren.

Es ist klar, dass ein Monopolist wie Facebook daran kein Interesse hat. Würden solche Schnittstellen doch den Druck auf das Unternehmen stark erhöhen, einen qualitativen Vorteil gegenüber seinen Mitbewerbern zu bieten, anstatt allein auf die Wirkung der bestehenden Community zu setzen, um Nutzer anzuziehen und zu halten.

Ohne eine – nicht zu erwartende – staatliche Verpflichtung wird es daher wohl kaum zur Einführung von offenen Schnittstellen bei Facebook kommen. Die Chancen von Diaspora, sich als echte Alternative zu positionieren, dürfte das leider beträchtlich schmälern.

23 Kommentare

  1. 01
    gernot

    Facebook in Deutschland hat in den ersten Monaten um 50% zugelegt. Diese Abstimmung mit den Füßen zeigt doch wohl, daß die Leute sehr zufrieden sind. Facebook ist webpublishing und Kommunikation 2.0 für Normalos. Daß die Elite mosert, ist diesen Normalos völlig egal. Mir persönlich auch, ich finde facebook klasse, und wen’s stört: man muß dort nicht Mitglied sein.

  2. 02

    abgesehen von den oben beschriebenen argumenten, ist diaspora mit dem namen aufjedenfall keine alternative.
    di-as-po-ra ist im gegensatz zu face-book durch die viersilbigkeit einfach zu „umständlich“, als das es sich wirklich durchsetzten würde. der nerdfaktor ist zudem bei dem namen groß & das schreckt sicherlich 97% der facebook user ab, sondern ist dann eher was für sandalen träger und piraten wähler.

  3. 03

    @martin #1:

    ja, facebook ist eben mainstream, und diaspora wäre eine nische

    Der Mainstream interessiert sich eben wenig dafür, ob seine Daten nun bei ihm selbst oder auf dem Server einer Firma liegen. Viele stört auch nicht, wenn sie entsprechende Werbung bekommen oder eben eine Firma weiß, welchen Softrink sie am liebsten mögen und welche Musik sie hören.

    Mich stört das übrigens auch nicht.

    Das Problem sind soziale Netzwerke und die Öffentlichkeit des Internets ansich, ob die Daten nun leichter oder schwerer von Dritten aggregiert werden können. Was ich stört, ist, dass aus allem was im Internet eingeben wird, ein Profil der Einzelnen mit immer ausgefeilter werdenden Algorhytmen erstellt werden kann, die bis hin zur Satzstruktur usw. problemlos alles berücksichtigen und auswerten können.

    So lassen sich Rückschlüße auf Lebensgewohnheiten, psychische und gesundheitliche Verfassung, politische Ansichten, Belastbarkeit, Teamfähigkeit, Lebenszufriedenheit, Konfliktpotenzial, Aggression, ZUverlässigkeit usw. herausfiltern und sogar vorhersagen. Daten, die für Versicherer, Arbeitgeber usw. von höchstem Interesse sind und derart spezialisiert, tiefgreifend und aufschlußreich bislang noch nie erfasst werden konnten. Wann werden E-Mails geschrieben, welche Medieninhalte werden konsumiert, wo hält man sich auf, wie ist die Ernährung, nach welchen Medikamenten wurde gegoogelt, welche Hobbies, wieviel Sport, regelmäßiger Schlaf, berufliche Belastung, Beziehungen, Art der Freundschaften, das lässt sich alles filtern und zusammenführen.

    Wir müssen uns also davor schützen, dass solche Daten missbraucht werden können, denn man müsste sich in einem Erdloch vergraben, um sie nicht preiszugeben, die Erfassungswerkzeuge kann man kaum nicht benutzen. Außerdem sollte man ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass sowas alles möglich ist. Klingt zwar sehr dystopisch, aber Schritt für Schritt werden die Menschen daran gewöhnt. Denn sowohl Staat als auch Industrie dürften großes Interesse an unseren Profilen haben.

  4. 04
    Synth

    Ich frage mich, warum Noserub nie den geringsten Bekanntheitsgrad erreicht hat. Noserub ist OpenSource und läuft dezentral auf PHP-Basis, jeder kann es auf seinem Server installieren (wenn er mag), oder man registriert sich eben bei einer fremden Installation.

    Es ist zwar nicht gleich mit Facebook gleichzusetzen, weil es mehr oder minder ein Aggregator für SocialNetworks ist – aber was zählt ist ja der dezentrale Charakter. So erhält man auch Meldungen von anderen Noserub-Mitgliedern auf fremden Servern, wenn man sich als „Buddy“ hat.

    http://noserub.com/

  5. 05
    Jan(TM)

    Facebook ist auch dezentral aufgebaut. Es gibt nicht DIE dunkle Burg hinter den 7 Bergen wo alle Kabel zusammenlaufen. Was ihr meint ist ein offenes Netzwerk.

    @#760117: Wir werden alle stärben!!

    @#760118: Klar und du garantierst mir dann das deine Installation nichts von mir mitlogt. Du sorgst auch immer fleißig dafür das die Software auf dem neusten Stand ist etc.. Ich vertraue dir weil du so ein netter Kerl bist.

    Das Problem an solchen freien Netzen ist, das sie viel zu kompliziert sind. Sicherheitsprobleme wird es auch geben. Was passiert wen ein weniger netter Mensch so einen Server aufsetzt? Wer verwaltet z.B. die Passwörterlisten?
    Und wie soll eine Zusammenarbeit mit Facebook aussehen, bei der Facebooknutzer meine Daten sehen dürfen – ohne das es Facebook kann?

    Die Schnittstelle die ihr vorschlagt ist ein riesiges Sicherheitsrisiko, FB und Captcha VZ kommen ja so schon nicht klar.

  6. 06

    Was ich mal wieder hochinteressant finde ist, dass keine deutschen/europäischen/sonstwas Studenten einfach mal gesagt haben „Kommt wir bauen was in direkter Konkurrenz zu Facebook und vermarkten es auch so“. Was ja, wie der Medienrummel zeigt, durchaus logisch erscheint.
    „Ne, lass mal, das bringt doch nichts“ sind vermutlich die vielen ersten Worte gewesen, wenn jemand in unseren Gefilden mal die Idee angebracht hat.

  7. 07

    @#760173:

    Nee, die waren zu beschaeftigt die Idee direkt zu klauen und in noch schlechter nachzubauen (sofern man den Berichten ueber allesmoeglicheVZ trauen darf).

  8. 08

    Ob man jetzt Facebook mag oder nicht, Konkurenz belebt auf jeden Fall das Geschäft.

  9. 09
    Florian

    Es gibt Ansätze für eine solche Schnittstelle zum Datentausch (nicht nur) zwischen sozialen Netzwerken
    http://www.dataportability.org/
    Facebook und Google haben auch irgendwann mal angekündigt das Data Portability Project zu unterstützen. Wäre mal interessant, was inzwischen aus dem Projekt geworden ist…

  10. 10

    Ich frage mich nur, wie man zu der steilen These kommen kann in Identi.ca sei irgendetwas eingeschlafen.

  11. 11

    Klar ist die Datenschutzpolitik von Facebook nicht gerade erfreulich. Aber es gibt ja durchaus Möglichkeiten, dort angemeldet zu sein und nicht viel von sich preis zu geben. Wohnort, politische und religiöse Geschichten, Handynummer sind kein Muss und sollten meiner Meinung nach auch nicht angegeben werden. Name + Foto reicht völlig für ein Profil, imho. Oder schaut ihr euch ständig an, wo eurer Freund (!) wohnt, was er für Filme guckt oder für Musik hört? Als ein guter Freund hat man die Interessen des Kumpels im Kopf und sollte eigentlich auch wissen, wo derjenige wohnt. Ansonsten solltet ihr wirklich mal wieder vor die Tür gehen und real Kontakte knüpfen.

  12. 12

    @#760325:

    Nein, ich schaue mir nicht staendig an wo meine Freunde wohnen. Aber ich kenne durchaus recht viele Leute mit denen ich nur sehr unregelmaessig in Kontakt bin, da ist es sehr hilfreich darueber eine aktuelle Telefonnummer oder Adresse herausfinden zu koennen.

    Ich habe verschiedene Bekannte mit denen ich vielleicht 1-2 mal im Jahr direkt kommuniziere, das reicht uns vollkommen. Leute mit denen ich vor 15+ Jahren studiert habe, wo sich seitdem unsere Wege getrennt haben aber wir doch noch ein wenig in Kontakt sind. Da zieht durchaus mal jemand um oder auch sonst aendern sich Details.

    Komm Du mal in mein Alter (ich bin schaetzungsweise mehr als doppelt so alt wie Du), dann wirst Du das auch verstehen. ;-)

  13. 13

    seit mitte letzten jahres heißt laconi.ca *status.net*.
    die zauberworte sind federation, ostatus, twitterbridge und list of servers.

    und nach noserub hätte ich auch gefragt.

  14. 14

    Falls verstärktes Interesse an der Thematik besteht, möchte ich an dieser Stelle einfach mal auf eine Glosse verweisen, die ich bereits im Sommer 2007 geschrieben habe. Sind ein bisschen mehr Anschläge geworden, aber ich denke mal, dass ich den Trend zur Langeweile beim Lesen von Texten, die mehr als 140 Zeichen für sich beanspruchen, weitestgehend austricksen konnte.

    Der Link -> http://bit.ly/Utopia2_0

    Mann – war ich mal wieder meiner Zeit voraus! =)

    der AL

  15. 15
    k

    @#760325: Ich schau mir auch nicht ständig (im Internet) an, wie meine Freunde heißen und wie sie aussehen. ;)

    @#760402: Hm, zumindest bei mir hat das Austricksen der Langtext-Aversion nicht funktioniert. Du hast mich bei der Plattitüde „Die Zeiten ändern sich!“ (leider gleich der erste Satz) verloren. Zugegeben: Ich bin ein schwerer Fall. :)

  16. 16

    Hmm..naja dispora ist ja noch recht buggy.
    Ich denk das wird auch noch lange dauern bis es ausgereift ist.

  17. 17

    Gibt es erst seit ein paar Monaten, sieht aber ziemlich vielversprechend aus: jaggt.com