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ICOMP: Auch Microsoft bezahlt Burson-Marsteller für Anti-Google-PR

Wen wundert’s? Die gestern aufgedeckte PR-Aktion von Facebook und der PR-Agentur Burson-Marsteller gegen Google ist kein Einzelfall, auch in Deutschland wird Burson-Marsteller dafür bezahlt, negative Meldungen über Google zu verbreiten – in diesem Fall von Microsoft. Und wenn das Ganze zwar nicht ganz so (ursprünglich) verdeckt wie im US-Fall von Facebook daherkommt, dann doch ebenso blöd.

ICOMP (Initiative for a Competitive Online Marketplace/ Initiative für einen wettbewerbsfähigen Online-Markt) nennt sich die von Burson-Marsteller betreute Organisation, die u.a. auch von Matthias Spielkamp und Detlef Borchers schon erwähnt wurde und die an Google anscheinend einen besonderen Narren gefressen hat.

„ICOMP finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge und wird durch Microsoft gefördert. Burson-Marsteller fungiert als Sekretariat der Initiative.“ heißt es auf der Website der Organisation, im Gegensatz zur US-Affäre um Facebook und Burson-Marsteller werden Absender also wenigstens genannt. Und tatsächlich hat die ICOMP mittlerweile einige weitere Mitglieder, lange Zeit jedoch soll sie allein von Microsoft finanziert worden sein.

Nun ist aber auch eine Initiative, ein Verein, ein Verband, eine Organisation noch immer etwas ganz anderes als eine gezielte PR-Kampagne eines Wettbewerbers gegen die Konkurrenz mit einem einzigen, klaren Ziel, nämlich dem, den Konkurrenten zu diskreditieren. Nichts anderes soll ICOMP aber sein. Und man glaubt solche Vermutungen sofort, denn die ICOMP-Seiten lesen sich wie ein Anti-Google-Blog:

„MICROSOFT SCHLIESST SICH WACHSENDEM PROTEST GEGEN DIE DOMINANZ VON GOOGLE AN“
„GOOGLES BOOK SETTLEMENT: UNFAIR, UNANGEMESSEN UND NICHT ZUMUTBAR“
„EUROPÄISCHE KOMMISSION KÜNDIGT FORMELLE KARTELLRECHTLICHE UNTERSUCHUNG VON GOOGLE AN“
„DIESES UNCHARMANTE MONOPOL“ (Anm.: Gemeint ist Google)
„SUCHMASCHIENEN [sic!]: MANGEL AN ALTERNATIVEN“ (Anm.: Zu Google)
„GOOGLE PATENTIERT CURSOR-ÜBERWACHUNG“
„ICOMP BEGRÜSST MÖGLICHE WETTBEWERBSUNTERSUCHUNG GEGEN GOOGLE“
„GOOGLE STARTET STREET VIEW MIT PRIVATEN FOTOS“
„VERLETZUNG DER PRIVATSPHÄRE „SERIENMÄSSIG“? GOOGLE IST BEI DATENSCHUTZ GEFORDERT“

Etwa die Hälfte der Postings, die man im deutschsprachigen ICOMP-Blog findet, kann man als Anti-Google-Artikel werten. Und auch der Presseüberblick scheint einen klaren Fokus zu haben, die Sammlung von Links besteht aus einem derart hohen Anteil an Google-kritischen Artikeln, dass es einfach nur noch als lächerlich zu bezeichnen ist und man sich fragen darf, ob die ICOMP eigentlich nichts besseres zu tun hat, deren eigentliches Ziel schließlich „das nachhaltige Wachstum des Internets unter Berücksichtigung des Wettbewerbs, der Transparenz, der Datensicherheit und des Schutzes geistigen Eigentums“ sein soll. Und man fragt sich bei der inhaltlichen Nähe zwischen den verlinkten Medien-Artikeln und den ICOMP-Blog-Einträgen außerdem, ob es Zusammenhänge geben könnte. Schließlich präsentieren Medien wie die FAZ auch mal eine Studie der PR-Agentur, wer weiß also, ob nicht auch andere Artikel von Burson-Marsteller „unterstützt“ wurden?

Ich jedenfalls nicht.

Einen Quasi-Monopolisten wie Google kritisch zu beobachten ist richtig und nötig, doch das muss und soll Aufgabe unabhängiger Medien sein. Die Initiative einer PR-Agentur und eines Google-Konkurrenten (dem der Begriff „Quasi-Monopolist“ auch nicht ganz fremd ist) macht sich mit solchen Artikelsammlungen natürlich eher lächerlich, wenn so gut wie kein kritisches Wort über andere Unternehmen fällt. Ihr Ziel erreicht sie aber vielleicht trotzdem: Man erinnere sich an die streckenweise mit völligem Unfug gespickten Anti-Google-Artikel zum Start von Street View.

Die Welt der PR, deren Aufgabe es nun mal ist, eben jene unabhängigen Medien im Sinne ihrer Auftraggeber zu beeinflussen, war bestimmt nie eine andere als die, die man bei der ICOMP sehen kann. Und vielleicht bezahlt auch Google ein Anti-Microsoft- oder Anti-Facebook-Blog, ich weiß es nicht, doch ich glaube kaum, dass es in diesen Kämpfen um die öffentliche Meinung ein Gut oder Böse gibt. Es verwundert mich dennoch immer wieder neu, dass Unternehmen große Geldsummen in solch dämlich gemachte Kampagnen investieren, statt sich auf eigene, bessere Produktentwicklung zu konzentrieren und damit beim Konsumenten zu punkten.

Wie ein Kindergarten, nur dass die Betreuer um Längen besser bezahlt werden.

Anmerkung an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Burson-Marsteller: Bitte verschonen Sie mich mit „Kontaktaufnahmen“, ich habe keinerlei Interesse daran, „ihr Unternehmen besser kennenzulernen“, „mehr Information über ICOMP“ zu erhalten und auch „Gespräche“ mit der ICOMP-Leitung interessieren mich nicht. Been there, done that. Der ganze Krempel kratzt mich insgesamt nur halb so sehr, wie es hier erscheinen mag, ich habe den Artikel allein wegen der erneuten Aktualität durch den Fall ihres Kunden Facebook getippt. Danke, beste Grüße, so long, viel Erfolg.

18 Kommentare

  1. 01

    Letztlich,

    liefern wir uns als Verbraucher aus, um etwas zu nutzen, von dem wir glauben,
    dass es uns nützt.
    Als Apple u. Windows Nutzer tendiere ich zunehmend dazu, mich für Linux zu
    interessieren. Mit Googles BS derivat hadere ich noch ob der unsicheren Online-
    verbindungen und der Datengewährleistung.

  2. 02
    schomsko

    schlechte PR für ne PR-Fima, die schlechte PR macht: Find ich witzig!

  3. 03

    Surprise, surprise. Total überraschend, dass Konkurrenten PR-Artikel lancieren, in denen die Konkurrenz schlecht gemacht wird. Das ist so neu und verdorben, dass wir nun mit Sicherheit allesamt aus dem Paradies vertrieben werden. Ein bisschen weniger Entrüstung, dass ist business as usual. Apple fährt ja auch gerade mächtige Kampagnen gegen Samsung, SAP lanciert mit Sicherheit ebenso Artikel über Oracle und Mercedes über AUDI. Burgerkings Werbespot über ein McDonalds-Restaurant („Ich esse hier nicht, ich arbeite hier nur“) ist ja auch weiterhin legendär.

  4. 04

    @#786962:
    Du meinst vergleichende Werbung.

    PR kann man sehr geschickt anwenden,
    ohne dass es auffällt, oder sehr offen
    und Glaubhaft.
    Kleiner Hinweis:
    Nervtötende Plugins und sonstige Commercials
    können mitunter sich auch destruktiv auswirken.
    _

    Einer zu melkenden Kuh beisst man nicht in den Euter.

  5. 05
    Benito

    @#786917: Guter Punkt!

  6. 06
    Roland

    @#786962: Weil etwas nicht neu ist und von vielen praktiziert wird, ist es weniger empörend? Du hast echt seltsame Moralvorstellungen.

  7. 07

    @Roland: Ach komm, es ist business-as-usual, die Moralkeule gerade jetzt auszupacken, ist natürlich geschickt. Man darf ja gerne eine Moraldebatte darüber führen, muss aber auch akzeptieren, dass es nicht nur einzelne Firmen sind (Facebook, Microsoft..?), die hier PR betreiben. Ich weiss, dass es furchtbar trendy ist, über Google, Facebook und Microsoft lange moralischen Debatten zu führen, aber so richtig mit Substanz ist das nicht, wenn man das von seinem Apple Powerbook mit Chromebrowser macht und für die Klicks gleich noch auf seine Facebook-Fanpage posted.