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Lobo loben

Gestern Abend im Ersten, Sascha Lobo auf- und ausgezeichnet bei Maischberger, für TV-Zuseher unsichtbar kommentarbegleitet via Twitter. Die üblichen Bemerkungen, dass da „nichts bei rausgekommen“ sei, kann ich nicht teilen.

Klar war von Beginn an, dass das Fazit „Na dann ist ja alles gut mit unserer Rente“ nicht zu erwarten sein dürfte, mir persönlich hat es daher genügt, einen Eindruck der verschiedenen Positionen erhalten zu haben.

Die Anwesenheit von Uwe Friedrichsen hätte man sich meiner Meinung nach für mehr Redezeit der anderen Akteure sparen sollen, der Mann schien mir leicht überfordert. Und auch wenn Gisela Steinhausen als Frührentnerin mit nur gut 500 Euro Rente im Monat als Gast richtig gedacht war, schien sie mir nicht repräsentativ genug: Im Betrieb ihrer Schwiegereltern, in dem sie viele Jahre tätig war, wurde sie nur zeitweise als in das Rentensystem einzahlende Angestellte geführt, später ließ sie sich die dennoch bis dahin angesparte Rente vorzeitig auszahlen (was damals möglich war und ein Teil des aktuellen Problems sein könnte) … man kam also trotz grundsätzlicher Sympathie für das Anliegen der Frau nicht umher sich zu fragen, woher denn mehr aktuelle Rente für sie kommen solle. Eine etwas unglückliche Wahl, fürchte ich, was Frau Steinhausen mit einem hier und da eingestreuten „Ach, wir kommen eigentlich ganz gut klar“ unterstrich. Es gibt eben Rentner, die gar nicht klar kommen, einer von ihnen wäre als Gast nachhaltiger gewesen.

Aber hinterher weiß man ja eh immer alles besser.

Das bekam auch Heiner Geißler zu spüren, der sich einige berechtigte Vorwürfe bezüglich seiner Politik der Vergangenheit bzw. ihre Auswirkungen auf Gegenwart und Zukunft anhören musste und m.E. nicht wirklich souverän darauf reagieren konnte. Immerhin verlangte sogar er am Ende ein „neues System“.

Selbiges schlug Bodo Schäfer, gewiefter Finanzberater im geleckten US-Style, mehrfach und nicht gänzlich unüberlegt vor, dennoch sehnte man sich einen schlagfertigeren Counterpart als Geißler, um Schäfers Maske wenigstens etwas verrutschen zu lassen.

Auftritt Sascha Lobo.

Man mag über Saschas Selbstvermarktungskünste lächeln oder sich, wenn man keine anderen Hobbies hat, täglich darüber aufregen. Doch wenn es einen roten Mohican braucht, um einen rhetorisch versierten Dreißigjährigen als Gast in eine solche Debatte zu bekommen, dann bin ich froh, dass Sascha diese Form des Medienspiels beherrscht.

Wer einmal in der „Sie haben jetzt genau 30 Sekunden, bevor sie abrupt unterbrochen werden, sagen Sie jetzt etwas sehr richtiges, das jeder versteht, und sagen sie es schnell und präzise!“-Situation war, der weiß, wie schwer es ist, im gleißenden Scheinwerferlicht, mit drei sich pötzlich auf das eigene Gesicht richtenden Kameras und vor allem im geforderten Moment genau das zu sagen, was man schon immer sagen wollte. Sascha hat meinen Respekt dafür, dass ihm das gestern gelang, er brachte bestimmte Systemfehler für Selbstständige oder HWAs („Häufig wechselnde Angestellte“, habe ich mir gerade ausgedacht) auf den Punkt, kritisierte die Starre und Unflexibilität der vorhandenen Strukturen und distanzierte sich gekonnt vom Klischee des über „gierige Rentner“ meckernden jungen Menschen, indem er klarmachte, dass auch „seiner Generation“ an einem auf Umverteilung basierendem System gelegen sei. Hinzu der grandiose und sehr angebrachte Hinweis an Bodo Schäfer, dass es etwas schwer falle sich von jemandem das Sparen empfehlen zu lassen, der eine Zwölftausen-Euro-Armbanduhr trägt: Mehr kann man nicht erwarten und die darauf entgleisenden Gesichtszüge von Herrn Schäfer waren mindestens einen Monat Fernsehgebühren wert.

Nach der Sendung habe ich erneut beschlossen, möglichst oft möglichst viel Geld unters Kopfkissen zu packen und bis zum Umkippen zu arbeiten, denn „Rente“ wird für mich wohl ein Fremdwort bleiben. Auch Sascha Lobo hat kein Genialkonzept für die nächsten 300 Rentenjahre, doch trotz des einen oder anderen kleineren inhaltlichen Patzers fühlte ich mich von ihm vertreten wie schon lange nicht mehr im deutschen Fernsehen. Das ist viel mehr als ich erwartet hatte.

Hinweis: Ich bin ein Freund und Geschäftspartner von Sascha Lobo und habe schonmal einen Film mit Uwe Friedrichsen gesehen.

36 Kommentare

  1. 01

    War insgesamt eine interessante Sache. Sehr unterhaltsam auch die Twitter-Kommentare.

    Bei diesen Rentendebatten kommt mir jedoch immer wieder hoch, dass das aktuelle und zukünftige Problem mit dem Rentensystem schon seit locker 30 Jahren bekannt sein dürfte. Aber wann haben die Profis, die dafür zuständig sind, angefangen, etwas zu tun?

  2. 02
  3. 03
    zuschauer

    dieser artikel schreit nach einem beitrag von donalphonso an der blogbar!

    freue mich schon jetzt auf die verbalattacke des chauffeurs!

    ich lehne mich zurück und schaue zu, ohne das ich die maischberger-sendung gesehen habe.

  4. 04

    …warum hat eigentlich keiner #grundeinkommen gesagt? Und ja – Danke an Sascha – die Sache mit Bodo war schön. Noch schöner war das parallel getwittere zur Sendung…

  5. 05

    Bodo Schäfer hatte zeitweise ein geradezu rosiges Gesicht.

  6. 06

    Für die kurze Sendezeit waren es ein, zwei Gesprächspartner zu viel.

  7. 07

    Dennoch wird, oh Wunder, mit einem bunten Hund nicht wirklich debattiert.
    Sascha hat ein paar richtige Anmerkungen gemacht, die sich schlicht verschwenkten.

    Denn es war z.B. gut und wichtig anzumerken, dass der Begriff „Armut“ sich nicht ausschliesslich monetär definieren lässt. Es ginge um die Würde, sagte Sascha und wurde wiederum von den Eurojongleuren aus dem Bild geschubst.
    Der am schlechtesten frisierte Uwe Friedrichs hingegen hat ganz ganz doll viele zusammenhanglose Merkwürdigkeiten von sich gegeben und es doch geschafft, der schwitzenden Regie sein Bild auf zu zwängen.

    Man muss (what’s new?) laut, dreist, selbstgerecht oder einfach knapp unter hundert sein, um sich respektvoll Gehör zu verschaffen.
    Und ja: da lob ich mir den Lobo, wenn er all das nicht ist.

  8. 08
    jayjay

    naja, mir ist das jetzt ein bisserl zu viel (und vor allem: zu überschwänglich) gelobhudelei… :/

  9. 09

    Ich guck mir die Sendung heute abend an; aber das völlig unkritische Beklatschen von Lobo nervt mich jetzt schon.
    Hoffe mal, dass der wirklich so gut argumentiert. ;-)

  10. 10

    Ist schon ein wenig merkwürdig, wenn all die eifrigen Blogger plötzlich wieder in diese flimmernde Holz- oder Kunststoffkiste gucken, wenn sich einer von ihnen dort die Ehre gibt. Warum? Nun, weil das TV noch immer etwas mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht. Ich bin sicher, dass Don Alphonso im Gegensatz zum rosigen Schäfer grün angelaufen ist vor Neid. Die Qualität der anderen Gäste war doch bescheiden, die Gesprächsführung eigentlich indiskutabel, am Ende bleibt nicht mal eine Erkenntnis haften. Doch, eine: Rot sieht im Fernsehen richtig gut aus.

  11. 11
    Lebedjew

    Ich bin ja imer etwas nervös, wenn jemand, dessen Internetexistenz ich als sehr angenehm empfinde, ins TV gerät. Eine komische Form von Peinlichkeitsschutzschild bzw. erweitertem Schamgefühl – denn ich habe natürlich nicht die Ehre, Sascha Lobo persönlich zu kennen. Doch er war’s wert, und verziehen sei ihm auch das Unbehagen, das mich befiel, weil ich mir seinetwegen eine Sendung wie „Maischberger“ anzuschauen hatte. Ließ sich aber dank seiner Hilfe nahezu verdrussfrei durchstehen.
    Doch jetzt muss ich wieder arbeiten (an später denken).

  12. 12

    @#675507: und @#675508: Etwas oder jemanden gut zu finden, ist so schwer und tut sogar weh, wenn es andere tun? Ich verstehe diese Grundhaltung nicht und will sie auch niemals verstehen.

    @#675509: Dem TV „etwas mehr“ Aufmerksamkeit als Blogs zuzusprechen, ist nicht nur leicht untertrieben, es dürfte sich beim Publikum ein hundert- bis tausendfaches handeln — und selbstverständlich interessiert es mich, wenn jemand aus meinem Kultur- und Medienkreis bei einem nicht gerade einfachen Thema in einem Massenmedium auftaucht. Was genau fandest du an der Gesprächsführung „indiskutabel“? Welche Gäste hättest du als qualitativ hochgradiger eingeladen? Pauschalkritik halte ich für „klischeebloggiger“ als den von dir angeführten Wunsch nach Aufmerksamkeit.

    @#675510: Die Angst vor dem Fremdschämen kenne ich auch gut, schlimmer ist es nur noch, wenn man selbst alle möglichen Erwartungen erfüllen soll.

  13. 13

    Das Gesicht von Bodo Schäfer war wirklich wunderbar

  14. 14

    Friedrichsen hatte schlichtweg keine Ahnung, die „arme“ Rentnerin, wie in einem vorigen Kommentar schon erwähnt, nicht so arm, Geissler: alt und weise, aber nicht mehr am Start. Mir fehlte etwa Götz Werner (Thema: Grundsicherung), oder einer der Wirtschaftsweisen, die nachweislich Zahlen parat gehabt hätten. Und, mit Verlaub: Die Diskussionsleitung von Maischberger, die sich weder gegen Geissler noch gegen Schäfer richtig durchsetzen konnte, war doch wirklich zuweilen schon peinlich. Von einigen unverständlichen Haken, die sie da geschlagen hat, mal ganz zu schweigen.

  15. 15
    Don Alphonso

    „Ich bin sicher, dass Don Alphonso im Gegensatz zum rosigen Schäfer grün angelaufen ist vor Neid.“

    cdv!, ich habe schon vor Jahrzehnten den Fernseher so entsorgt, wie ich heute Ihre leicht spammigen Kommentare bei der Blogbar entsorge. Desinteressiert, aber gründlich.

  16. 16

    Da ich Sascha vorher noch nie live erlebt hatte und ich persönlich sein Markenzeichen den Irokese wie auch alle die feineren Markenzeichen normalerweise als Schwäche sehe, war ich angenehm überrascht über das was und wie er es sagte.

    Jeder der glaubt das er es besser könne möge es besser machen. Ich lobe Sascha und zwar ausdrücklich.

    Hinweis: Ich bin habe schon oft Filme mit Uwe Friedrichsen gesehen. Mit festem Text ist er besser.

  17. 17

    Ja mei, gibts das Video jetzt endlich bei YouTube oder muß man sich wie 1960 abends vor dem Fernseher treffen um das Weltgeschehen zu verfolgen?

  18. 18
    zuschauer

    juchhuuuuu donalphonso, der alte chauffeur, hat wirklich geantwortet! spannung steigt!

  19. 19

    Gast Frau Steinhausen war wirklich eine absolute Fehlbesetzung: im eigenen Betrieb weitgehend am Rentensystem vorbei zu arbeiten, sich die Rente auszahlen zu lassen und dann noch auf eine hohe Rente hoffen, das passt irgendwie nicht zusammen. Positiv überrascht hat mich Maischbergers Aussage, bei der Vorstellung Sascha Lobos „Sie sind Werbetexter, … sie bloggen“. Das Wort kam mir in einer solchen Runde so fremd vor, aber wenn die Tagesthemen schon über „GTA IV“ berichten …

  20. 20

    Es ist wirklich schade, dass für so ein wichtiges Thema eher suboptimale Kandidaten ausgesucht werden.

    Ob Lobo oder nicht ist mir an dieser Stelle dann auch egal, obwohl er *uns* sicherlich den Umständen entsprechend gut vertreten hat.

  21. 21

    @#675524: Das Video gibt es, wie YouTube (auch) in Flash, wenn man den zweiten Link im Artikel oben anklickt.

  22. 22

    Ok, dann hab ich nichts gesagt. Hätte hinter dem Link etwas anderes vermutet.

  23. 23
    jayjay

    @johnny haeusler (12): es geht mir gar nicht darum, alles schlecht zu finden (oder schlecht finden zu müssen). ich hatte nur ein bisschen den eindruck, dass du alles (andere studiogäste, moderation, öffentlich-rechtlich tv-sendungen) NICHT gut findest, ABER das was lobo sagt, denkt, tut wird zu gold. und das finde ich ein bisschen too much…

  24. 24

    @#675535: Schon okay, ich kenne den Reflex ja selbst. Nur: Weder habe ich etwas gegen die Ö-R getippt (tue ich sowieso eher selten), noch auf den anderen Gästen rumgehackt, die Moderation habe ich nicht einmal angesprochen — ein bisschen liegt es also vielleicht auch daran, dass man manchmal Texte so liest, wie man sie lesen möchte? :)

    Ich fand Sascha prima (dass mein Fokus auf seiner Performance lag, dürfte nicht überraschen, ich hätte mir sonst die Sendung gar nicht angesehen) und habe begründet, warum. Ich hätte es mir bei aller Freundschaft leisten können, es sagen zu können, wenn es nicht so wäre oder hätte mir dann Kommentare zur Sendung verkneifen können. Und: Es stehen ja, wenn jemand die Sendung gesehen hat und zu anderen Schlüssen kommt, die Kommentare weit offen. :)

  25. 25

    Jetzt wüsste ich gerne wie in der Redaktion die Gedankengängen waren, dass sie S. Lobo zu dem Thema eingeladen haben.

  26. 26
    Hr. Lohmann

    @#675512: Ich glaube, das ist eine Art Grundskepsis – die ich für nützlich, aber oft für übertrieben halte.

  27. 27

    @#675537: Er war vor einem Jahr zu einem ähnlichen Thema bei Maybritt Illner und die Redaktion scheint sich daran erinnert zu haben.

  28. 28

    „der weiß, wie schwer es ist, im gleißenden Scheinwerferlicht, mit drei sich pötzlich auf das eigene Gesicht richtenden Kameras und vor allem im geforderten Moment genau das zu sagen, was man schon immer sagen wollte.“

    Und unglaublich unnervös. Oder sah das nur so aus? Wirklich großartig…

  29. 29

    @#675543:

    damals waren wir auch schon begleitend dabei. und sascha war auch damals schon punktsieger.

    Sascha Lobo schickte Oswald Metzger mit dem Satzeinschub „žwie ihre Partei, die FDP, findet“ auf die Bretter und erntete Szenenapplaus.

  30. 30

    Ich will auch eine Aufzeichnung haben. Könnte bitte jemand mal das Copyright missachten?

  31. 31

    @#675512:
    Ich finde, dass eine gesunde Skepsis wichtig und gut ist. Weder bei Twitter, noch bei wirres, noch bei Spreeblick habe ich auch nur den Hauch von Kritik an Lobos Auftreten gelesen. Zudem ist er mit vielen von euch befreundet – natürlich beäuge ich sein Auftreten da kritischer. Gut finden wird nicht schwerer wenn viele das tun (höchstens, wenn die Falschen das tun); aber aus Prinzip mit „Hurrah“ schreien suckt.

    Btw, Ich gucks gerade, Sascha Lobo hat soeben das 12.000€ Uhren Argument gebracht. Im Moment ziemlich überzeugend, aber die Idee „Rentenkasse auch für Selbstständige und andere Nicht-angestellte“ ist -obwohl meiner Meinung nach gut- weder besonders grandios noch umwälzend.

  32. 32

    @#675552: Skepsis ist ja völlig okay. Und Pauschal-Hurrah saugt, keine Frage.

    Die Uhr kostet übrigens ab 19.000 Euro aufwärts.

  33. 33
    Maltefan

    Weil sich jetzt alle wieder über vermeintliches gelobhudeldudeldei echauffieren, eine kleine Anmerkung von mir, etwas OT: Ich hatte Sascha Lobo schon vor einiger Zeit mal in einer ähnlichen Runde zu einem ähnlichen Thema gesehen (es ging um Rente, Nobbi Blüm war auch dabei und ist jedem ins Wort gefallen). Da hatte ich noch keine Ahnung, wer der Typ mit der unmöglichen Frisur ist, und er ist mir damals schon (ohne Witz) aufgefallen als der einzige in der Geriaten-Runde, der nicht lauter dummes Zeug dahergeredet hat.

    Naja, das Fernsehen sorgt doch manchmal für Überraschungen, habe diesen Sonntag auch bei Anne Will vorbeigezappt und war völlig perplex, dass Karl Lauterbach lauter richtige Sachen gesagt hat.

  34. 34

    wenn ausser dem Unterhaltungswert noch etwas übrig bleibt?

  35. 35
    Johann

    Hallo, erst mal Hut ab für Ihre klare Darstellung und mutige Nennung der Dinge. Klar ist: das Kapital, welches den Menschen benutzt um sich zu mehren, muß sich am Unterhalt des Menschen bis zu seinem Ableben so beteiligen, das der Mensch ein würdevolles miterleben haben kann. Dazu zählen alle Kapitalgewinne. Sie haben es anklingen lassen und Heiner Geissler auch. Alle anderen sind zu dumm oder haben andere Interessen.
    Mit freundlichen Grüßen aus Essen: Johann Jäckel