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Uruguay – Südkorea 2:1


Kaum schießen mal drei Fußballer fernöstlicher Herkunft einen ruhenden Ball angemessen aufs Tor, schon gilt jeder Mandelbeäugte als potentieller Kunstschütze. Selbst bei Freistößen 50 Meter vor dem Tor fantasiert Oliver Schmidt davon, „wozu Asiaten in der Lage sind“. Klar, das liegt eindeutig an den Genen, und keinesfalls am Training. Vorneweg durfte Oli Kahn sich schon darüber auslassen, dass der Südkoraner an sich diese WM ja nicht mehr so richtig viel läuft – und dass, obwohl er doch so fleißig ist normalerweise. Weiß man doch.

Man könnte sich glatt aufregen, aber dazu müsste man das ZDF ernst nehmen. Das geht aber nicht mehr, seit ich den letzten Satz ihrer Vorankündigung fürs Spiel lesen musste, wörtlich: „Verlängerung und Elfmeterschießen möglich!!!“ Ah, ja. Drei Ausrufezeichen. Next stop Heise-Forum.

Immerhin gilt der Uruguayer nicht mehr als der fiese Treter, wie all die anderen Jahre. Sondern als der feine Fussballer, der er tatsächlich ist. Und weil der Chinese an sich freundlich ist und zuvorkommend, ist er gerne bereit, dem Südamerikaner zu helfen, dieses unverdiente Klischee loszuwerden. Kim macht eine einladende Handbewegung, als Forlan zur Flanke ansetzt, Torwart Jung pflatscht auf den Boden wie ein nasser Sack Reis, läßt aber freundlich lächelnd den Ball passieren, Suarez sagt Arigato, einsnull.

Großartig übrigens der Zustand des Platzes. Das war kein Platz, das war eine Berglandschaft. Hin und wieder dümpelten kleine Luftballons über das Gras, als wären es Kühe. Uruguay kam mit diesem Miniaturallgäu besser zurecht, weil Südkorea keine Ahnung hatte, wie sie mit diesem abgestuften Pressing umgehen sollten. Hin und wieder hatte Ji-Sung Park irgendeine Idee, aber immer zogen die Uruguayer ihr Sushimesser aus dem Futter und zerhackten den Spielzug in kleine, handliche Häppchen.

Scheiße. Falsches Klischee.

Im Pausenjasmintee der Koreaner muss Nashornhorn gewesen sein oder sonst ein Aphrodisiakum: die hatten richtig Bock. Oder Uruguay machte Siesta. Bloß im Abschluss waren sie nicht sehr filigran, was seltsam ist: dabei sollen die doch so kleine Füße haben.

Und dann fällt der Ausgleich doch nach einem Freistoß, das Klischee werden wir diese WM wohl nicht mehr los. Obwohl das Tor mit dem Freistoß nur mittelbar zusammenhing: viel eher sollte man fragen, was eigentlich Victorino sich dachte, als er den Ball senkrecht in den Himmel über seinem Sechzehner jagte; und warum Muslera durch seinen Fünfmeterraum spazierte, als wärs ein Vorgarten. So stand die so hochgelobte uruguayanische Abwehr rum wie ein Haufen angesengter Playmobilfiguren, während Lee den Ball ins Tor nickte.

Kaum geschehen, machten die Südkoreaner genau den gleichen Fehler wie Uruguay nach der Führung: sie zogen sich zurück in ihr kleines Schneckenhaus und warteten, ob sich ein Konter anbot. Bot sich zwar, viel gefährlicher aber waren die Angriffe der Südamerikaner. Suarez durfte einmal freistehend verkacken, bis er sich in der 80. den Ball auf den rechten Fuß legte, um ihn ins lange Eck zu curven.

Da erwachten die Asiaten aus ihrem Opiumrausch, aber Lee verließ kurz vor Schluß und frei vor dem Tor die Kraft im Fuß. Es reichte nicht mehr.

Halbfinale Uruguay. Doch, doch, Halbfinale ist schon richtig.

11 Kommentare

  1. 01
    Marre

    Ich liebe deine Spielberichte!!! Drei Ausrufezeichen. Aber im Ernst jetzt. Neben den Spielen an sich sind die für mich das Beste an der WM.

  2. 02
    Jan

    Danke, dass nicht nur mir dieser Asiaten-Vergleich aufgefallen ist.

    „Konterchance für England, wer neulich die Holländer beim Kontern gesehen hat, weiß, was diese Europäer in so einer Situation können.“

  3. 03
    dismax

    GAAAIL….und wieder ein Südami weiter!

    Krass, es schaut verdächtigst nach einem südmarikanischen Finale aus, ist das schön. Topmegasuperstürmer Suarez spielt bei Ajax, spätestens jetzt werden sich die europäischen Vereinsbosse nach Adam auf den Weg machen und sich wie blöd überbieten.

  4. 04

    Vor allem hat Uruguay das einfachste „Bracket“ zu spielen: Ein Halbfinalist wird USA oder Ghana heißen – oder eben Uruguay. Da waren eigentlich England und Frankreich gesetzt. Das war wohl nix.

    Noch ein Nachtrag zur RTL-Berichterstattung:

    http://kreuzwortfeuer.wordpress.com/2010/06/25/not-gegen-elend/

  5. 05
    Frédéric Valin

    @#764413: Knicks! Dankesehr.

    @#764417: @#764415: So einfach spielen die gar nicht. Das Pressing ist verheerend gut. Ich will gar nicht wissen, was dieses Pressing mit sagen wir einer deutschen Hintermannschaft anstellen würde. Mertesacker stöhne ich in meinen Alpträumen, Mertesacker!

    @#764414: Kann das sein, dass diesmal vor allem die Spiele mit Asienbeteiligung so klischeeüberfrachtet sind? Der Oli Kahn greift ja gerne mal ins volle Glas der Vorurteile, Netzer ebenso, aber so konsequent, wie das bei Japan und Sükorea (Nordkorea natürlich auch) gehalten wurde, ist mir das bei keinem anderen Teilnehmer aufgefallen.

  6. 06
    dismax

    In den Fussballanalen (hat so viel ich weiss nichts mit anal zu tun) kann man sehen, dass in der südlichen Halbkugel die Südamerikaner seit jeher unschlagbar sind. Zufall oder nicht, ich glaube fest, dass es auch dieses mal so sein wird. Die Südamerikaner sind technisch gesehen wahre Meister, auch mental und taktisch waren sie schon immer eine sehr harte Nuss. Was mich aber am meisten beeindruckt, ist dieses mal ihre physische Stärke und Ausdauer, einfach bärenstark.

    Schaut euch nur mal Suarez an, der hat Pferdelungen!

  7. 07
    Jan

    @Frederic (5): Ja, besonders weil es kein nett-ironischer Umgang mit Klischees ist, sondern sich um eine Variante des „They all look alike to me“-Syndroms zu handeln scheint.

  8. 08
    kkaddi

    Es hat mich gefreut, dass Uruguay das erste Achteilfinalspiel gewonnen haben. Ich fand, Uruguay schon in der Vorrunde schönen Fußball präsentiert hatte. Südkorea hat auch eine gut WM Vorrunde gespielt. Aber um das Achteilfinale zu gewinnen hat es nicht gereicht .

  9. 09
    C.

    o.k. eigentlich hätte ich mir einen anderen ausgang wünschen müssen; uruguay hat südafrika rausgeworfen (was mist ist), und südkorea hat rehagel entlassen lassen (was eindeutig das beste an dieser wm ist).
    aber trotzdem waren/sind mir die „urus“ deutlich sympathischer und spielen dazu noch schicken fußball. und die abgebrühtheit in der zweiten halbzeit war einfach klasse; „mit dem 1:0 können wir uns ausruhen, und wenn der ausgleich fällt, dann schießen wir halt noch das 2:1 und gut ist.“ hat hervorragend geklappt :)

  10. 10
    sig.

    „Drei Ausrufezeichen. Next stop Heise-Forum.“

    Hey, das sorgt aber jetzt für Verstimmung!!1!