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Bundesliga 22

Julian Schieber liegt auf dem Bauch, mitten im Stuttgarter Strafraum. Fassungslos kaut er auf seiner Unterlippe herum, während er sich hilfesuchend auf dem Feld umsieht. Er mag sich gefühlt haben wie der Petunientopf, der für Desperate Housewives gecastet worden ist und jetzt die Stunts in Per Anhalter durch die Galaxis spielen soll.

Julian Schieber ist kein Elfmeter verweigert worden, er hat auch keine Vorlage, die ihm direkt auf die Torlinie gelegt worden ist, ins Seitenaus geschaufelt. Julian Schieber hat das vorentscheidende 2:0 gemacht, für seinen Arbeitgeber, für Nürnberg. Gegen seinen Verein, den VfB Stuttgart. Nächstes Jahr soll er zurückkommen, sagt Fredi Bobic, auf jeden Fall.

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Bundesliga 21

Statt HSV – St. Pauli Freiburg gegen die Eintracht zu sehen, das ist, wie wenn man Meerweh hat und dann nur in den Aquadom darf. Obendrein war das Spiel so seicht wie ein Froschtümpel. Momentan haben wir einen Boxer als Gasthund zuhause, da ist in zwei Minuten mehr los als in diesem kompletten Spiel.

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Alles über Roxette in 30 Punkten

1. Roxette haben also eine neue Single gemacht.

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Bundesliga 20

Dieter Hoeneß ist die Victoria Beckham der deutschen Fussballmanager. Im Kaufrausch verleibt er sich so viel wie möglich Luxusgüter ein und kotzt sie dann in kleinen Brocken wieder aus. Und was am Ende übrig bleibt, ist das klapprige Gestell eines zuvor einigermaßen funktionierenden Korpus, vom exzessiven Größenwahn gezeichnet.

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Uli Hannemann und Frédéric Valin bei Read on, my dear

Nach langem Winterschlaf erwacht Read on, my dear wieder zum Leben: wachgeküsst vom großartigen Uli Hannemann, dem Ritter vom Reuterplatz. Der hat ja bekanntlich mit „Neulich in Neukölln“ den Referenztext schlechthin zum Kiez geschrieben, sozusagen die Encyclopedia Britannica des Hermannplatzes. Um ein Jahr danach „Neulich im Taxi“ nachzuschieben, momentan, so munkelt man, schreibt er an „Neulich in der Nacht“. Vielleicht aber auch einen Gedichtband, Titel: Neulich. Read on my dear…

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Bundesliga 19

Hannover 96 stelle ich mir vor wie einen passiv-aggressiven Frosch. Er sitzt den ganzen Tag auf seinem Stein und starrt böse in die Gegend, aber niemand lässt sich dazu herab ihn wahrzunehmen. Das Phänomen Hannover wird überhaupt so gut wie nicht wahrgenommen. Das liegt natürlich daran, dass man aus reinem Selbstschutz Hannover so wenig wie möglich wahrnimmt als einigermaßen normal veranlagter Mensch. Aber nicht nur.

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Bundesliga 18

Nuri Sahin steht verlegen vor der ARD-Kamera, denn Beckmann hat Fragen. Wie ein frisch gewaschener Wombat schaut er in die Kamera und grinst. Dass der überhaupt in der Lage ist, einen Zweikampf zu führen, geschweige denn zu gewinnen, meistens zu gewinnen, ist kaum zu glauben. Beckmann ist dementsprechend aufgeregt und fragt (ungefähr), ob denn nun er, Sahin, heute morgen mit einem Lächeln auf den Lippen aufgestanden wäre, das wohl was mit der Meisterschaft zu tun hat, irgendwie, aber direkt wollte er die Frage nicht stellen, stattdessen sagt er fortwährend Sahins Namen in einer Betonung, wie man sie zuvor noch von niemandem gehört hat, er betont den Namen auf der letzten Silbe, er ist ganz schön stolz, dass er das so gut kann. Sahin schaut mit dem gebotenen Desinteresse links und rechts an der Kamera vorbei, wenn die Frage vorbei ist, zögert er kurz und antwortet gelangweilt, was Beckmann langweiliges wissen wollte. Da weiß man wieder, dass er das kann: den anderen auflaufen lassen. Wer das Interview während der Sportschau nicht gesehen hat, der kann sie immerhin hören und dem sei gesagt: es hatte was brandeskes. Andere Frisur, aber sonst.

Diese Abgeklärtheit, diese Coolness und gleichzeitig auch die damit einhergehende Respektlosigkeit, das ist es, was Dortmund momentan auszeichnet. So ist das, wenns läuft. Wenns läuft, dann läufts, da helfen keine Windeln.

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Bundesliga-Rückrunde – Das wars, so isses, so hättes sein können


Vor der Saison habe ich, ich erinnere mich ungern daran, die Abschlusstabelle getippt: jetzt ist die Zeit der halben Wahrheit. Ungefähr nichts von dem, was ich prognostizierte, stimmt, aber das macht nichts, denn jetzt ist Zeit für ein paar Korrekturen.

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You talkin‘ to me?

Eines Tages überkam Charles Baudelaire die Idee, sich die Haare grün färben zu lassen. Wir befinden uns mitten im 19. Jahrhundert, und damals handelte es sich dabei noch um eine aufsehenerregende Idee. Kaum war er bei seinem Barbier gewesen, ging er seinen Freund Maxime Du Camp besuchen, begrüßte ihn herzlich und nahm seinen Hut ab: Maxime Du Camp aber, der von den Schrullen und Spleens Baudelaires wusste, verzog keine Miene. Sie sprachen über dies und das, und Baudelaire wurde immer ungehaltener, bis er irgendwann mit dem Fuß aufstapfte und schrie: „Finden Sie denn nichts ungewöhnliches an mir?“ – „Wieso“, sagte Du Camp, „haben Sie sich denn neue Schuhe gekauft?“ – „Aber nein!“ rief Baudelaire. „Meine Haare sind grün!“ – „Das ist doch nicht weiter außergewöhnlich“, sagte Du Camp. „In Paris hat doch jeder mehr oder weniger grüne Haare.“ Baudelaire stand ohne ein weiteres Wort auf, ging in das nächste Café und betrank sich mit zwei Flaschen roten Burgunder.

In dieser Geschichte ist alles drin, was eine Provokation ausmacht: die gezielte Normverletzung. Das Bedürfnis, damit Aufmerksamkeit zu erlangen, oder wie man auf französisch sagt: de faire scandal. Und eine der Methoden, wie man Provokationen entkräftigt.

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Bundesliga 17

Hells Bells auf St. Pauli, der Aufsteiger hat es läuten hören. Zum ersten Mal seit langem wollen sie mal wieder mitspielen, schön spielen, mit dem Fußball, der sie hat aufsteigen lassen. Ablaufen statt abgrätschen, riskante Pässe in die Spitze statt hoch in den Rückraum, vielleicht sogar ausnahmsweise den ein oder anderen Angriff konsequent über eine Seite auszuspielen. Aber zwei Probleme: der Rasen hatte Akne. Und Mainz.

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Die Abschaffung der Wehrpflicht

Soll man die Wehrpflicht abschaffen? Zu Guttenberg macht das jetzt im Schnelldurchlauf. Vorerst soll sie ausgesetzt werden. Im Januar enden die Einberufungen. Jahrelang war ich für eine Abschaffung, inzwischen kamen mir Zweifel.
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Jan-Uwe Fitz zu Gast bei Read on, my dear – der Lesebühne mit Spreeblick

Entschuldigen Sie meine Störung“ heißt das neue Buch von Jan-Uwe Fitz (alias Vergraemer), und was soll ich sagen: untertrieben hat er nicht. Denn JUF hasst Menschen, muss aber hin und wieder einen treffen, zum Beispiel ins Gesicht. Dann baut ihm das Schicksal eine Psychiatrie in den Weg, die Sackgasse unter den Lebensplanungsentwürfen. Jetzt glaubt er, Gott sei ein Mond. Nein, Moment, das war ich. Obwohl noch nicht geklärt ist, ob JUF weiß, dass er nicht ein anderer ist. Wiederum obwohl es dafür unschlagbare Beweise gibt: denn er ist einzigartig lustig. Das reicht ihm leider nicht, deswegen schreitet er zur Publikumsbespaßung. Diesen Donnerstag. Live.

(Fortwährend Autor und Erzähler zu verwechseln habe ich übrigens vom deutschen Feuilleton gelernt.)

Jan-Uwe Fitz zu Gast bei Read on, my dear – der Lesebühne mit Spreeblick
Donnerstag, 16. Dezember ab 20:30 – 23:00
Yuma Bar, Reuterstraße 63
Eintritt frei, Austritt mit Hut