In den letzten Tagen fiel mir wieder auf, wie alt ich dieses Blog ist, wie viel wir hier schon erlebt haben mit Blog-Kommentaren und dass es eine jüngere Social-Media-Generation gibt, die das alles nicht mitbekommen haben kann … ich möchte daher noch ein paar Sätze zu dem Thema tippen.
Einige Tweets und FB-Posts zum gerade von uns installierten Plugin, mit dem ich bestimmte Kommentare „weiß machen“ kann, lauteten nämlich in etwa „Spreeblick färbt rassistische Kommentare weiß ein“ oder „Spreeblick weißt Nazi-Kommentare“ – und das trifft es nicht ganz. Wirklich rassistische Kommentare oder solche von klaren Nazis würde ich anzeigen und löschen. Die Kommentare, die ich weiß kennzeichne, sind viel subtiler. Sie versuchen sich – meiner Meinung und Erfahrung nach – am sogenannten Derailing.
Eindeutig rassistische Kommentare oder Aufrufe zur Gewalt gibt es auf Facebook, in diesem Blog aber schon lange nicht mehr und auch früher selten. Denn den Kommentatoren ist sehr klar, dass wir ihre IP haben und sie anzeigen könnten. Zudem bringen solche Hass-Kommentare den Absendern überhaupt nichts, die meisten Blogs löschen das Zeug sofort.
Das haben auch schlauere Rechtsextreme, Rassisten und Neonazis gelernt (die nämlich keineswegs alle dumm sind oder nicht schreiben können) und sich daher seit vielen Jahren eine Kommunikationsstrategie angeeignet, die sich Derailing nennt. Entgleisung. Einfach mal bei Google eingeben, das gibt es Definitionen und Anleitungen, wie so etwas funktioniert.
Es geht beim Derailing in erster Linie darum, eine Debatte an sich zu reißen, ihr Thema zu ändern und dabei die inhaltliche Oberhand zu gewinnen. Es geht auch darum, sich dabei relativ klug auszudrücken, um anderen Leserinnen und Lesern zu suggerieren: Guck mal, das ist gar nicht so dumm, was der da schreibt, irgendwie hat er ja auch recht. Es geht darum, Sympathien für Strömungen zu gewinnen, in vielen Fällen für rechtsextreme Strömungen (aber Derailing funktioniert auch bei allen anderen Themen).
Klassisches Beispiel: Mittels Derailing die Debatte von rechts nach links leiten. Ich schrieb hier über den Umgang mit Rechtsextremismus. Und sofort versuchen einige Kommentare, stattdessen über Linksextremismus zu reden. Das provoziert andere Leserinnen und Leser, man diskutiert tatsächlich über Linke und ist plötzlich völlig weg von der ursprünglichen Frage, wie man in Deutschland mit Neonazis umgeht.
Das funktioniert ärgerlicher Weise sehr oft. Wenn es um Gewalt gegen Ausländerinnen oder Ausländer geht, kommt jemand mit „Aber es gibt ja auch Gewalt gegen Deutsche“, wenn wir über Heidenau sprechen, bringt jemand eine Demo von Linken ins Spiel. Und wenn wir die latente und sichtbare Gefahr von Rechts thematisieren, versuchen manche Kommentare zum Thema „verfehlte Asyl-Politik der Bundesregierung“ zu lenken, als gäbe es Neonazis nur wegen der aktuellen Flüchtlingssituation. So geht Derailing. Es sind Ablenkungsmanöver, die so lange durchgezogen werden, bis die ursprüngliche Debatte nicht mehr möglich ist.
Debatten sind nur dann welche, wenn verschiedene Meinungen aufeinander treffen und ich habe daher überhaupt kein Problem damit, gesittet mit Konservativen oder auch mal Rechten zu diskutieren. Solange wir beim ursprünglichen Thema bleiben. Wenn jemand versucht, Derailing zu betreiben, schreite ich ab einem bestimmten Punkt ein. Ich habe das viel zu oft erlebt, ich beobachte es fast überall (nicht nur online) und ich halte es – nicht in allen, aber in vielen Fällen – für eine sehr gefährliche Strategie, welche die Gesellschaft verpestet. Auch offline.
Hört euch in eurem Bekanntenkreis einfach mal um, wie viele Menschen inzwischen Verständnis dafür haben, dass Bewohner von Kleinstädten und Dörfern Angst vor Migranten haben. Wie verständlich es geworden ist, dass ein Dorf mit wenigen tausend Einwohnerinnen und Einwohnern natürlich Probleme mit 500 Flüchtlingen hat, dass den Einwohnern „unwohl“ ist bei so vielen Fremden. Das gilt inzwischen als völlig nachvollziehbare, fast natürliche oder gottgegebene Reaktion.
Aber warum? Es gibt genügend Beispiele aus der ganzen Welt, bei denen das Gegenteil der Fall ist. Die Möglichkeit aber, dass ein Dorf mit einem großen Willkommensfest auf die teils temporären, teils bleibenden neuen Einwohner reagiert; die Möglichkeit, dass man sich voller Spannung auf „die Neuen“ freut, sie warmherzig empfangen, neugierig mit ihnen reden, ihnen vielleicht auch zeigen möchte, dass sie in Sicherheit sind – die gibt es gar nicht mehr. Wir denken in diese Richtung gar nicht mehr.
Auch das ist ein Ergebnis von Derailing, auf das auch die „etablierten“ Medien hereinfallen, indem sie Artikel schreiben, die sich mehr mit dem beschäftigen, was einige Laute diktieren, als mit dem, was wirklich wichtig ist.
Das Perfide ist: Natürlich bringt jedes Thema viele andere mit sich. Natürlich kann man über bestimmte Herausforderungen selten völlig losgelöst von anderen Baustellen diskutieren. Um wirklich an Lösungen zu arbeiten, braucht es dennoch Fokus und man muss sehr vorsichtig sein, sich dabei nicht aufs Glatteis führen zu lassen. Um genau das etwas deutlicher zu machen, färben wir Kommentare weiß, die wir für Derailing halten, ob beabsichtigt oder zufällig. Wir verstehen das als Hinweis für Leserinnen und Leser, die sich weiterhin selbst eine Meinung bilden können, indem sie den betreffenden Kommentar etwas umständlicher immer noch lesen können.
Danke, Johnny. Das ist mal klar und deutlich das Thema erfasst. Diese Derailing-Problematik ist echt nicht zu unterschätzen – es gibt viele, die sich davon resignieren lassen oder ihre Diskussionsmotivation verlieren.
„Natürlich kann man über bestimmte Herausforderungen selten völlig losgelöst von anderen Baustellen diskutieren“ – und genau deswegen ist der Vorwurf des Derailing oft nichts anderes, als unliebsame Aspekte eines Themas abzuwürgen, weil sie einem nicht in die eigene Argumentation passen. Man kann in vielen Fällen seriös Thema A nicht komplett losgelöst von Thema B und C diskutieren, auch wenn man das gerne so hätte. Die Welt ist leider ein wenig komplexer und vieles hängt mit vielem direkt zusammen. „Derailing“ zu schreien, weil jemand in einer Diskussion um Neonazis das Thema Flüchtlichswelle anspricht, zeugt von einer sehr unterkomplexen Weltsicht.
@#1668862: Ich schreie nicht. Und Neonazis gibt es länger als die aktuelle Flüchtlingswelle. Siehe oben.
Sehr wichtiges Thema, über das man gar nicht genug aufklären kann. Bei einer Recherche bin ich mal zufällg über einen Artikel gestolpert, nach dem es wohl schon seit Mitte der 90er eine ausformulierte Strategie der Rechten gibt, wie man Foren und Diskussionen in Online-Medien unterwandern kann. Von Social Media war da noch gar keine Rede. Interessanterweise findet man alle Elemente, die in dem Artikel angesprochen werden, heute in den meisten Diskussionen wieder. Link zum Artikel, wenn ich darf: http://www.trend.infopartisan.net/trd0902/t170902.html
Ich bin immer wieder überrascht, dass in Artikeln zu Trollen und ihren Techniken so selten das Wort „Moderation“ fällt. Ich sehe keine Möglichkeit, die Diskussionen in meinem Blog vor dem Tod durch Zerfaseln zu bewahren als strikte Moderation. Die Regeln sind einfach und nachvollziehbar, ich erkläre sie gelegentlich auch noch einmal, und wer sich nach einer Warnung nicht daran hält, fliegt raus. Wozu soll das Ganze sonst gut sein?
Wenn die Fragestellung ist „Wie gehe ich mit Rechtsradikalen um?“ ist das Thema klar umrissen und es geht eben nicht um „Wie gehe ich mit Linksradikalen/Flüchtlingen/deiner Mudder um?“. Wenn man nicht über die gestellte Frage diskutieren will – ob aus Desinteresse, weil man andere Themen für wichtiger hält oder weil man selbst Rechter ist, kann man eins tun: Nicht mitdiskutieren. Oder: Eine eigene Diskussion auf seinem eigenen Blog eröffnen mit den Themen, die man wichtiger findet. Oder halt weiter Rechts sein.
Was aber dieses Derailing ist, das Johnny hier beschreibt ist, wenn man die Fragestellung ignoriert und über seine wichtigeren Themen reden will. Das merkt der Fragesteller sofort, denn das fühlt sich so an, als ob er Dich nach Deiner Lieblingsfarbe fragt und Du sagst „Kaninchen“. Daher ist das eigentlich auch so offensichtlich für alle, nur nicht für diejenigen, die „Kaninchen“ sagen, denn die denken den ganzen Tag nur an Nagetiere, also können sie auch nur noch über Nagetiere reden, egal ob sie was ganz anderes gefragt werden.
Ich würde sogar soweit gehen zu behaupten, Derailing ist schon sehr lange ein politisches Mittel der gesellschaftlichen Manipulation/Kontrolle. Deshalb ist ja Medienkontrolle heutzutage fast so wichtig wie (partei)politische Macht(positionen). Bestes Beispiel Berlusconi. Derailing ist für mich auch, das allseitige, bisherge Vermeiden der Ursachenthematisierung. Beim Thema Flüchtlinge wäre das m.A.n. unter anderem die hiesige Rüstungsindustrie + Verflechtungen mit der Politik. (Warum demonstrieren Nazis eigentlich nicht gegen den Verkauf deutscher Waffen ans Ausland?) Beim Thema Rassismus und Nazis wäre da eher die Frage wem ein „Um- bzw. Rückbau“ unserer (noch) demokratischen Gesellschaft eigentlich nützt. Ich habe den Verdacht das sind die gleichen die momentan politisch zulassen das solche rechten Strategien Erfolg haben – und sogar (medial, hetzerisch) unterstützen. Wem nützt das denn wenn Emphatie und Solidarität mittlerweile eher als Nachteil wirken und immer weniger vorkommt? Neben dem Teile und Herrsche Aspekt sehe ich da auch die (mediale) Ablenkung von anderen wichtigen Themen (TTIP, Umwelt, Euro/Griechenland, Ukraine, Demokratieabbau…) bei der regelmässig allzu monothematischen Berichterstattung bzw. politischen Diskussion.
Und hier würde ich gern eine wichtige Unterscheidung machen, zwischen gesllschaftlichem und dem Verhalten Einzelner. Hasskommentare z.B. sind für mich eher was man in der Ethologie als Übersprungshandlung bezeichnet. Kann ich meine Frustration, Ohnmacht und Wut nicht an „denen da oben“ auslassen, glaubt dann eben ein AA-Sachbearbeiter oder sonstiger Sündenbock (Ausländer, Schwuler, Punk, Fahrradfahrer…) dran. (Dann) Perfekt instrumentalisierbar für Derailingstrategen. :-(
@Hans
Mach ich mir hier auf Spreeblick wenig Sorgen drum, das etwas abgewürgt wird. Johnny hat es gut erklärt und gelöscht werden die Kommentare ja nicht, d.h. es ist nachvollziehbar.
Ich bin sehr dafür auf die Problematik zu achten, eben genau weil es einer Diskussion dient. Im Moment versinkt viel zu oft in der Flut destruktiver Kommentare nämlich genau das, eine echte Diskussion. Einen Fokus setzen ist da das entscheidende Wort, das heißt ja nicht das man sich mit Neben oder verwandten Themen an andere Stelle nicht genauso intensiv beschäftigen kann.
Auch bekannt als „Vom Thema ablenken“ ;)
„Beim Thema Flüchtlinge wäre das m.A.n. unter anderem die hiesige Rüstungsindustrie + Verflechtungen mit der Politik. “
Derailing aus dem Lehrbuch, würde ich sagen ;)
@#1668871: Moderation halte ich tatsächlich für selbstverständlich, habe es wahrscheinlich daher oben nicht erwähnt. Ich wollte in erster Linie das „neue“ Tool noch etwas näher erläutern.
Oder auch „Nebelkerzen“, „Ablenkungsdebatte“, „Strohmann Argumente“, „Tut nix zur Sache“, etc.
Es ist sichelich auch kein Wunder, dass so viele von den Rassisten auch eingefleischte Esotheriker und Verschwörungstheoretiker sind – Die können das Derailing (basierend auf nichtwissenschatlichen Thesen) nämlich am allerbesten.
Das Problem ist glaube ich die Schwelle der Selbstkritik: Würde ich auch nur ein Argument des Gegners zulassen, wäre mein gesamtes Weltbild unterminiert und ich müsste vormir selbst und vor anderen zugeben, dass ich mich geirrt habe.
Das wiederum passt nicht zu Stolz und Ehre und so …
naja.
Natürlich ist es manchmal nicht ganz leicht, die Grenze zu ziehen zwischen (legitimer) Ursachenforschung und Derailing.
Die Frage nach den Verflechtungen der Rüstungsindustrie ist aber genau KEINE Ursachenforschung zum Thema „rechte Gewalt“, die Frage „Warum demonstrieren Nazis eigentlich nicht gegen den Verkauf deutscher Waffen ans Ausland?“ dagegen schon. Nämlich weil letztere darauf hinweist, dass viele Rechte ein großes Problem mit Selbstreflexion, der Wahrnehmung ihrer Umwelt, der Beurteilung von Tatsachen und Behauptungen und der Einordnung von Zusammenhängen haben.
Bildung hilft. Nicht immer, aber oft.
Der Unterschied zwischen „einen Aspekt/Ursache ansprechen“ und Derailing liegt in der Motivation/Intention. Wenn die Intention ist, das gesagt tatsächlich zu ergänzen und zu erweitern oder zu hinterleuchten, dann ist es eine Diskussion. Wenn die Motivation die ist, einen roten Hering in den Ring zu werfen, damit das ursprüngliche Thema vergessen, diffamiert und/oder Diskussionen zum Thema (und all seinen Aspekten) abgwürgt werden, dann ist es Derailing. Und der Unterschied ist IMO nicht sehr schwer zu erkennen.
wie Johnny schon geschrieben hat. Es ist natürlich wichtig den Fokus zu behalten, auch wenn man selbst es gar nicht zum Derailing kommen lassen möchte/beabsichtigt kann es (mir ja auch) trotzdem passieren, eben weil man heutzutage durch mehr Info ein differenzierteres Bild sieht bzw. sehen kann und das auch argumentativ einbringt. Die Art wie auf Spreeblick mit Derailing (beabsichtigt oder nicht) umgegangen wird finde ich ziemlich elegant und noch sehr zivil.
Zum Thema: Ein Merkmal des Derailings ist der auch der persönlich werdende Angriff des Autors (Artikel, Kommentar) obwohl kaum davon auszugehen ist das man sich untereinander persönlich kennt. Funktioniert auch immer wieder ;-)
Fange gerade einen eigenen Blog an. Wenn da vielleicht irgendwann sogar Kommentare gepostet werden (sollten) bin ich gespannt wie ich das geregelt bekomme. Frage dann hier wahrscheinlich nach dem hiesigen Weissmacher-Skript ;-)
„Hört euch in eurem Bekanntenkreis einfach mal um, wie viele Menschen inzwischen Verständnis dafür haben, dass Bewohner von Kleinstädten und Dörfern Angst vor Migranten haben.“
Dieses Verständnis war immer schon da. Was vielleicht bei manchen gesunken ist, ist die Hemmschwelle, das zu äußern. Aber wenn man sich schon früher damit beschäftigt hat, dann hat man diese Erfahrung immer schon gemacht. Dieser Marc-Uwe Kling-Witz. Die empfinden echt so. Ein großer Teil dieser Bevölkerung wird sich immer eher mit dem Nazi identifizieren als mit dem Opfer.
Zuletzt zB wie sich die ehemaligen Nachbarn von Tschäpe, etc. geäußert haben, als nach Bekanntwerden der Mordserie – ich glaube – Stern TV, etc. in den Orten mal nachschauten und -fragten. Nach dem Motto „was wollt ihr? Zu mir waren die immer nett. Das einzige Problem hier, seid ihr Journalisten“
Ein größerer Teil des Landes denkt so, als wir es uns bewusst machen, wenn es medial ruhig um das Thema ist.
Vielleicht mal ein konstrutiver Vorschlag, wie man als Betreiber eines Blogs oder eines Diskussionsfoums „Derailing“ (schonwieder ein neuer Begriff) begegnen kann: Das Thema clever wählen und global halten.
Statt „Wie kann man rechter Gewalt begegnen?“ vielleicht besser „Wie kann man Gewalt begegnen?“ Für das Opfer ist es nämlich auch völlig egal, ob es den Schädel eingeschlagen bekam von Leuten, die ihn/sie für einen Nazi hielten oder für einen Ausländer. Das funktioniert natürlich auch bei anderen Themen: „Ist der Dacia wirklich so schlecht wie alle sagen?“ – Besser: „Welche Erfahrungen habt ihr mit Dacia?“ und so weiter.
In dem Augenblick, in dem man das Thema bewusst so formuliert, dass dort nur noch eine bestimmte Meinung erwünscht ist, lädt man quasi zu „Derailing“ ein. Zensiert man derartige Beiträge dann weg, braucht man auch bald keine Diskussion mehr, weil sich nur noch gleichgesinnte gegenseitig den Hintern pudern und natürlich immer im Recht sind.
Die grundlegende Frage ist also, was der Betreiber bezweckt. Wobei ich aber auch zugeben muss, dass nicht jede Diskussion selbst mit den besten Vorsätzen so einfach zu führen ist. Letztlich sieht man es oft genug im Fernsehen bei (Polit-) Talksendungen, wie der Moderator fast verzweifelt versucht, 2 in sich „verbissene“ Diskussionteilnehmer zu trennen und auf das Ursprungsthema zurück zu lenken. Wie oft habe ich dann schon gehört: „Aber eine Sache will ich zu der Aussage von Herrn XY noch sagen…“
@#1669048:
es hilft nicht, das entgleisen zu verhindern, indem es vorweggenommen wird.
öffnen sie das thema in richtung gewalt an sich, entgleist es womöglich bei einer genaueren abgrenzung der art von gewalt. grenzen sie um physische gewalt herum ein, braucht es vielleicht nur einen hartnäckigen esoteriker, der ihre grenzen der physik infrage stellt. weil, meinungsfreiheit, wissen schon.
wenn ich in einer genau umgrenzten diskussion nicht beitragen kann, liegt das vielleicht gar nicht am thema. manchmal liegt man einfach nur nicht im konsens. da hilft es nicht, den rahmen umzudefinieren.
nein != ja-aber.
.~.
@#1669048: Nee.
Wenn es mir in meinem Blog um allgemeine Themen geht, schreibe ich allgemein. Wenn aber in Deutschland Flüchtlingsheime in Brand gesetzt werden und auf Facebook zum Mord an Migranten aufgerufen wird, dann lautet das Thema nicht „Wie gehen wir mit Gewalt um?“.
@#1669229: @#1669272: Der Punkt ist, dass ja auch „Rassismus“ wieder Ursachen hat. Einerseits Vorurteile, andererseits blinder Hass.Vorurteile und blinden Hass begegnet man aber öfter als man denkt. In anderen Bereichen drückt er sich vielleicht nicht gleich durch eine Gewaltorgie aus, wie etwa bei Flüchtlingsheimen, sondern subtiler. Für mich wäre es insofern zielführender zu fragen, wie man gegen Vorurteile angeht, gegen Gewalt im Allgemeinen, auf Hasstiraden reagiert und so weiter.
Natürlich kann jeder mit seinem Blog, Forum, Plattform machen, was er will. Sollte nur ein Denkanstoß sein, weil auch eingangs geschrieben wurde „Debatten sind nur dann welche, wenn verschiedene Meinungen aufeinander treffen und ich habe daher überhaupt kein Problem damit, gesittet mit Konservativen oder auch mal Rechten zu diskutieren.“, was aber so gut wie unmöglich ist, wenn man schon durch die Formulierung des Themas klar macht, welche Ansichten erwünscht oder gar geduldet sind.
Dieses „Derailing“ ist nämlich meiner Ansicht nach eine logische Konsequenz aus dem Umstand heraus, dass eine Relation fehlt. „Die Spree ist dreckig“ – „Wat? Da warste aber noch nicht am Rhein“ – „Egal, Thema hier ist die Spree!“.
Klar, bei politischen Themen wird immer emotional und meistens auch heiß diskutiert. Und wenn es um Gewalt an Menschen geht, will man auch gar nicht die Relation haben, wie etwa „Aber in XY war es noch viel schlimmer, da sind viel mehr Menschen verletzt worden! War also nur halb so schlimm“. Aber abseits von Terrorismus (und letztlich ist es nichts anderes als Terrorismus, wenn Leute Flüchtlingsheime angreifen) ist ja dennoch eine sachliche Diskussion über den Umgang mit Flüchtlingen/Asylanten und Zuwanderern/Migranten möglich.
Habe ich da gerade „Derailing“ betrieben, wenn ich schreibe, dass es „Terrorismus“ ist, der erstmal nichts über die politische Richtung aussagt, aber meint, dass jemand seine Ziele mit Gewalt entgegen geltenden Rechts und Gesetz durzusetzen versucht und Angst verbreiten will?
@#1669316: In diesem Artikel hier geht sowieso fast alles, thematisch. :) Es wurde oben in einem Kommentar ja schon gesagt: Wenn andere Themen zur Ablenkung dienen, dann ist das wohl eher derailing. Wenn es um Ergänzungen, Suche nach Ursachen geht, dann eher nicht. Es kommt immer darauf an.
Ich habe ja oben schon versucht, zu beschreiben, worum es mir geht. Natürlich muss in Sachen Flüchtlingspolitik massiv gehandelt werden, da bin ich bei Debatten sofort dabei (wenn auch mit anderer Meinung als einige andere), aber ich akzeptiere das (Schein)argument nicht, dass politische Fehlplanungen Menschen dazu bringen, Hilfesuchende anzugreifen. Das versucht man uns nur einzureden. Die Demos finden nicht vor den Gebäuden der Bundesregierung statt, das müssten sie aber, wenn es hier tatsächlich um die Politik der Bundesregierung ginge.
Die Angriffe auf Flüchtlinge sind von rechts gesteuert, die Flüchtlingszunahme und die Panik, die man daraus stricken kann, kommt rechtsextremen Organisationen nur recht. Sie wird Mittel zum Zweck. Nicht die Politik wird angegriffen, sondern hilfesuchende Menschen.
Deshalb lehne ich keineswegs Diskussionen über Flüchtlingspolitik ab, sondern halte es für Derailing, wenn es um Gewalt durch Rechte geht und dann jemand lieber über Flüchtlingspolitik reden möchte. Der drunterliegende Tenor, die angestrebte „Erkenntnis“ ist doch klar dabei:
Weniger Flüchtlinge = Weniger Rassismus.
Und das ist eben Unsinn.
Ich wechsel mal kurz das Thema: Bisher kein einziger weißgemachter Kommentar! Ist doch toll!
@#1669330: Ich bitte Dich, als ob Demos vor den Gebäuden der Bundesregierung (aka BRD-Regime) irgendwas bringen würden…
Übrigens ist es schon ziemlich paranoid hinter jeglichen Themenabschweifungen das „Derailing“ irgendwelcher „intelligenter Rechter“ zu sehen.
Jeden Tag entgleisen in meinen Lieblingsforen dutzende Themen in alle mögliche Richtungen, gerne auch mal komplett ins Offtopic.
„Weniger Flüchtlinge = Weniger Rassismus. Und das ist eben Unsinn.“
Scheint wohl aber doch so zu sein, schließlich steigen die Anti-Flüchtlings-Demos mit zunehmenden Flüchtlingszahlen.
Nachtrag:
An dieser Phase von 1991 erinnere ich mich auch noch:
Ein Mitschüler (auf dem Gymnasium) sagte damals „Man ist das geil, da möchte ich jetzt gerne sein!“ Dieser Mensch schaffte später die sogenannte höhere Reife.
Ich wurde auf der Treppe in der Schule auch als Kanake beschimpft – dieser Mensch ist heute Lehrer.
Mit sogenannter Bildung (nach deutschem Maschinenbauer-Verständnis) kommt man da nicht weit.
Und was man an dem brennenden Asylbewerberheim in Rostock-Lichtenhagen folgern kann: In diesem Heim waren Vietnamesen. Die waren schon lange da. Und Vietnamesen sind mit so ziemlich die zurückhaltendsten, höflichsten, fleißigsten und ruhigsten Menschen, die ich kenne. Weder eine Gefahr für das deutsche Geld noch für die deutsche Currywurst & Pommes-Kultur.
Nazis geht es letztlich nur darum, ihren Frust auf die einzige ihnen beigebrachte Art & Weise abzulassen: Auf schwächere einrpügeln. Da liegt das große Problem hier in Deutschland. Das haben die Ärzte damals in ihrem Lied „Schrei nach Liebe“ thematisiert. Und wenn ich so sehe, wie das in Kindergärten in „Problembezirken“ heute so abläuft, was ja auch schon einge Vorredner & Vorrednerinnen beklagten, so kann ich nur sagen: Gute Nacht, Erwin!
Nachtrag zum nachtrag: Obiger Post gehört eigentlich in das andere Thema „Entscheide Dich Deutschland!“ Sorry dafür.
Der Punkt ist: ohne Derailing würden manche Themen oder Seiten einer Problematik gar nicht diskutiert, weil z.B. die Blogbeiträge stets und immer in eine (politische) Richtung gehen. Jetzt könnte man ja sagen: was soll’s, es gibt ja Blogs für JEDE Sichtweise, sollen die Derailer sich doch IHR passendes Blog suchen. Dann würden allerdings wirklich gegenteilige Meinungen überhaupt nicht mehr aufeinandertreffen. Das kann in einer pluralistisch-demokratischen Gesellschaft nicht erwünscht sein. Davon abgesehen wird eh immer nur ÜBER die „andere Seite“, hier z.B. die rechte, hergezogen und argumentativ eingeprügelt. Jede Form der kritischen Selbstreflexion ist unerwünscht, unterbleibt deshalb geflissentlich. Es ist einfach nur noch langweilig…
@#1669330: Gut, reden wir kurz über Flüchtlinge und Politik, auch wenn das vom Thema „Derailing“ etwas „derailt“ erscheint :D
Ich selbst bin auch der Ansicht, dass die Hauptschuld die Politik trägt. Warum?
Wenn man seinen grundgesetzlichen Pflichten nachkommen will, muss man es nicht kopf- und planlos tun. Wenn Leute (angekündigt!) vor einer Flüchtlingsunterkunft demonstrieren werden, muss so viel Polizei abgestellt werden, um Ruhe und Ordnung gewährleisten zu können. Trotz ähnlicher Vorkommnisse in der Vergangenheit wurde nur eine Schippe voll Polizei dort hin beordert, die mir ehrlich gesagt schon fast leid taten. Wieviel Polizei einem Land zur Verfügung steht und damit eingesetzt werden kann, ist aber Angelegenheit der (Landes-) Politik. Kommt es also zu Gewaltexzessen (in dem Fall zu Rechtsterrorismus), dann ist in erster Linie die Politik schuld, die seit Jahren die Bestände an Personal und Gerät bei der Polizei abbaut.
Weiter geht es mit der inzwischen fast unkontrollierten Aufnahme von Flüchtlingen, die keine oder nicht selten auch gefälschte Pässe bei sich tragen. Hier muss die Identität festgestellt werden, wird kaum noch gemacht. Sei es drum. Dann sind die Leute hier, werden bunt gemischt in Zeltlagern untergebracht. Die gleichen Leute, die sich in der alten Heimat aufgrund religöser oder anderer Differenzen die Schädel gegenseitig eingeschlagen haben, werden hier auf engstem Raum zusammen gepfercht. Keine gute Idee.
Außerdem haben wir sehr bald September, das heißt, es geht zum Winter. Die Leute, die aus Syrien hier her kommen, haben ihr gesamtes Vermögen an schwerkriminelle Schlepper gegeben und mit Glück die Reise überlebt. Winterklamotten haben sie definitiv nicht. Sollen sie im Winter in Zelten, Shorts und T-Shirt leben? Mit (Klein-) Kindern? Was ist der Plan dazu meiner Regierung? Sich auf hoffentlich reichliche Unterstützung von humanitären Organisationen und der Menschen verlassen? Keine gute Idee.
Für die Zukunft ist was geplant? Kinder der Flüchtlinge unterliegen der Schulpflicht. Der Krieg in Syrien macht keinen Eindruck schnell vorbei zu sein und selbst wenn wird dort nicht viel mehr übrig sein als verbrannte Erde. Wir müssen uns also darauf einrichten, dass die Leute übe Jahre hinweg bleiben. Die Kinder werden also de facto als Deutsche groß, machen hier ihren Abschluss und womöglich eine Ausbildung oder beginnen ein Studium. Sind derweile aber nur geduldet. Heißt, in einigen Jahren werden sie womöglich in ein Land abgeschoben, das formal zwar ihre Heimat ist, mit dem sie aber nichts mehr verbindet. Dabei sind die vielleicht bessere Deutsche als manch ein ach so Deutscher. Also auch keine gute Idee.
Was unternimmt meine Regierung, um die Ursache des Übels zu beseitigen? Ist eine militärische Intervention sinnvoll? Kann man jemanden im Konflikt unterstützen, wenn ja wen? Von diesen Themen hören ich nichts. Wenn ich was sehe, dann ist es irgendein Volksvertreter, der wieder einmal betroffen aus dem Pullover guckt, wenn der Mob demonstriert. Naja, betroffen glotzen reicht aber bei weitem nicht.
Es hätte einen Plan schon seit Jahren geben müssen, weil eine solche Situation absehbar war. Es gibt keinen und das bei der größten Herausforderung, der sich Deutschland seit 50 Jahren gegenüber sieht. Parteienübergreifend nicht! Ganz ehrlich – DAS kann ich sehr wohl meiner Politik zum Vorwurf machen und gebe ihr damit auch an allen Ausschreitungen, die damit zusammen hängen, deutlich eine Mitschuld.
Das Derailing nimmt auch hier wieder Ausmaße an, die man leider allerortens zu sehen bekommt.
Das Thema hier ist, das Nebelkerzenwerfer der rechten Trolle. Nichtsdestotrotz fühlen die sich allemal dazu bemüßigt eben jene Taktik anzuwenden, obgleich Johnny mehr als einmal klar gemacht hat, dass mit der Asylpolitik vieles nicht stimmt.
Trotzdem wird das immer gleiche „hey guck mal da drüben“-Fass aufgemacht und das unter diesem Blogbeitrag.
Dummdreister geht es kaum mehr.
„Wie verständlich es geworden ist, dass ein Dorf mit wenigen tausend Einwohnerinnen und Einwohnern natürlich Probleme mit 500 Flüchtlingen hat, dass den Einwohnern „unwohl“ ist bei so vielen Fremden. Das gilt inzwischen als völlig nachvollziehbare, fast natürliche oder gottgegebene Reaktion. “
Hmm, da musst Du schon die Kirche im Dorf lassen, stell Dir vor in Neukölln wohnen 325 000 Menschen und dann werden plötzlich 70 000 Flüchtlinge im Kiez einquartiert. Streich zwei Nullen und es sind 3250 Menschen und 700 Neuankömmlinge auf dem Dorf. Das ändert natürlich alles. Und erst recht auf einem kleinen Dorf wo die Familien seit mehreren hundert Jahren auf ihrem Land wohnen und jeder mit jedem über drei Ecken verwandt ist.
@#1669399: Kein Problem mit dem Kommentar, hatte kurz überlegt, ihn „rüberzuschaufeln“, aber es ist eh alles durcheinander jetzt. :)
@#1669536: Aber sicher muss man das alles einer kurzsichtigen und planlosen Politik zum Vorwurf machen, da bin ich komplett deiner Meinung und tue das ja auch oft genug. Vorwürfe allein lösen aber die aktuelle Situation auch nicht. Weshalb wir umso glücklicher über die vielen Erhrenamtlichen und die massive Unterstützung aus der Bevölkerung sein müssten.
Ob es sich übrigens tatsächlich um die „größte Herausforderung, der sich Deutschland seit 50 Jahren gegenüber sieht“ handelt, weiß ich nicht.
@#1669753: Falls der ehemalige Flughafen Tempelhof zur Flüchtlingsunterkunft werden sollte, werden wir hautnah erleben, wie es sich in unserem Kiez entwickelt. Wir arbeiten und wohnen in direkter Nähe (am Kreuz Tempelhof/Neukölln/Schöneberg).
Es gab Zeiten, da habe ich dieses Blog sehr gern besucht; nicht, weil ich Johnnys Positionen oder politische Meinungen besonders schätze, eher im Gegenteil – das politische Milieu, in dem er sich gedanklich bewegt, ist nicht meines. Aber: Ich habe Johnny immer gern gelesen wegen seiner Fähigkeit, in Ruhe und mit dem nötigen Abstand differenzierte Gedanken äußern zu können. Unaufgeregtheit, Empathie und die Bereitschaft zuzuhören sind Qualitäten, die man auf Blogs und in den sozialen Hetzwerken selten findet. Johnny hatte sie.
Und nun das: Johnny weißt Kommentare. Ebenso wortreich wie umständlich begründet er dieses Vorgehen mit dem fadenscheinigen Argument „Derailing“. Einer wie Johnny müsste eigentlich wissen, dass Diskussionen erst dann fruchtbar werden, wenn man bereit ist, eingefahrene Gleise zu verlassen.
Johnnys Verrenkungen beim Versuch, das Weißen zu rechtfertigen, machen mich traurig, denn sie offenbaren mehr als die überaus verzeihliche und altersbedingt vielleicht nachvollziehbare Unlust, sich mit jeder blöden Meinung und ihrem unbelehrbaren Träger geduldig auseinanderzusetzen. Ich sehe in seinem seltsamen Versuch, Unliebsames durch Verschwindenlassen hervorzuheben, mehr als das. Es ist das Symptom für eine allgemeine Entwicklung, die mir seit einiger Zeit Sorge bereitet: die wachsende Unfähigkeit, kultivierte Kontroversen zu führen. Damit verbunden ist eine zunehmende Polarisierung. Es geht nicht mehr um den Austausch von Argumenten und gegebenenfalls die Korrektur eigener Ansichten, sondern nur noch um Positionsbestimmung und Abgrenzung. WIR und DIE, Gut und Böse, Schwarz und Weiß. Heute reicht eine unerwünschte Vokabel, ein falscher Zugenschlag, um in die Gefahr zu geraten, als feindlich getaggt zu werden.
Ist Euch schon einmal aufgefallen, wie sich die Demonstrationskultur in unserem Land gewandelt hat? Nicht, dass ich je ein Freund von Demonstrationen gewesen wäre. Mit Trillerpfeifen und Pappschildern durch die Straßen zu ziehen ist so ziemlich die unwürdigste Form der demokratischen Meinungsäußerung. Aber noch vor einigen Jahren wurden Demonstrationen zumindest als Meinungsäußerung wahrgenommen und auch so behandelt. Man hat sich mit den vorgetragenen Themen gedanklich auseinandergesetzt. Vielleicht hat man die Demonstranten als Spinner abgetan. Vielleicht hat man ihre Parolen als Anregung zum Nachdenken aufgenommen. Und heute: Kaum wird eine Demonstration angekündigt, meldet der politische Gegner unmittelbar eine oder mehrere Gegendemos an. Gewinnen tut die Seite, die mehr Teilnehmer versammelt, die den größeren Lärm verursacht, die die Zugangswege der Gegendemo wirkungsvoller blockiert. Streiten, zuhören und im Diskurs nach Lösungen suchen – diese Tugenden sind von vornherein ausgeschlossen.
Ein anderes Beispiel für die Präferenz der unbedingten „richtigen“ Positionierung auf Kosten von Wahrheit und Differenzierung ist mir heute untergekommen: Nach dem Brand einer Turnhalle auf dem Gelände eines Flüchtlingsheims in Berlin stellte sich Stadtrat Christoph Lauer umgehend auf die Seite der Guten und bezog Stellung gegen den bösen „Rechtsterrorismus“: https://www.piratenfraktion-berlin.de/2015/08/26/feuer-an-karl-bonhoeffer-nervenklinik-frank-henkel-muss-dem-rechten-terror-einhalt-gebieten-christopher-lauer/. Als die Ermittlungen ein anderes Resultat zutage förderten, ruderte Lauer nicht einen Millimeter zurück, sondern war sich der richtigen Positionierung zuliebe nicht zu schade für diesen Twitter-Satz: „Zu Reinickendorf: Hätten halt auch Nazis sein können. Hab kein Problem damit gewaltbereite Nationalisten vorzuverurteilen.“ https://twitter.com/Schmidtlepp/status/637635678352896001
Warum bringe ich diese beiden Beispiele? Weil sie symptomatisch sind für die verhängnisvolle Mode, zwanghaft auf der moralisch richtigen Seite stehen zu müssen, koste es, was es wolle. Unliebsame Meinungen werden mitttels Gegendemo plattgemacht, Fakten, die nicht ins Weltbild passen, werden unter Inkaufnahme der eigenen Glaubwürdigkeit geleugnet, und Realitäten, die nicht genehm sind, werden ausgeblendet – in Johnnys Fall buchstäblich.
Was sich daraus entwickelt? Eine sich immer schneller drehende Spirale aus Nichtverstehenwollen und zunehmender Polarisierung. Nun also auch Johnny Häusler. Es ist einfach nur schade.
Ich zitiere mich mal selbst: „Heute reicht eine unerwünschte Vokabel, ein falscher Zugenschlag, um in die Gefahr zu geraten, als feindlich getaggt zu werden.“
Wer hautnah erleben will, wie diese Entwicklung bereits als Schere im Kopf vieler Mitmenschen metastasiert, lese folgenden Kommentar unter einem anderen Beitrag dieses Blogs: http://www.spreeblick.com/blog/2015/08/28/hallo-bundesregierung-ich-habe-ein-paar-bitten/#comment-1670030
@#1670047: Im Ernst? Mir mangelnden Diskussionswillen vorwerfen, weil ein paar Kommentare geweißt wurden (so lange kannst du hier nicht lesen, denn „früher“ haben wir die Vokale entfernt, ist also alles nichts Neues: http://www.spreeblick.com/blog/2009/05/06/controll-ein-anti-troll-wordpress-plugin/)?
Grundsätzlich:
Auch wenn man heutzutage Themen jeder Art differenzierter als früher sieht und entsprechend diskutiert/postet. Die Kommentarfunktion zu Artikeln dient qua definition zur Kommentierung! des Artikels/Artikelthemas(!), nicht eigentlich zur Debatte (grosser Unterschied).
Was ein Blogadministrator zulässt oder nicht ist immer noch seine Sache, da sein Blog und somit sein (presserechtliche/strafrechtliche) Verantwortung, mal ganz abgesehen vom „Hausrecht“ (mein Haus, meine Regeln).
Niemand wird genötigt in einem Blog zu posten. Andererseits scheint jeder das/ein Recht für sich zu beanspruchen dass seine Posts auch veröffentlicht werden. Auf welcher Grundlage bitte? Meinungsfreiheit i.A. bedeutet nicht das jemand anderes verpflichtet ist diese auf seiner! (nicht-öffentlichrechtlichen) Blogseite auch zu veröffentlichen.
Die Derailingmöglichkeit, besonders seitens der Recht(s) und (rassischen) Ordnung-Fraktion basiert also im Grunde nur auf der (löblichen) Toleranz andere Meinungen in z.B. Blogs zuzulassen bzw. zu dikutieren, also einer persönlichen Einschätzung des Administrators. Und der muss sich u.a. auch entscheiden ob er seine Zeit und Energie aufwenden will Trolle und extremistische „Positionen/Schreierei“ zuzulassen oder eben nicht.
Ich frage mich nur ob, ausser auf das systematische Derailing an sich aufmerksam zu machen, die ausgedehnte Diskussion über den richtigen Umgang damit nicht von ungleich wichtigeren Diskussionen/Themen abhält.
@#1670301: Johnny, ich werfe nicht Dir persönlich mangelnden Diskussionswillen vor, jedenfalls nicht primär. Sondern ich sehe Deine seltsame Weißungs-Maßnahme in einem größeren, besorgniserregenden Kontext. Was Du tust, ist eine reine Freund-Feind-Bestimmung mit pädagogischem Ansatz. Du könntest Kommentare schließlich einfach löschen, wenn Du der Meinung bist, dass sie das von Dir gesetzte Thema nicht treffen. Stattdessen markierst Du sie durch Verbergen, stößt Deine Leser also gezielt auf Beiträge, die Dir nicht gefallen, ganz so, als ob Du sagen wolltest: Seht Ihr, wer solche Beiträge schreibt, schubst auch kleine Asylanten vom Nachttopf. Im Prinzip installierst Du damit einen virtuellen Pranger, nach dem alten Motto: Strafe einen, erziehe hundert.
Das Resultat kannst Du bereits besichtigen: Kommentatoren schieben ihren Kommentaren Erklärungen nach, um ja nicht falsch verstanden zu werden.
Noch einmal: Mach in Deinem Blog, was Dir angemessen erscheint. Bleib auf Deiner Schiene und fahre ohne Weiche immer geradeaus. Aber sei reflektiert genug, um zu merken, dass Du damit zu einem kleines Rädchen im großen Getriebe der Gesellschaftsspaltungsmaschine wirst, die momentan gehörig an Fahrt aufnimmt.
PS: Ich lese Deinen Blog seit ca. 2003.
@#1670301: Finde ich ja cool, sowohl den white flash, wie den Vocal out. Dabei fiel mir ein, witzig wäre es auch, den Text einfach auf den Kopf zu stellen. Das hätte den Vorteil, dass diejenigen, die es lesen wollen, ebenfalls Kopfstand machen müssten. Das befördert bekanntlich die Durchblutung, was wiederum eindeutige Auswirkungen auf das Denken hat.
@#1670348: 2003? Dann bist du ja fast länger dabei als ich! :)
Ich verstehe schon, was du meinst. Und ich halte das „Weißen“ auch nicht für eine perfekte Lösung für eine Herausforderung, für die es vlt. gar keine Lösung gibt. Aber beim „Entgleisen“ der Kommentare bin ich etwas sensibel, sowas artete „früher“ wirklich manchmal so aus, dass ich als jemand, der sehr ungern löscht, nächtelang vor dem Rechner sitzen musste. Betrachtet man die wenigen Kommentare der letzten Tage, die dann tatsächlich gekennzeichnet wurden, wäre der ganze Aufwand gar nicht nötig gewesen, ich finde die Debatten hier insgesamt ziemlich gut. Vlt. war das Plugin also eher eine Vorsichtsmaßnahme wegen früherer Erfahrungen.
Dass ein (!) Kommentator eine Erklärung nachschob, sehe ich in einem anderen Zusammenhang, vlt. liege ich da aber falsch. Mal abwarten.
@Johnny Haeusler:
„Betrachtet man die wenigen Kommentare der letzten Tage, die dann tatsächlich gekennzeichnet wurden, wäre der ganze Aufwand gar nicht nötig gewesen,“
Kommt noch, kommt noch.
Wirtschaftsflüchtlinge sind abschiebepflichtig.
@#1671064: Das ist nicht nur ein schöner Grund, zu weißen, sondern auch noch Unsinn.
Das ist die Gesetzeslage.
Natürlich, wenn Beschimpfungen, Verunglimpfungen, Beleidigungen und das sonstige Arsenal nicht mehr helfen, dann einfach ignorieren.
Die Aussage ist nicht zu widerlegen, das ist Fakt.
Die ganze Hilflosigkeit der Gutmenschen ist ja auch sehr schön in diesem Thread zu erkennen.
@#1672397: Das lasse ich doch gerne schwarz auf weiß.
Das Internet ist heutzutage der Platz an dem die politischen Rechte und Linke ihre Straßen und Saalschlachten ausfechten. Das man sich dabei neue Taktiken einfallen lässt ist nur natürlich. Jedoch ist es auch selbstverständlich, dass man die Taktiken der Gegner durchkreuzt. Insofern versteh ich das weißen total, es ist auch irgendwo die Pflicht eines Blog-Betreibers die Diskussionen auf seinem Blog im Auge zu haben und einzuschreiten, sobald er merkt, dass Kräfte, die er nicht unterstützt, auf seiner Website die Macht in den Kommentarspalten an sich reißen.
@achje: Wer sagt denn, dass „Gutmenschen“ alles wissen oder für alles eine Antwort haben? Klar, sehe ich die Probleme und weiß nicht, wie sie zu lösen sind. Allerdings weiß ich auch: Wo ein Wille – da ein Weg!