Wie kommt man eigentlich an Hörer für den eigenen Podcast? Ganz einfach: Man trägt die Adresse des RSS-Feed bei möglichst vielen Podcast-Suchmaschinen und Directories und natürlich bei iTunes ein, denn das sorgt wenigstens dafür, dass man gefunden werden kann. Im Fall von Spreeblick habe ich mich aus Zeitmangel bisher noch nicht umfangreich darum gekümmert, in einigen deutschsprachigen Communities war mein Feed sogar bereits eingetragen als ich es tun wollte, meist vom Webmaster oder engagierten und netten Hörern.
So ähnlich war das auch bei Erik Marcus, Podcaster und Autor von vegan.com, einem erfolgreichen Blog für – man hat es sich schon gedacht – Veganer. Marcus stellte jedoch vor kurzer Zeit eher zufällig fest, dass die Adresse die Yahoo für seinen Podcast listete, nicht die seine war: statt „http://www.vegan.com/pfad-zum-vegan-podcast…“ stand dort überraschenderweise „http://www.anderedomain/pfad-zum-vegan-podcast…“. Jemand hatte also den RSS-Feed von vegan.com zu einer anderen Domain geleitet und selbst einen Feed mit Marcus‘ Podcast angeboten. Erik Marcus recherchierte und fand heraus, dass dies in vielen Directory-Listings der Fall war und kontaktierte die Inhaber der falschen Domain. Diese entfernten den Veganer-Podcast aus ihrer Adresse und Marcus verlor auf einen Schlag 75% seiner Hörerinnen und Hörer.
Die Ursache dafür ist klar: Leute, die nach dem Veganer-Podcast gesucht hatten – bei iTunes, bei Yahoo, wo auch immer, hatten Marcus‘ Podcast gefunden, gemocht und abonniert. Mit der falschen Adresse, was aber niemandem auffiel, denn auch diese verwies auf den korrekten und gewünschten Podcast. Bis zur Änderung durch die „Entführer“. Danach mussten sich die Hörerinnen und Hörer, die keine Ahnung von einem falschen Feed haben konnten sondern einfach den Podcast nicht mehr geliefert bekamen, entweder auf die Suche nach der korrekten Adresse machen oder, das wird eher der Fall gewesen sein, akzeptieren, dass es die Show nicht mehr gab.
Warum das wichtig ist? Weil sich hier Dritte die Kontrolle über fremde Inhalte aneignen. Und zwar in einer juristisch nicht klaren Situation. Denn natürlich gibt es das Urheberrecht, aber vergreifen sich die „Entführer“ überhaupt daran? Und welcher Anwalt will und kann wegen eines Podcasts wie lange einen Prozess führen in dieser Sache, vermutlich gegen Firmen, die auf einem Flugzeugträger in neutralen Gewässern sitzen?
Zeichnet man ein besonderes Szenario, wird die Motivation der „Entführer“ klarer, denn natürlich geht es wie beim bekannten Domain-Hijacking und anderen Online-Betrügereien (Phishing etc.) um Geld. Podcasts werden in den kommenden Jahren immensen Zuwachs erfahren und sind sehr viel besser zu vermarkten als bspw. eine Website. Eine „Entführung“ wie oben beschrieben könnte im Fall eines auch nur minimal kommerziellen Podcasts, für den Zugriffszahlen sehr wichtig sind, zu erpressbaren Situationen führen: Sie möchten ihre Hörer behalten? Dann überweisen sie bitte Summe X auf unser Konto!
Erfahrene Hörerinnen und Hörer eines Podcast werden selbstverständlich das Naheliegende tun: Sie werden zur Homepage (der Begriff passt hier so schön) des entsprechenden Podcast wandern und nach der richtigen Adresse suchen. Doch selbst bei Spreeblick bemerke ich, dass die Podcast-Hörer zu einem immer größer werdenden Teil nicht deckungsgleich mit den Blog-Lesern sind. iTunes sorgt dafür. Und ob sich etwas unerfahrenere Internet-Nutzer, die per iTunes einen Podcast abonniert haben, die Mühe der Recherche machen, wenn eine Sendung einfach nicht mehr erscheint, darf bezweifelt werden.
Eine Grauzone mindestens, möglicherweise sogar eine Bedrohung der Kommunikationsstrukturen, die wir nutzen. Mit zunehmender Verbreitung neuer Technologien, Kulturen und auch Verdienstmöglichkeiten wird auch der Reiz für Abzocker größer. Und die, das sehen wir alle mehrfach täglich in unseren Mailboxen, sind eine Pest, die man schwer wieder loswird.
Weitere Links:
intern.de-Meldung
Englisch: Adam Currys Daily Source (Interview mit Erik Marcus)
Englisch: Juristische Betrachtung von Colette Vogele aus US-amerikanischer Sicht
[Dank an Daniel für den Hinweis!]
http://www.uni-muenster.de/Jura.itm/hoeren/material/Skript/Skript_August2005.pdf
Hoppla, interessante Schwachstelle. Ein Service der einem seinen Podcast passend zur URI „zertifiziert“ fällt mir da spontan ein. Wäre allerdings nur sinnvoll wenn entsprechende Clients wie iTunes etc. dieses Zertifikat auch abfragen würden.
Also in etwa das Gegenteil von Spam. Anstatt etwas unerwünschtes zu bekommen, wird man unerwünschterweise „konsumiert“ bzw. beraubt.
Bleibt die Frage ob man RSS-Diebe, ähnlich wie Spammer, mit Blacklists bekämpfen kann. Dazu müssten sie aber von festen IP-Adresse/Webseiten auf den Feed zugreifen. Eine Sperrung per .htaccess wäre demnach kaum noch ein Problem.
Gegen den Hörerverlust kann man ja mal ein „Copyright“ in sein Podcast einbauen. Also am Ende des Podcast auf den Orginial-Feed hinweisen.
Yves, immer danke für gute Links, aber so ein kleiner Hinweis, was genau das für ein PDF ist, macht auch immer Sinn. Denn es ist ein Buch zum Thema Internet-Recht, also spannend, aber steht da was drin zum Thema oben? Hast du’s gelesen? Was ist das Fazit in Bezug auf das o.a. Problem?
Weil… lesen werde ich das BUch heute sicher nicht mehr. :)
Evt. hilft es, einfach das Medium zur Information und Kommunikation zu benutzen, welches konsumiert wird: Den Podcast selbst. Und dort kann man schön auf den eigentlichen Feed hinweisen, wenn es Probleme geben sollte. Oder ich bin zu naiv.
Marcel, nee das ist natürlich völlig korrekt. Aber wenn wir an einem Punkt der Automatisierung sind, den man erreichen sollte, wer überprüft dann (und wie?) in iTunes den URL der Show, die er ja gerade hört?
Stimmt. Wahrscheinlich ein wichtiger Aspekt, dass der Konsument sich – je weiter sich ein Medium verbreitet – eigentlich nicht mit dem technischen Aspekt des Transportweges vertraut machen will. Hauptsache, er bekommt das, was er wollte. Wahrscheinlich also doch ein komplexeres Problem für die Zukunft.
Jonny: Technisch wäre es machbar Feed-URL und Podcast abzugleichen. Die ID3-Tags in MP3 sind für so etwas eigentlich ganz gut geeignet.
Frage: Ob iTunes sich die Mühe macht dieses Featur umzusetzen? Die verdienen ja nichts dran.
Ich denke diese Diskussion läuft am Ende auf eins hinaus: DRM für Podcasts. Egal wie man zu DRM und die Musik-Industrie steht, jetzt merken auch Privatleute das es u.Um. recht nervigsein kann wenn einem der Content geklaut wird.
Wenn Podcaster sich schützen wollen und die Kontrolle darüber behalten wollen wer ihre Inhalte wie&wo vermarktet, ist das ok. Wenn die Musik-Industrie das tut ist das böse?
Da nützt doch DRM gar nichts. Es wird die Original-Datei verlinkt. Ob mit oder ohne DRM. Nur eben mit anderer Domain. Es wird nicht der Content entführt, sondern der Weg dorthin.
Und ganz sicher wird Apple recht bald die Möglichkeit anbieten, Podcasts auch kostenpflichtig zu machen, wenn man will, insofern darf ein Interesse an einer Unangreifbarkeit durchaus vorausgesetzt werden.
DRM hier dann in dem Sinne, dass kontrolliert wird ob auch der korrekte Weg zur Datei eingehalten wird.
Digital Rights Management umfasst halt alle Rechte. Auch das Recht zu entscheiden wer die Inhalte verbreitet/vermarktet/verwaltet/verlinkt.
Ich glaube, man bräuchte hier gar keine Klarstellung durch den Gesetzgeber, sondern nur einen engagierten Anwalt. Wer zahlt meine Gebühren? ;-)
Schätze, die Anwälte werden von ganz allein – in Heerscharen – auftauchen, sobald die Podcasts die kritische Masse erreicht haben.
Die Caster bekommen dann Mails von ZONY BPM und Uniwersell (sic!):
„Ja hören Se ma, Herr Pottcarsten, Sie ham in Ihrer Sendung am 23.05.2006 den Song „Aua Haua“ von Marlene Küblzahn ausge… äähm gepodcastet. Dieser Song enthielt ein kurzes Samples (2sec. bei 3:56) von Hullibammdulli, die bei uns unter Vertrach stehen, nä wahr.
Ums kurchz zu machen: Sie überlassen uns Ihre Sendung mit den lumpigen 3500 Abonnenten oder wir schalten Russisch Inkasso ein!
Denken Se ma drüber nach!“
So weit, so nett.
Richtig fiese wär’s wenn sie den Cast gleich „entführen“ – wie im Artikel beschrieben – und der Poddi keine rechtliche Handhabe hat, weil er irgendwas im Programm hatte, das nicht korrekt lizensiert war.
Das muss ja kein komplettes Programm sein, nicht mal ein einzelner Song, ein kurzes Sample (im Jingle) reicht im Zweifelsfall für die Arschkarte.
Klingt utopisch?
Nach der Rootkit-Nummer klingt’s eher wahrscheinlich.
Also warum man Podcaster die widerrechtlich Material in ihrer Sendung spielen überhaupt schützen sollte, seh ich nicht so ganz. Nur weil viele denken Podcasting wäre ein Spielzeug wie Streamingradios in IRC-Netzwerken, müssen die meiner Meinung nach nicht geschützt werden, sondern nur aufgeklärt. Aber da weichen wir vom Thema ab.
Es läuft wohl doch auf einen kostenlosen Service hinaus, der einem seine Podcast-Sendung zertifiziert. .htaccess, DRM, Copyrights … das bringt leider alles nichts. Wäre schön wenn es so einfach wäre.
Toller Artikel! D.h. ja letztlich auch bei der Abonnierung von anderen RSS-Feeds gut aufzupassen (Blogs/Vlogs etc.)
die rückseite von rss/mashup/remixability heisst wohl copyrightverlust und die rückseite von syndication heisst diebstahl. kein wunder ist *trust* das am leisesten gerufene meme des web2.0
harte nummer. aber wir brauchen noch ein gutes wort dafür…was haltet ihr von „pod-jacking“?
besser feedjacking, denn mit stinknormalen rss feeds geht das doch genauso.
Ich finds toll, jetzt kann ich mit Feedburner meine Flickr-Fotos von Überwachungskameras in die Spreeblick-Feeds splicen und dann so die Blogweltherrschaft an mich reissen. :)
@moe klar ist das toll, nich ganz so toll ist eben, das das nicht nur du mit deinen flickr-fotos machen kannst, sondern auch ich mit deinen und jedermanns flickr-fotos, podcasts und blogeinträgen und und und; und so die weltherrschaft zurückreisse :)
da hilft scheinbar nur passwortgeschützes feeden, geht ja wohl. aber wer will das im ernst?
er hat vielleicht 75% seiner abonnenten verloren, aber nicht 75% der hörer. die meisten leute lassen sich ihre podcasts eh nur runterladen, weil es so einfach geht, aber sie hören sich das zeug nie an. wer wirklich interesse hat, würde auch den richtigen feed subscriben.
was ich aus der geschichte lerne ist, dass allerhöchstens 25% der abonnenten eines podcasts den auch hören. vermutlich sind es noch viel weniger, aber das wird man so einfach nicht rauskriegen.
@kris das Problem wird auch sein, dass viele nicht wissen, dass sie nicht den richtigen Podcast abonniert haben und deswegen davon ausgehen es gäbe ihn einfach nicht mehr.
@kris
das page impressions keine 100% durchgelesenen seiten sind, ist ein altes problem. genauso sind abonnenten keine 100% podcasthörer. wahrscheinlich hast du sogar recht und die mehrzahl an empfängern sind keine wirklichen rezepienten/konsumenten/leser/hörer. aber das ist beim tv, radio, zeitungsabo und schlicht allem so.
ich weiss ja nicht mal ob mir mein gegenüber richtig zuhört, wenn ich auf ihn sie oder es einrede.
solche verluste sind mE mithin einfach eingepreist.
oder?
gähn.
@marcel,
wohl die beste Idee, einfach im Pod auf die original URL hinweisen.
offtopic, aber aktuell:
Heute Samstag, 03.12.2005 21:00 – 21:50 Uhr Deutschland und das Ich – Doku – vormerken!
Liebe „Du bist Deutschland“ Kampagnen – Freunde, ich hab hier was für Euch:
„Seit dem Weltkrieg II haben die Deutschen ein zwiespältiges Verhältnis zum Nationalgefühl entwickelt. Die Filmemacherin Hito Steyerl ist dem deutschen Ich auf der Spur: mit altem Filmmaterial, philosophischen Hintergründen und emotionsgeladenen Bildern der Wiedervereinigung“
Auf Planet.
Weiter mit Eigenwerbung.
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ich denke das einige leute die zwar wirkliches interesse an einem podcast ahben udn diesen auch komplett hören allerdings auch nicht über das technische wissen verfügen um den url schwidnel zu bemerken. genau wie bei den ganzen online betrügereien wird durch mangelndes technisches verständnis vieler user leider so etwas sehr erleichtert.
Sollten die 75% nicht irgendwann mal mit merkwürdigem Referer in den Serverlogs aufgefallen sein?
vielen dank johnny für den hinweis!
bin dabei gerade auch einen podcast zu starten und nun noch nicht DER experte auf dem gebiet.
daher eine frage (mit einleitung):
habe gerade in unserer serverstatistik festgestellt, dass ein bild aus der alten page, die schon ewig online ist, geklaut wird (stichwort: traffic-diebstahl), habe dann die diebe in der error-logdatei auf unserem server ausfindig gemacht und es, wie hier (http://jeenaparadies.net/weblog/2005/oct/hotlinking-unterbinden) beschrieben, unterbunden.
lässt sich dieses prinzip der diebstahlbekämpfungs auch für den podcast-diebstahl anwenden!?
dass man seine z.b. die xml-datei mit den eingeschlossenen audiodateien und den links zu den audiodateien ständig ändert (minimale link- und längenänderung). und dann in den, im geklauten rss-feed, verlinkten audiofiles, dazu auffordern doch noch mal auf der originalseite den podcast zu abonnieren. geht das!?
wenn nein, warum geht das so nicht?
wenn ja, wo kann ich mir auf die o.g. lösung das patent anmelden? :)
mfg j.