Archiv

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Scherben

Damals, als wir unseren ersten Hund noch hatten und noch in Kreuzberg wohnten, da trafen wir beinahe jedes Mal beim Spazierengehen eine schon etwas ältere, leicht gebückt laufende Dame mit ihrem ebenfalls schon etwas älteren und leicht gebückt laufenden Hund.
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SPEX-blick

spex

Seit zwei Ausgaben schreibe ich eine Kolumne für die Printausgabe der SPEX, die Artikel erscheinen aber nach kurzer Verzögerung auch online.

Einfach hier klicken für meinen SPEX-Text der vorletzten Ausgabe: „Das ist doch verboten!“

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Ich war dann doch noch auf der IFA

3d
3D: Flachschichtenfernsehen.

Für uns Westberliner Steppkes war die „Internationale Funkausstellung“ früher™ Pflicht, mindestens an einem Tag nach der Schule musste man die Fahrt zum Messegelände antreten, um in erster Linie teure Technik anzugrapschen, tütenweise Kataloge und Aufkleber mit nach Hause zu schleppen und mit etwas Glück einen Halbprominenten aus nur zehn Metern Entfernung zu sehen. Was eine Messe außerhalb einer Kirche zu suchen hat und warum man etwas ausstellt, das man nicht sehen kann, war uns zwar unklar, aber Hey! Kataloge! Aufkleber!

Als Erwachsener legte sich die Lust auf noch mehr Papiermüll dann merklich, doch nun, nach jahrelanger IFA-Abstinenz, habe ich einen Heranwachsenden zuhause, der mich plötzlich fragte: „Gehst du mit mir zur IFA?“ Und natürlich antwortete ich: „Au ja! Lass uns tütenweise Kataloge und Aufkleber holen und teure Technik angrapschen! Und vielleicht sehen wir jemanden, den ich nicht kenne, weil ich nicht mehr fernsehe!“ So macht man sich als Vater beliebt.
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Thank you, Steve.

Steve Jobs tritt, und ich schaue zurück.

smiling mac

„Macintosh Emulator“ stand auf einer der handbeschrifteten Disketten in der Kiste, die mir Marc als eine Art Starter-Set für meinen ATARI ST mitgegeben hatte, den ich wegen seiner eingebauten Midi-Schnittstelle hauptsächlich zum Musikmachen nutzte.

Ich war nie der C64-Typ, das Ding war mir zu klobig und unsexy, ich stand auf den ATARI. Und bin heute noch davon überzeugt, dass C64-sozialisierte Computernutzer später zu Windows oder Linux tendierten, während wohl nicht wenige ATARI-Freaks beim Mac landeten, denn ob des von Apple abgekupferten GUI des ATARI fiel der Umstieg leicht.

Ich war Anfang 20 und wusste weder, was „Macintosh“ ist, noch konnte ich mit dem Begriff „Emulator“ etwas anfangen. Ich schob die Diskette ins Laufwerk und startete den Rechner neu. Ein lächelnder kleiner Computer empfing mich auf dem monochromen Bildschirm, danach eine Oberfläche, die nicht so weit von der mir bekannten entfernt schien. Es gab ein Menü am oberen Bildschirmrand, es gab Fenster und Datei-Symbole, und es gab einen kleinen Mülleimer zum Löschen von Dateien. Das kannte ich in etwas anderer Form alles schon.

Ein paar Klicks, ein paar Versuche mit der integrierten Software … hm. Bringt mir nichts. Verstehe ich nicht. Ich hatte keine Ahnung, dass ich gerade ein komplett anderes Betriebssystem benutzte (ich hatte nämlich nicht einmal eine Ahnung, was ein Betriebssystem ist) und es war mir auch egal. Ich drückte den kleinen Knopf unter dem Schlitz für die Diskette, um sie auszuwerfen.
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kino.to t

UPDATE Okay. Der ist gut.

Mit kino.to wurde eines der hierzulande wohl bekanntesten Video-Stream-Portale geschlossen, mehrere mutmaßliche Betreiber des Portals wurden festgenommen. Verfolgt man die Tweets rund um dieses Ereignis, bekommt man einen gewissen Eindruck davon, wie beliebt die Site offenbar war – obwohl sich die meisten Twitter-Nutzer auf die reine Verbreitung der Meldung beschränken, gibt es auch viele, die das Verschwinden der als illegal eingestuften Seite bedauern, die Schließung für ungerechtfertigt halten oder sich gar politisch für ein Fortbestehen der Site einsetzen wollen. Und damit ein zumindest fragwürdiges Gerechtigkeitsempfinden an den Tag legen.
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Die Fliege ist doof


Hübsche Kühe und doofe Fliegen.

Die Fliege, dachte ich neulich Abend, als ich eine ebensolche umherfliegen sah, muss das dämlichste Tier der Welt sein. Anscheinend ziellos surrt sie umher, wechselt im Millisekundentakt die Richtung und stoppt nur, wenn sie irgendwo gegen knallt. Und das tut sie oft. Eigentlich ständig. Der Esel macht IA, die Kuh macht Muh und die Fliege macht Bwwwwwwwwplopp.
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Who’s to blame?

Als Nutzer von Unterhaltungselektronik sitzt man in einer moralischen Klemme, aus der es kein Entrinnen gibt. Allein totale Entsagung wäre ein Weg, denn egal, für welche Hersteller man sich entscheidet und welche Geräte man nutzt: Irgendwo auf der Welt sitzt mit ziemlicher Sicherheit jemand, der eben dieses Gerät für viel zu wenig Lohn und in heftigen Überstunden zusammengeschraubt hat, damit wir es noch ein wenig günstiger kaufen können und die beteiligten Hersteller noch ein wenig mehr daran verdienen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser jemand ein Mitarbeiter von Foxconn ist (dem taiwanischen Unternehmen, das mit rund einer Million Beschäftigter für etwa 40 Prozent der jährlichen Elektronik-Umsätze in Höhe von 150 Milliarden Dollar zuständig ist), ist hoch, denn nicht nur Apple lässt bei Foxconn produzieren, sondern so gut wie jeder in der Branche.

Nachdem in den vergangenen Jahren die Selbstmordrate unter Foxconn-Mitarbeitern anstieg und die Kritik nicht bei Foxconn stoppte, sondern sich auch an die beauftragenden Unternehmen richtete, schickte das WIRED-Magazin für seine aktuelle Ausgabe den Gizmodo-Redakteur Joel Johnson nach China, um sich des Themas anzunehmen.

Herausgekommen sind dabei zwar keine wirklich investigative Recherche (die bei einem solchen Konzern offiziell wahrscheinlich auch nicht möglich wäre), keine Lösungen, keine beruhigenden Antworten, wohl aber ein äußerst lesenswerter Artikel. Johnson gelingt es, die zu Beginn dieses Lese-Tipps beschriebene Misere, in der wir alle stecken, als Leitthema zu nutzen und um seine Suche nach einer Antwort zu beschreiben auf die Frage, ob er mit seinem Faible für Elektronik für das Leid anderer Menschen (mit)verantwortlich ist.

1 Million Workers. 90 Million iPhones. 17 Suicides. Who’s to Blame?

Wer noch mehr Zeit hat, sollte auch die Kommentare lesen.

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KLICK.

I live by the river!

– Werbung in eigener Sache –


Der folgende Text und 14 weitere Kracher der Unterhaltungsliteratur befinden sich in dem eBook „I live by the river!“, das man hier für lächerliche € 0,99 kaufen kann und auch soll! Infos dazu gibt es auch hier.
– Ende der Werbung in eigener Sache –

Ich habe auf Empfehlung eines alten Freundes mit der Lektüre von Slavoj Žižeks „Violence“ begonnen (soweit ich weiß nicht auf deutsch erhältlich, in einer älteren Lettre-Ausgabe gab es aber mal Auszüge, hier der Amazon-Partnerlink).

Und während ich wegen dieser Lektüre Gedanken über verschiedene Formen der Gewalt mit mir herum trug, habe ich mich gefragt, wann ich selbst einmal direkte, physische Gewalt gegen Menschen angewandt habe. Und habe mich an einen bestimmten Moment erinnert.
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‚Ich‘ ist ein anderer


Neulich kursierte folgende kleine Geschichte: Eine Angestellte hört zufällig, wie ihr Vorgesetzter sie sexistisch herabwürdigt. Am nächsten Arbeitstag erscheint sie nicht im Büro, sondern schickt eine Mail an alle Arbeitskollegen. Im Anhang finden sich drei Dutzend Bilder, sie hat ihre Botschaft auf Kartons gemalt und in die Kamera gehalten. Sie sagt, dass und warum sie mit sofortiger Wirkung kündigt und dass sie ihre Arbeitskollegen vermissen werde.

Außer ihren Chef. Der hat kürzlich ein Tool installiert, dass ihm erlaubt, auszuspionieren, auf welchen Seiten sich seine Mitarbeiter während der Arbeitszeit rumtreiben. Da sie den Sicherheitscode hat, macht sie jetzt öffentlich, was der Chef im Netz so macht: vier Stunden die Woche berufliche Recherche, fast sechs Stunden Techcrunch und – Trommelwirbel – 20 Stunden Farmville.

Eine schöne Geschichte. Die so nie passiert ist. Aber ist sie deswegen weniger wahr?

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Eigenangst

Felix hatte vor einigen Wochen bereits einen Gastbeitrag über das Tempelhofer Feld für uns verfasst, hier kommt ein weiterer Text von ihm.

1967 singen The Doors „People are strange when you’re a stranger“. Als ich das Lied das erste Mal hörte, empfand ich ein mir damals noch recht emotional begründetes Gefühl der Zustimmung. Ich bin als Kind von „Zugezogenen“ auf einem kleinen Dorf aufgewachsen. Neben vielen guten Freunden und guten Menschen, die mir geholfen haben, das Leben zu lieben und die Menschen zu achten, habe ich auch unendliche Abneigung erfahren.
Jahrelang lebte ich mit einem unaussprechlichen Hass im Herzen. Hass gegenüber jenen Menschen, die mich ablehnten, weil ich das Kind von Zugezogenen war. Hass gegenüber jenen Personen, die mich auslachten, für meinen, für ein kleines Dorf in der BRD doch recht untypischen, Familiennamen. Hass gegenüber jenen, die mich als Zielscheibe für ihre verlachenden Witze benutzten. Witze, die stets nur den Zweck erfüllten, Niveauunterschiede zu erzeugen, Hierarchien zu etablieren und zu erhalten. Am meisten habe ich manchmal die Menschen gehasst, die meine Frustration, meine Wut, meine Angst, meine Trauer und mein Leid einfach abtaten. „Das bildest du dir doch nur ein.“

Ich habe früh gelernt, was es heißt, einsam zu sein.
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Von Gähnern und Gammlern


Gestern auf der Bühne las ich folgenden Text über Flugangst:

Ich brauche keine großen Abenteuer. Abenteuer machen mich immer sehr müde. Andere Kinder haben Indiana Jones gekuckt, ich immer die Flodders. Barfuß den Dschungel zu durchqueren interessiert mich nicht. Mir reicht die Herausforderung, meine Balkonblumen nicht eingehen zu lassen. Wer will schon mit dem Muli durch Afghanistan? Ich schaffs noch nicht einmal täglich bis zum Briefkasten. Oder aus dem Bett. Read on my dear…

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Kirsten Fuchs, Männerversteherin

Das werde ich nie mehr los und freue mich schon jetzt auf kommende verpfuschte Abendrot-Emomente!

Als letztes Jahr ein Schnee in dicken Flocken vom Himmel stob, da lehnten wir aneinander Arm in Arm am Fenster zur Südseite — ich wohne ganz oben über der lärmenden Stadt- über mir wohnt nur Herr Himmel. Dunkelstblö spannte der Abend seine Schwingen über uns um zum Nachtflug anzuheben — wir hatten den Tag über einen Stammstreit in mehrere Nebenstreits verästelt und bis in jedes kleien Zweiglein hineingestritten. Nun standen wir, des Uneins-seins übertrüssig beisammen, ich unter seinem Armdach — gereckt nach einem Kusse von seinen herrlich bartumstoppelten Lippen — schön wars und als es gerade schön war, sagte er „žZieh mal!“ und hielt mir seinen Finger hin.

Danke, Kirsten Fuchs!